28.08.2019Fachbeitrag

Update Datenschutz Nr. 65

Auskunftsanspruch des Betriebsrats bei sensiblen personenbezogenen Arbeitnehmerdaten

Im Beschluss vom 9. April 2019 (Az.: 1 ABR 51/17) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu dem Auskunftsanspruch des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) gegenüber dem Arbeitgeber Stellung genommen und erläutert, welchen datenschutzrechtlichen Einschränkungen ein solcher Anspruch unterliegt.

Gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG hat der Betriebsrat einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber um u. a. darüber zu wachen, dass Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmern eingehalten werden. Hierunter fallen auch Vorschriften zum Schutz von schwangeren Mitarbeiterinnen. Im streitgegenständlichen Fall hatte der Arbeitgeber seinen Mitarbeiterinnen die Möglichkeit eingeräumt, der Information des Betriebsrats zu widersprechen. Der Betriebsrat war jedoch der Meinung, dass seine Informations- und Kontrollrechte vorrangig seien. Der Arbeitgeber müsse ihm unaufgefordert alle ihm bekannten Schwangerschaften mitteilen. Dies gelte selbst dann, wenn eine betroffene Arbeitnehmerin dem explizit widersprochen habe. Das BAG konnte den Fall zwar nicht abschließend entscheiden, allerdings erläuterten die Richter einige wichtige Aspekte zum Umgang eines solchen Auskunftsanspruchs des Betriebsrats: 

Grundsätzliche Anforderungen an die Auskunftsanfrage 

Die Richter führen aus, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG rechtzeitig und umfassend informieren müsse, damit dieser seine Kontrollrechte gegenüber dem Arbeitgeber vollumfänglich wahrnehmen könne. Voraussetzung für einen solchen Informationsanspruch sei aber zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats betroffen sei, und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich sei. Dies habe der Betriebsrat im Einzelnen darzulegen. Der Informationsanspruch sei strikt aufgabengebunden und in seinem Umfang durch das Erforderlichkeitsprinzip eingeschränkt. Der Betriebsrat müsse die konkrete, normative Arbeitsschutzvorgabe nennen. Ein bloß genereller Hinweis auf den Schutznormkomplex für schwangere Arbeitnehmerinnen sei nicht ausreichend. Wenn der Schutz nur im Hinblick auf konkrete betriebliche Gegebenheiten greifen könne, sind zudem diese Gegebenheiten aufzuzeigen. Dies werde deutlich am Beispiel der Nachtarbeit. Sei eine solche im Betrieb überhaupt nicht vorgesehen, könne den Betriebsrat auch keine Überwachungspflichten bzgl. des Nachtarbeitsverbots gem. 
§ 5 Mutterschutzgesetz (MuSchG) treffen. 

Die datenschutzrechtliche Zulässigkeit der Auskunft folge nicht aus § 26 Abs. 6 BDSG. Diese Norm sei keine eigene Rechtsgrundlage. Durch § 26 Abs. 6 BDSG werde vielmehr ausgedrückt, dass sich der Beschäftigtendatenschutz nach § 26 BDSG und die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen gegeneinander ergänzen. Die kollektiven Beteiligungsrechte würden hierdurch aber weder beschränkt noch erweitert.

Schutzmaßnahmen durch den Betriebsrat

Es komme vielmehr eine Verarbeitung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG in Betracht. Demnach sei eine Verarbeitung von sensiblen Daten, z. B. Informationen zur Schwangerschaft, zum Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses u. a. dann zulässig, wenn sie zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht erforderlich ist. Vorliegend bestehe die Auskunftspflicht des Arbeitgebers gemäß 
§ 80 Abs. 2 BetrVG. Für die Verarbeitung sensibler Daten seien jedoch gemäß § 22 Abs. 2 BDSG angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen vorzusehen. 

Zu beachten sei, dass bei der Weitergabe sensibler Daten an den Betriebsrat der Arbeitgeber die Beachtung des Gebots angemessener und spezifischer Schutzmaßnahmen nicht selbst in der Hand habe. Aufgrund der Unabhängigkeit des Betriebsrats könne er diesem hierzu auch keine Vorgaben machen. Bei der Geltendmachung eines auf sensible Daten gerichteten Auskunftsbegehrens obliege es daher dem Betriebsrat, das Vorhalten von solchen Maßnahmen im Einzelnen dem Arbeitgeber darzulegen. Solche Maßnahmen seien z. B. das zuverlässige Sicherstellen des Verschlusses der Daten, Beschränkung der Zugriffsmöglichkeit auf einzelne Betriebsratsmitglieder etc. Kann der Betriebsrat solche Maßnahmen nicht darlegen, sei ein Auskunftsanspruch ausgeschlossen. Das Gericht hat klargestellt, dass unabhängig von der Frage, ob der Betriebsrat Teil der verantwortlichen Stelle sei oder nicht, den Betriebsrat eine Schutzpflicht treffe.

Kein Widerspruchsrecht der Betroffenen

Das Gericht führt weiter aus, dass dem – konkreten – Auskunftsanspruch des Betriebsrats ein Widerspruch der schwangeren Arbeitnehmerin nicht entgegenstehe. Die Erfüllung der dem Betriebsrat zugewiesenen Aufgaben sei nicht von einer vorherigen Einwilligung der Arbeitnehmerin abhängig. Die Erfüllung der Aufgaben stehe nicht zur Disposition. Es bestehe auch nicht die Möglichkeit, gemäß Art. 18 Abs. 1 d DSGVO i.V.m. Art. 21 Abs. 1 DSGVO die Datenverarbeitung einzuschränken. Die Voraussetzungen des Widerspruchsrechts nach Art. 21 Abs. 1 DSGVO seien nicht erfüllt. Die Offenlegung bzw. Übermittlung der Daten an den Betriebsrat erfolge nicht auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 e oder f DSGVO (Erfüllung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt bzw. Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen bzw. eines Dritten), was aber für die Anwendung des Widerspruchsrechts Voraussetzung sei. Die Übermittlung erfolge vielmehr aufgrund von Art. 9 Abs. 2 b DSGVO i.V.m. § 26 Abs. 3 BDSG. 

Fazit

Das BAG hat im Einzelnen dargelegt, welchen Grenzen ein Auskunftsanspruch des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber in der Praxis unterliegt. Der Betriebsrat darf nur die personenbezogenen Daten erhalten, die für seine gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben auch erforderlich sind. Damit der Arbeitgeber als verantwortliche Stelle feststellen kann, ob die Daten erforderlich sind oder nicht, muss der Betriebsrat im Einzelnen darlegen, für welche speziellen Aufgaben er welche Daten benötigt. Der Arbeitgeber muss sich außerdem erkundigen, welche Schutzmaßnahmen der Betriebsrat trifft, um sicherzustellen, dass die Daten nicht unbefugt verwendet werden. Einen expliziten Widerspruch der betroffenen Arbeitnehmerin hält das BAG für unbeachtlich. An dieser Rechtsprechung können sich verunsicherte Arbeitgeber orientieren, wenn sie wieder in den Zwiespalt zwischen Datenschutz und Betriebsverfassungsrecht geraten. 

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