10.12.2015Fachbeitrag

Update Investmentfonds Nr. 4

Umsatzsteuerbefreiung bei der Verwaltung von Investmentfonds

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 9. Dezember 2015 zur Umsatzsteuerbefreiung bei der Verwaltung von Investmentfonds entschieden. Die Verwaltung von offenen Investmentvermögen ist nach Auffassung des EuGH umsatzsteuerfrei. In welchem Umfang dies auch im Falle geschlossener Investmentvermögen und entgegen dem aktuellen deutschen Recht (§ 4 Nr. 8 h) UStG) gilt, ist nicht eindeutig entschieden.

Nach dem nationalen deutschen Recht ist die Verwaltung von Investmentfonds im Sinne des Investmentsteuergesetzes (InvStG) nach Maßgabe von § 4 Nr. 8 h) UStG umsatzsteuerfrei. Diese Vorschrift beruht auf Art. 135 Abs. 1 g) Mehrwertsteuersystemrichtlinie (2006/112/EG), wonach „die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen“ umsatzsteuerfrei ist. Der EuGH hatte nunmehr in der Rechtssache C-595/13 auf Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) darüber zu entscheiden, wie der Begriff „Sondervermögen“ in der vorgenannten Richtlinie auszulegen und was unter dem Begriff „Verwaltung“ zu verstehen ist. Gegenstand der Entscheidung ist die Auslegung der Vorgängervorschrift, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG, die eine Umsatzsteuerbefreiung für „die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften“ vorsah. Eine Änderung der Umsatzsteuerbefreiung sollte mit der Neufassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie wohl nicht beabsichtigt gewesen sein (vgl. Art. 412 der Richtlinie 206/112/EG; BFH v. 11.1.2007, Az. IV A 2-S 7056-6/07, DStR 2007, 488). Die Entscheidung kann damit auf die aktuelle Rechtslage übertragen werden.

Auffassung der Generalanwältin

Die Generalanwältin, Frau Kokott, hatte in ihren Schlussanträgen die Auffassung vertreten, dass Anlagevermögen, welche einer besonderen staatlichen Aufsicht nach dem Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten unterliegen, von einer solchen Steuerbefreiung profitieren. Insbesondere hatte sie ausgeführt, dass dies auch für Investmentvermögen gilt, die in Immobilien investieren. Hinsichtlich des Begriffs „Verwaltung“ ist sie für ein sehr weites Begriffsverständnis eingetreten. Demnach sollten in Abhängigkeit des betreffenden Vermögens auch sämtliche Bewirtschaftungsmaßnahmen zum Begriff der „Verwaltung“ gehören, d.h. solche, die ein Verwalter vornehmen muss, um das ihm anvertraute Anlagevermögen zu erhalten und daraus Erträge zu erzielen. Mithin sollten ihrer Auffassung nach auch rein tatsächliche Bewirtschaftungsmaßnahmen Gegenstand der Umsatzsteuerbefreiung sein. Dies hätte zu einer umfangreichen Umsatzsteuerbefreiung auch von z.B. Facility und Property Management Leistungen geführt.

Begriff des Sondervermögens

Der EuGH lässt nunmehr im Hinblick auf den Begriff der „Sondervermögen“ eine weite Auslegung zu. So soll es sich bei den Sondervermögen nicht ausschließlich um Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne der OGAW-Richtlinie (nunmehr Richtlinie 214/91/EU) handeln. Ausreichend sei, dass entsprechende Sondervermögen dieselben Merkmale aufwiesen, wie solche der OGAW-Richtlinie und somit dieselben Umsätze tätigten oder diesen insoweit ähnelten, dass sie mit ihnen im Wettbewerb stehen (Grundsatz der Wettbewerbsneutralität). Aus diesem Grund kann auch im Falle einer Anlage in Immobilien der umsatzsteuerrechtliche Begriff eines „Sondervermögens“ erfüllt sein. Dabei äußert der EuGH sich nicht ausdrücklich zu der Frage, ob auch geschlossene Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) in den Anwendungsbereich der Steuerbefreiungsvorschrift fallen. Vielmehr nimmt er ausdrücklich Bezug auf Kapitalanlagegesellschaften, wie im Ausgangsverfahren, die Gewinne aus dem Ankauf, dem Besitz, der Verwaltung und dem Verkauf von Immobilien erzielte Gewinne in Form einer Dividende an die Anteilsinhaber ausschütten. Die Formulierungen an anderer Stelle im Urteil schließen jedoch eine Auslegung nicht aus, wonach auch geschlossene Investmentvermögen in den Anwendungsbereich der Umsatzsteuerbefreiung fallen, d.h. die Verwaltungsleistungen einer Kapitalverwaltungsgesellschaft von der Umsatzsteuer befreit wären. So stellt der EuGH mit Hinweis auf die Generalanwältin Frau Kokott heraus, dass andere Arten von Anlagevermögen Gegenstand der Umsatzsteuerbefreiung sein können, wenn diese einer besonderen staatlichen Aufsicht unterliegen. Demnach könnte hier dem deutschen Gesetzgeber der durch Art. 135 Abs. 1 g) Mehrwertsteuersystemrichtlinie eingeräumte Definitionsspielraum für den Begriff von Sondervermögen mit der Einführung der AIFM-Richtlinie (2011/61/EU), die Grundlage des KAGB ist, wieder genommen worden sein. Mit der AIFM-Richtlinie hat die EU eine Aufsicht auch für solche Investmentvermögen eingeführt, die nicht unter den Begriff der OGAW-Richtlinie fallen. Dies könnte den deutschen Gesetzgeber nunmehr daran hindern, die Verwaltung bestimmter, nach dem KAGB regulierter Investmentvermögen aus dem Anwendungsbereich der deutschen Umsatzsteuerbefreiung herauszunehmen.

Begriff der Verwaltung

Hinsichtlich des Begriffs der „Verwaltung“ ist die Auslegung des EuGH enger als die der Generalanwältin. So sind Umsatzsteuerbefreiungen nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eng auszulegen. Nach Auffassung des EuGH gehören die Aufgaben der Portfolioverwaltung sowie die administrativen Aufgaben, welche nach dem Anhang II der OGAW-Richtlinie zu den administrativen Aufgaben gezählt werden, zur umsatzsteuerbefreiten Verwaltung. Dies sind gesetzlich vorgeschriebene und im Rahmen der Fondsverwaltung vorgeschriebene Rechnungslegungsdienstleistungen, Kundenanfragen, Bewertung und Preisfestsetzung (einschließlich Steuererklärungen), Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften, Führung des Anlegerregisters, Gewinnausschüttung, Ausgabe und Rücknahme von Anteilen, Kontraktabrechnungen (einschließlich Versand der Zertifikate) und Führung von Aufzeichnungen. Nicht dazu gehörten materielle oder technische Dienstleistungen, z.B. die Bereitstellung einer Computeranlage oder die tatsächliche Bewirtschaftung der Immobilien. Eine trennscharfe Definition bleibt der EuGH insoweit jedoch schuldig. Auch Kapitalverwaltungsgesellschaften, die geschlossene Investmentvermögen bzw. solche, die nicht den Begriff eines Investmentfonds im Sinne des InvStG erfüllen, verwalten, sollten sich demnach darauf einstellen, dass Verwaltungsleistungen, welche gegenüber einem solchen Investmentvermögen erbracht werden, von der Umsatzsteuer befreit sein sollten. Soweit das nationale deutsche Recht gegen die europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie verstößt, können sich Steuerpflichtige auf das europäische Recht berufen. Dies kann sich auch auf das Verhältnis zwischen Steuerpflichtigen auswirken soweit es um die Frage geht, ob eine bestimmte Leistung der Umsatzsteuer unterliegt oder von dieser befreit ist. Auch Kapitalverwaltungsgesellschaften sollten u.a. für die Kalkulation von Fremdverwaltungsvergütungen berücksichtigen, dass ggf. künftig ein Vorsteuerabzug nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich sein wird. Im Übrigen bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber und die Finanzverwaltung mit einer Übergangsregelung reagiert bzw. die Verwaltung von Investmentvermögen, die nicht die Voraussetzungen eines Investmentfonds im Sinne des InvStG erfüllen, weiterhin aus dem Anwendungsbereich heraus nimmt.

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