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01. Dezember 2025

BGH, Beschl. v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08

50.000 EUR oder mehr hinterzogener Steuer gelten als „großes Ausmaß“. 

Ist diese Schwelle überschritten, ist eine Einstellung auch gegen Auflagen nicht mehr möglich. Sechsstellige Beträge indizieren Freiheitsstrafe, bei Millionenbeträgen ist Bewährung nur ausnahmsweise möglich.

Die Entscheidung ist wichtig, weil sie erstmals klare praxisrelevante Schwellen für die Strafzumessung bei Steuerhinterziehung festlegt. Das hilft bei der Kommunikation von Tax Compliance-Maßnahmen und nicht zuletzt bei der Strafzumessungsverteidigung.“

02. Dezember 2025

OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. April 2018 – 2 Ss-Owi 1059/17

Gibt ein Geldwäschebeauftragter eine Verdachtsmeldung nicht „unverzüglich“ ab, droht ihm persönlich ein Bußgeld. Unverzüglich heißt: 

Keine über die notwendige Verdachtsprüfung hinausgehenden, zeitaufwendigen Aufklärungsmaßnahmen! Ausreichend sind wenige, unmittelbar aus der Geschäftsbeziehung verfügbare Informationen; eine Ausermittlung des Sachverhalts ist nicht Aufgabe des Geldwäschebeauftragten. Ein Verweis auf etwaige Überwachungsdefizite oder (Mit-)verantwortung der gesetzlichen Vertreter des Unternehmens entlastet ihn nicht.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie zentrale Fragen zur persönlichen Verantwortlichkeit von Geldwäschebeauftragten und zur Reichweite der Verdachtsmeldepflicht nach dem GwG klärt und damit die Compliance-Praxis im AML-Bereich nachhaltig prägt.“

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03. Dezember 2025

LG München I, Urt. v. 10. Dezember 2013 – 5 HK O 1387/10

(Sämtliche) Vorstandsmitglieder sind dafür verantwortlich, ein auf die Risikolage des Unternehmens (insb. Art, Größe, Rechtsrahmen etc.) zugeschnittenes, wirksames Compliance-System einzurichten und ggf. anpassen. 

Fehlende Kompetenzen führen zu keiner Enthaftung. Vielmehr sind vorhandene (gesellschafts-) rechtliche Möglichkeiten zu nutzen, beispielsweise der Aufsichtsrat zu informieren.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie durch die Betonung der Gesamtverantwortung und das Haftungsrisiko nicht ressortzuständiger Vorstandsmitglieder das Compliancebewusstsein maßgeblich beeinflusst hat.“
 

04. Dezember 2025

BGH, Beschl. v. 07.07.2025 – 1 StR 484/24

Auch berufstypische Handlungen können strafbar sein: Wer Unterlagen erstellt oder Entscheidungen vorbereitet, muss genau prüfen, vollständig dokumentieren und darf nichts verschweigen. Bewusstes Weglassen oder Verfälschen von Informationen kann strafbar sein – unabhängig vom Beruf.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie uns daran erinnert: Verantwortung zeigt sich im Handeln. Wer Prozesse, Unterlagen oder Entscheidungen lenkt, trägt Verantwortung – und kann strafrechtlich haftbar sein, wenn bewusst mitgewirkt wird.“

05. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 9. Mai 2017 – 1 StR 265/16 | bestätigt in BGH, Urt. v. 27.04.2022 – 5 StR 278/21

Bei der Bemessung einer Unternehmensgeldbuße kann ein effizientes Compliance-System bußgeldmindernd berücksichtigt werden. Auch eine Optimierung der Compliance und der betriebsinternen Organisation als Reaktion auf das Bußgeldverfahren kann sich positiv auf die Bemessung auswirken, was der BGH im Urteil v. 27.04.2022 (5 StR 278/21) bestätigte.

Unternehmen können mithin durch wirksame Selbstreinigung und Compliance-Maßnahmen ihre Haftungsrisiken reduzieren.

Die Entscheidungen sind wichtig, weil erstmals gerichtlich die präventive und reaktive Bedeutung von Compliance als Sanktionszumessungsgrund anerkannt wurde.“

 

06. Dezember 2025

BGH, Beschl. vom 30. April 20251 StR 39/25

Wer in der Feststellungserklärung und in der denselben Veranlagungszeitraum betreffenden Einkommensteuererklärung unrichtige Angaben macht, begeht zwei eigenständige Taten der Steuerhinterziehung. Konsequenz ist (u.a.), dass dadurch für jede Tat eigene Verjährungsfristen laufen und eine strafbefreiende Selbstanzeige explizit beide Erklärungen umfassen muss.

"Die Entscheidung ist wichtig, weil der BGH ein zentrales Element seiner bisherigen Rechtsprechung zum Konkurrenzverhältnis bei Steuererklärungen aufgegeben und die frühere Annahme einer „Bewertungseinheit“ zwischen der Feststellungserklärung und der Einkommensteuererklärung verworfen hat. Dies hat Auswirkungen auf die Praxis der Steuerstrafverteidigung.“

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07. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 10. Januar 20236 StR 133/22

Wer entgegen dem betriebsverfassungsrechtlichen Begünstigungsverbot einem Betriebsratsmitglied überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt, kann sich wegen Untreue strafbar machen.

Die Vergütung von freigestellten Betriebsräten darf sich allein an der hypothetischen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer orientieren. Eine „Sonderkarriere“ sowie im Amt erworbene Zusatzqualifikationen bei der Vergütung dürfen nicht berücksichtigt werden. 

Die Entscheidung ist wichtig, weil die nach der Entscheidung entstandene Rechtsunsicherheit zu einer Gesetzesänderung führte. Im Juli 2024 sind die neuen Regelungen zur Betriebsratsvergütung in Kraft getreten.“
 

08. Dezember 2025

EuGH, Urt. v. 5. Dezember 2023C-807/21 

Ein Bußgeld gegen ein Unternehmen nach § 30 OWiG / Art. 83 DSGVO setzt nicht voraus, dass ein Verstoß einer identifizierten natürlichen Person zugerechnet werden kann – aber der Verstoß des Mitarbeiters muss vorsätzlich oder fahrlässig begangen worden sein.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie zeigt, wie sehr das europäisches Recht (hier: DS-GVO) inzwischen das deutsche Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht beeinflusst. Sie ist auch ein schönes Beispiel dafür, wie beide Parteien die Entscheidung als vermeintlichen Erfolg für sich vereinnahmen und dafür unterschiedliche Urteilspassagen zitieren. Die Diskussion über eine „strict liability“ bei Verbandsgeldbußen ist noch lange nicht zu Ende.“

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09. Dezember 2025

BVerfG, Beschl. v. 27.05.19972 BvR 1992/92

Spätestens nach Ablauf eines halben Jahres verliert ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss seine rechtfertigende Kraft.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie ein klares Zeitfenster benennt, innerhalb dessen Durchsuchungsmaßnahmen auf Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses in der Regel zulässig sind. Im Falle einer Durchsuchung sollte der ausgehändigte Durchsuchungsbeschluss – neben weiteren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen – zunächst auf diese Frist hin überprüft werden.“
 

10. Dezember 2025

BGH Urteil vom 21. März 2024 – 3 StR 163/23

Absprachen zwischen Ärzten und Leistungserbringern (z.B. Sanitätshäusern) können zugleich Korruptions- und Betrugsstrafbarkeit auslösen. Das gilt insbesondere, wenn Vorteile als Gegenleistung für eine Bevorzugung fließen. Verstoßen Kooperationen gegen sozialversicherungsrechtliche Vorschriften, gelten Zahlungen der Krankenkasse als zu Unrecht erfolgt. Das begründet Betrug durch den Leistungserbringer; Ärzte können dafür als Mittäterinnen/Mittäter haften. Der Leistungserbringer muss die durch die Tat erzielten Umsätze herausgeben („Taterlös“), Ärzte nur das, was sie als Gegenleistung erhalten haben (z. B. Provisionen; „Tatentgelt“). 

Die Entscheidung ist wichtig, weil sie die in der Praxis entscheidende sozialrechtsakzessorische Schadensbestimmung bestätigt. Auch formale Kooperationsverstöße führen zum Schaden - auch wenn die Patientenversorgung ordnungsgemäß war. Zudem zeigt sie, dass bei der Einziehung streng zwischen Taterlösen und Tatentgelten zu trennen ist. Das ist für Compliance, Vertragsgestaltung und Verteidigungsstrategien gleichermaßen richtungsweisend.“
 

11. Dezember 2025

BFH, Beschluss vom 23. April 2025 – I B 51/22

Im Ermittlungsverfahren zur Durchsicht gemäß § 110 StPO mitgenommene Dateien, die die Staatsanwaltschaft ohne vorherige Durchsicht dem Außenprüfer im Besteuerungsverfahren zur vollständigen Auswertung zur Verfügung stellt, können im Besteuerungsverfahren einem qualifizierten Verwertungsverbot unterliegen.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil Erkenntnisse aus Ermittlungsverfahren häufig im Besteuerungsverfahren fruchtbar gemacht werden. Die zitierte Entscheidung setzt hierfür die erforderlichen rechtsstaatlichen Grenzen.“
 

12. Dezember 2025

BFH, Urt. v. 21. Juni 2022 – VIII R 26/19

Die von einem Erben unterlassene Korrekturmeldung für Einkommensteuerhinterziehungen des Erblassers führt als Steuerhinterziehung des Erben zu einer Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist bezüglich der Einkommensteuer des Erblassers für die Jahre, die zum Zeitpunkt des Unterlassens noch nicht festsetzungsverjährt waren. 

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie bestätigt, dass ich die von mir in Erbfällen vorbereiteten steuerlichen Selbstanzeigen stets zutreffend auf den Zeitraum der beim Tod des Erblassers unverjährten Steuerhinterziehungen ausgedehnt habe.
 

13. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 29. August 2008 – 2 StR 587/07

Wer schwarze Kassen im Unternehmen bildet, etwa um hieraus Schmiergelder zu zahlen, macht sich wegen Untreue strafbar. Nicht erst die Verwendung von Geldern aus schwarzen Kassen löst die Strafbarkeit aus. Ausreichend ist bereits, wenn zuständigen Organen die Zugriffsmöglichkeit auf Vermögen des Unternehmens entzogen wird. Für die Strafbarkeit spielt es daher keine Rolle, ob das Vermögen zu Gunsten des Unternehmens eingesetzt wird. Auch das Weiterführen bestehender schwarzer Kassen kann eine Untreue darstellen. 

Die Entscheidung ist wichtig, weil sie erstmals die Zurückhaltung von Unternehmensvermögen (in schwarzen Kassen) als Untreue einordnet; mithin bereits eine Vorbereitungshandlung zur Korruption strafbar ist. Die Entscheidung veränderte Compliance- und Governance-Standards insbesondere im Umgang mit Firmengeldern und Geschäftspartnern nachhaltig.“

14. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 06.07.1990 – 2 StR 549/89

Wer Produkte in den Verkehr bringt, deren bestimmungsgemäße Verwendung für die Verbraucher die Gefahr gesundheitlicher Schäden begründet, ist zur Schadensabwendung verpflichtet, zum Beispiel durch Rückruf. Kommt er dieser Pflicht schuldhaft nicht nach, haftet er strafrechtlich. 

Haben in einer GmbH mehrere Geschäftsführer gemeinsam über die Anordnung des Rückrufs zu entscheiden, so ist jeder Geschäftsführer verpflichtet, alles ihm Mögliche und Zumutbare zu tun, um diese Entscheidung herbeizuführen.

„Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie die Grundlage für die strafrechtliche Produkthaftung legt. Sie stellt dabei Kausalitätsregeln für das Wirtschaftsleben auf, die von den allgemeinen Verursachungsregeln im Strafrecht abweichen. Entscheider müssen diese Regeln kennen! Schließlich verbinde ich den „Lederspray“-Beschluss mit einer persönlichen Erinnerung: Es handelt es sich um die erste Entscheidung des BGH, deren Fundstelle in der amtlichen Sammlung ich (auf gewissen – positiven – Druck meines damaligen „Chefs“, Prof. Dr. Hero Schall) auswendig kannte: BGHSt 37, 106 ff.“
 

15. Dezember 2025

BAG, Urteil vom 29. April 2021 – 8 AZR 276/20

Ein Arbeitgeber kann vom Arbeitnehmer die erforderlichen Kosten einer externen Compliance-Ermittlung als Schadensersatz ersetzt verlangen, wenn ein konkreter Verdacht einer erheblichen Verfehlung bestand, der Arbeitnehmer eine vorsätzliche schwerwiegende Pflichtverletzung begangen hat und der Arbeitgeber die Erforderlichkeit sowie die konkrete Zuordnung der Maßnahmen zu den Verdachtsmomenten detailliert darlegt. § 12a ArbGG steht dem nicht entgegen. Eine detaillierte Dokumentation ist allerdings erforderlich.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie eine für die Arbeitgeberseite positiv zu bewertende Tendenz beinhaltet: ein Erstattungsanspruch gegenüber Arbeitnehmern für erforderliche Compliance-Kosten durch eine Anwaltskanzlei ist dem Grunde nach gegeben.“
 

16. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 21. Dezember 2005 – 3 StR 470/04

Nachträgliche, nicht vereinbarte Sonderzahlungen an Vorstände, die ausschließlich belohnenden Charakter haben und dem Unternehmen keinen zukunftsbezogenen Nutzen bringen, verletzen die Vermögensschutzpflicht des Aufsichtsrats. Die Gewährung solcher kompensationsloser Anerkennungsprämien erfüllt den Tatbestand der Untreue.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie klare Grenzen für Vergütungsentscheidungen setzt, wirksame Maßstäbe zur Identifizierung und Vermeidung unzulässiger Sonderzahlungen an die Hand gibt, und zugleich Orientierung für eine nachhaltige, am Unternehmenswohl ausgerichtete Governance bietet.“
 

17. Dezember 2025

BGH, 17.07.2009 - 5 StR 394/08

Funktion verpflichtet: Der Leiter der Innenrevision einer Anstalt des öffentlichen Rechts muss bei erkannten Straftaten seiner Mitarbeiter eingreifen. Sonst haftet er als (Unterlassens-) Täter. Gegenstand waren Betrugstaten eines Untergebenen gegenüber Kunden, gegen die der Vorgesetzte nicht eingeschritten ist.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil sie ein frühes, bis heute zentral relevantes Fundament für die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Leitungs-, Prüf- und Compliance-Funktionen legt. Sie zeigt klar: Organisatorische Verantwortung bedeutet strafrechtliche Verantwortung – und Schweigen kann strafbar sein. Besonders ist, dass der BGH diesen Grundsatz für ein öffentliches Unternehmen aufgestellt hat und sich auf das Rechtsstaatsprinzip bezogen hat. Inzwischen wird die Rechtsprechung auch auf Private bezogen.“
 

18. Dezember 2025

OLG Nürnberg, Urt. v. 30.03.2022 – Az. 12 U 1520/19

Aus der allgemeinen Legalitätspflicht (§ 43 GmbHG, § 93 AktG) folgt eine Pflicht zur Einrichtung eines Compliance-Management-Systems in arbeitsteilig organisierten Unternehmen. Geschäftsführer können bei Pflichtverletzungen gem. § 43 II GmbHG, § 93 II 1 AktG schadensersatzpflichtig werden (Fortführung von LG München I im sog. „Neubürger“-Fall).

Die Entscheidung ist wichtig, weil sie die wegweisende Entscheidung des LG München I im sog. Siemens-Neubürger-Fall (Tür 3) weiter konkretisiert. Es bestätigt die Geltung der Business Judgement Rule für das „Wie“ der Compliance-Ausgestaltung und präzisiert die Anforderungen an die Compliance-Organisation.“

19. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 26. Juli 1994 – 5 StR 98/94

Das Leitungspersonal eines Unternehmens kann für kriminelles Verhalten von Angestellten strafrechtlich als mittelbarer Täter zur Verantwortung gezogen werden – auch wenn ein räumlicher, zeitlicher und hierarchischer Abstand zwischen der die Weisungen verantwortenden Leitungsperson und dem handelnden Angestellten besteht. Ausreichend ist das Ausnutzen existierender regelhafter Abläufe im Unternehmen und der untergeordneten, weisungsgebundenen Rolle eingeschalteter Arbeitnehmer.

Die Entscheidung ist wichtig, weil sie die Grundsätze zur strafrechtlichen Verantwortung von DDR-Funktionären für vorsätzliche Tötungen von Flüchtlingen durch Grenzsoldaten („Täter hinter dem Täter“) auf Unternehmen überträgt. Die Rechtsfigur der „Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“ findet sich inzwischen in vielen Strafurteilen. Sie verwischt die Grenzen zwischen Täterschaft, Anstiftung, Beihilfe und Aufsichtspflichtverletzungen – und stellt damit ein virulentes Risiko für Führungskräfte in Unternehmen dar, die Straftaten „sehenden Auges“ zulassen.“
 

20. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 6. März 2024 – 1 StR 308/23

Eine Unternehmensgeldbuße i. S. von § 30 OWiG wird für jede einzelne betriebsbezogene Anknüpfungstat verhängt. Eine „Gesamtgeldbuße“ gibt es nicht. Dies gilt auch für wirtschaftlich einheitliche Sachverhalte, bei denen Leitungspersonen mehrere betriebsbezogene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten vorgeworfen werden.

Die Entscheidung ist wichtig, weil sie enorme Auswirkungen für die Bemessung von Unternehmensgeldbußen hat. Es gilt das Additionsprinzip des Ordnungswidrigkeitenrechts und nicht die – günstigere – Gesamtstrafenbildung, wie sie das Strafgesetzbuch vorsieht. Bedeutsam ist dies bei vor allem bei Steuerhinterziehungsfällen, wenn ein einheitlicher Sachverhalt mehrere Steuerarten und mithin mehrere Straftaten betrifft; ebenso bei Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt oder bei Kapitalmarktstraften wie Marktmanipulation.“
 

21. Dezember 2025

BGH, Beschl. v. 13.03.2025 – 2 StR 232/24

Das zwangsweise Auflegen des Fingers eines Beschuldigten auf den Fingerabdrucksensor dessen Mobiltelefons zur Erlang des Zugriffs auf die dort gespeicherten Daten ist zulässig, wenn die richterlich angeordnete Durchsuchung gerade auch dem Auffinden von Mobiltelefonen diente und der beabsichtigte Datenzugriff trotz seiner Eingriffsintensität verhältnismäßig ist. Der BGH unterscheidet zwischen der passiven Duldung entsprechender Maßnahmen (biometrische Entsperrung) und der aktiven Mitwirkung an der Entsperrung (zum Beispiel Herausgabe eines Passworts oder eines Entsperrmusters). Eine aktive Mitwirkung des Beschuldigten darf wegen der Selbstbelastungsfreiheit nicht erzwungen werden.

Die Entscheidung ist mir wichtig, weil der BGH durch seine Entscheidung die zuvor sehr umstrittenen Rechtslage geklärt hat, die im Rahmen von Durchsuchungen und Ermittlungsmaßnahmen betreffend Daten, die auf Mobilfunkgeräten oder anderen sperrbaren Geräten gespeichert sind, oftmals relevant ist: Der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden auf Daten auf Geräten, die mit Fingerabdruck oder Gesichtsbiometrie entsperrbar sind, kann leichter erfolgen als auf Daten auf Geräten, die mit Passwörtern oder Entsperrungsmustern gesperrt werden.“ 

22. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 19. August 2020 – 5 StR 558/19

Ein formal sozialrechtlich zulässiges Medizinisches Versorgungszentrum, das von fremden (z. B. apothekerseitigen) Interessen gesteuert wird, riskiert Strafbarkeit wegen Abrechnungsbetrugs. Mit jeder Abrechnung wird konkludent erklärt, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften – einschließlich der Voraussetzungen der vertragsärztlichen Zulassung – eingehalten sind. Maßgeblich sind nicht die Papiere, sondern die tatsächlichen Verhältnisse. „Strohmann“-Konstellationen, in denen unzulässige Risikoverlagerungen auf Investoren bestehen und die freie ärztliche Praxis faktisch fehlt, können einen Gestaltungsmissbrauch begründen – mit der Folge, dass Kassenärztliche Vereinigungen bzw. Krankenkassen einen Betrugsschaden erleiden und strafrechtliche Konsequenzen drohen. 

„Die Entscheidung ist wichtig, weil sie die praktischen Leitplanken für MVZ-Strukturen schärft.  Für die Compliance in Gesundheitszentren bedeutet das: Nicht nur die Zulassung muss passen, sondern auch die gelebte Praxis – sonst wird aus formaler Ordnung schnell strafrechtlicher Gestaltungsmissbrauch.“
 

23. Dezember 2025

BVerfG, Beschl. v. 6.07.2018 – 2 BvR 1287/17 u.a. sowie Beschl. v. 21.07.2025 – 1 BvR 398/24

Mandantenunterlagen in Anwaltskanzleien dürfen beschlagnahmt werden. Daher sind Durchsuchungen in Anwaltskanzleien zulässig. Da Kanzleidurchsuchungen auch völlig unbeteiligte Mandanten betreffen und vertrauliche Informationen höchsten Schutz genießen, müssen Ermittlungsbehörden klar darlegen, dass eine Durchsuchung wirklich das mildeste Mittel ist. Gezielte Herausgabeverlangen oder Einsichtnahme in bereits vorhandene Unterlagen sind oftmals ausreichend. 

Die Entscheidungen sind wichtig, weil sie zeigen, dass entgegen gegenläufiger Annahme ein ‚legal privilege‘ für Anwaltsunterlagen nicht gilt. Zwar statuiert das BVerG eine Pflicht besonders sorgsamer Abwägung. Jedoch ist es absolut erforderlich, dass sich Unternehmen wie auch Anwälte darauf einstellen, dass ihre Angelegenheiten zu Gesicht von Strafverfolgungsbehörden kommen können. Eine strenge Trennung unterschiedlicher Mandate und Rechtsberatungsaufträge ist hier anzuraten.“
 

24. Dezember 2025

BGH, Urt. v. 14.10.2028 – 1 StR 260/08

Bei Einladungen, die lediglich der dienstlichen Repräsentation dienen, kann eine Unrechtsvereinbarung ausscheiden. Transparente Sponsoringkonzepte können ebenfalls gegen die Annahme strafbarer Vorteilsgewährung sprechen. Heimliches Vorgehen ist hingegen Indiz für eine Unrechtsvereinbarung. Kriterien für die Bewertung, ob die Einladung von Amtsträgern strafbar ist, unter anderem die Stellung des Amtsträgers, die Berührungspunkte des Vorteilsgebers zu der dienstlichen Aufgabe des Amtsträgers, Art, Wert und Zahl der Vorteile und äußere Umstände des Angebots. Anlass für die Entscheidung gab die Einladung hochrangiger Amtsträger zu Fußball-WM-Spielen 2006 in Deutschland durch einen Energieversorger.

Die Entscheidung ist wichtig, weil sie die Anforderungen an eine Unrechtsvereinbarung konkretisiert und die Bedeutung einer transparenten Vorgehensweise im Rahmen von Sponsorings und sonstigen Zuwendungen zeigt.“
 

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