14.12.2020Fachbeitrag

Update Beihilferecht Dezember 2020

Entscheidungspraxis der EU-Kommission in der zweiten Jahreshälfte 2020

Trotz der zahlreichen Entscheidungen zu Beihilfen zur Abmilderung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Grundlage des Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen hat die EU-Kommission auch noch abseits dieses Themengebietes Entscheidungen getroffen. Die folgenden Entscheidungen behandeln Breitband-Gutscheine für italienische Haushalte, den Ausbau einer Gigabit-Netzinfrastruktur in Deutschland sowie der Ladenetzinfrastruktur in Schleswig-Holstein. Abschließend folgen einige Nachrichten zu Konsultationen und Novellierungen beihilferechtlicher Vorschriften.

SA.57495 – Breitband-Gutscheine für italienische Haushalte

Die Entscheidung der EU-Kommission in dem Verfahren SA.57495 vom 4. August 2020 behandelt Breitband-Gutscheine für italienische Haushalte. Die EU-Kommission hat die geplante Beihilfe auf Grundlage von Art. 107 Abs. 2 lit. a) AEUV als Beihilfe von sozialer Art mit dem Binnenmarkt für vereinbar erklärt.

Die von der EU-Kommission freigegebene Maßnahme dient dazu, finanzschwache Haushalte sowohl mit einem Breitband-Internetanschluss wie auch einem Tablet oder PC zu versorgen. Für diese Maßnahme hat die italienische Regierung EUR 200 Mio. bereitgestellt. Die Mittel sollen Kosten für einen Internetanschluss wie auch für ein entsprechendes Endgerät wie Tablet oder PC abdecken. Die Regierung hat berechnet, dass 5 Mio. Haushalte der insgesamt 26 Mio. italienischen Haushalte förderfähig sind. Die bereitgestellten Mittel reichen für 400.000 dieser Haushalte.

Die COVID-19-Pandemie macht die Versorgung von Haushalten mit Breitbandinternet sowie auch ihre Ausstattung mit den zu seiner Nutzung erforderlichen Endgeräten noch notwendiger als dies bisher der Fall war gemacht. Die Maßnahme soll finanzschwachen Haushalten mit einem „ISEE“ von weniger als EUR 20.000 Lernen und Arbeiten von zuhause aus ermöglichen. „ISEE“ („Indicatore della Situazione Economica Equivalente“) ist der Indikator, der zur Bewertung und zum Vergleich der wirtschaftlichen Situation (Einkommen und Vermögen) von Haushalten, die Sozialleistungen erhalten möchten, herangezogen wird.

Die Förderempfänger erhalten einen Gutschein i.H.v. EUR 500,-. Der Gutschein kann nur für die Anmietung bzw. das Leasing eines Endgeräts herangezogen werden, wenn es in Verbindung mit einem Breitbandanschluss eingesetzt wird. Stehen mehrere Netzinfrastrukturen zur Verfügung muss der Förderempfänger die schnellste Infrastruktur wählen. Die Förderung ist technologieneutral.

Die in Deutschland ebenfalls aufgekommene Debatte, Schülern aus einkommensschwächeren Haushalten einen Laptop o.Ä. zur Verfügung zu stellen, könnte mit einer solchen Maßnahme beihilferechtskonform umgesetzt werden.

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SA.55201 – Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge

Die EU-Kommission hat mit der Entscheidung SA.55201 die Förderung von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Schleswig-Holstein freigegeben.

Die bisherigen Bundesregelungen zur Förderung von Ladeinfrastruktur haben zumindest in Schleswig-Holstein nicht zu einem ausreichenden Ausbau dieser Infrastruktur geführt. Bis 2022 sollen nach den Anforderungen der Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe 3.500 Normalladepunkte und 250 Schnelladepunkte installiert sein. Im März 2020 verfügte das Bundesland über nur 1.043 Ladepunkte. Insbesondere KMU verfügen über keinen ausreichenden Zugang zu Beihilfen, um sich an dem Ausbau zu beteiligen.

Die Regelung unterstützt öffentliche wie nicht-öffentliche Ladeinfrastruktur sowie Ladeinfrastruktur für Elektrobusse des ÖPNV. Der Fördertopf umfasst EUR 18 Mio. bei einer Förderung von max. 50% der beihilfefähigen Kosten. Förderberechtigt sind Unternehmen aller Größen wie auch natürliche Personen. Die Fördermittel werden nach dem Windhundprinzip als Zuschuss vergeben.

Die EU-Kommission sieht in der Maßnahme die Verfolgung eines Gemeinwohlziels der EU – hier der Übergang zu einer nachhaltigen Mobilität – das auch im sog. Green Deal seinen Niederschlag gefunden hat. Aufgrund des Marktversagens ist die Beihilfemaßnahme geeignet, das Gemeinwohlziel zu erreichen. Sie gibt Unternehmen einen Anreiz zum Tätigwerden, den sie ohne Förderung nicht hätten, und ist auch verhältnismäßig. Im Hinblick auf die eingesetzten Mittel und die daraus entstehende Wettbewerbsverzerrung: Negative Auswirkungen auf den Wettbewerb sind begrenzt und werden durch die positiven Auswirkungen der Maßnahme aufgewogen.

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SA.52732 – Förderung des Ausbaus von Gigabit-Netzen in Deutschland

Am 13. November 2020 hat die EU-Kommission mit der Entscheidung SA.52732 die deutsche Beihilferegelung zur Förderung des Ausbaus von schnellen Breitbandnetzen freigegeben.

Die Regelung hat das Ziel, eine öffentlich finanzierte, sehr schnelle Netzinfrastruktur zu schaffen. Der Bund hat dafür EUR 6 Mrd. bereitgestellt. Weitere EUR 6 Mrd. sollen die Länder und Gemeinden beigesteuern. Die neue Netzinfrastruktur soll Geschwindigkeiten von 1 GBit/s sowohl im Upload wie auch im Download erreichen.

Vorrangig ausgebaut werden sollen Gebiete mit schlechter Internetanbindung: In der ersten Ausbaustufe sollen Haushalte mit der Gigabit-Netzinfrastruktur versorgt werden, die bisher über einen Zugang von weniger als 100 Mbit/s verfügen. Erst in der zweiten Ausbaustufe ab 2023 sollen auch Haushalte, die bereits über eine Internetgeschwindigkeit von 100 Mbit/s verfügen, mit der Gigabit-Infrastruktur versorgt werden. Ende 2025 soll allen Bürgern ein Gigabit-Netzwerk zur Verfügung stehen.

Die Beihilferegelung orientiert sich an der Gigabit-Mitteilung der EU-Kommission von 2016. Sie ermöglicht Investitionen dort, wo die Ausbauziele noch nicht erreicht sind bzw. private Investoren keine ausreichende Infrastruktur planen. Als Anreiz für private Investoren sieht die Regelung einen Schutz der Investitionen für einen Übergangszeitraum vor.

Um doppelte Infrastrukturen zu vermeiden, wird kein Netzausbau in Gebieten gefördert, die bereits über ein Glasfasernetz (bis zum Endverbraucher) oder ein entsprechend ausgerüstetes Kabelnetz verfügen.

Die Beihilferegelung knüpft an bayrische Gigabit-Maßnahmen an, die die EU-Kommission im Dezember 2018 (Pilotprojekt) und November 2019 (landesweite Förderung) freigegeben hat. Die Leitlinien für staatliche Beihilfen für den Breitbandausbau erlauben öffentliche Investitionen, soweit ein Marktversagen vorliegt und die jeweilige Investition zu einer „wesentlichen Verbesserung“ führt.

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SA.58046 – Förderung des Einzelwagenverkehrs

Mit der Entscheidung im Verfahren SA.58046 vom 4. November 2020 hat die EU-Kommission eine deutsche Regelung zur Förderung des Einzelwagenverkehrs auf der Schiene freigegeben.

Das Förderprogramm ist mit EUR 600 Mio. für einen fünfjährigen Zeitraum ausgestattet. Die Förderung ergeht als nicht rückzahlbarer Zuschuss mit einer Förderquote von max. 50% der förderfähigen Kosten. Das Eisenbahnbundesamt veröffentlicht dazu eine einheitliche Förderrate auf seiner Website.

Die Maßnahme soll dabei helfen, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Die Beihilfe soll einen Teil der Kosten, die bei Nutzung der Schiene – und nicht bei Nutzung der Straße – entstehen, ausgleichen, so dass der Transport über die Schiene kostengünstiger wird.

25% des Schienengüterverkehrs in Deutschland entfallen auf den Einzelwagenverkehr. Im Gegensatz zum Ganzzugverkehr werden beim Einzelwagenverkehr Züge aus einzelnen Waggons verschiedener Spediteure oder Transportunternehmen mit ähnlichem Ziel zusammengestellt. Zu diesem Zweck werden die Einzelwaggons zu Rangierbahnhöfen und Zugbildungseinrichtungen gebracht. Für diese Tätigkeiten nehmen die Betreiber dieser Einrichtungen ein Entgelt.

Die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Beihilferecht ergibt sich aus Art. 93 AEUV, der eine beihilferechtliche Sondervorschrift in dem Abschnitt über den Verkehr im AEUV ist. Nach den Eisenbahnleitlinien sind Beihilfen, die den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs entsprechen, grundsätzlich beihilferechtskonform, wenn sie notwendig sowie verhältnismäßig sind und dem allgemeinen Interesse der EU nicht zuwiderläuft. Nach der in den Eisenbahnleitlinien niedergelegten Entscheidungspraxis der EU-Kommission darf die Laufzeit einer Regelung fünf Jahre betragen.

Anders als der Ganzzugverkehr, der keiner Zusammenstellung sowie keines Rangierbahnhofes bedarf und daher Skaleneffekte aufweist, konkurriert der Einzelwagenverkehr direkt mit dem Transport auf der Straße – insbesondere in Deutschland aufgrund des dichten Autobahnnetzes. Art. 93 AEUV lässt im Bereich des Verkehrs weitreichende Beihilfen bei vergleichsweise geringen Anforderungen an die Rechtfertigung zu.

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Konsultation zu den Beihilfevorschriften für den Breitbandausbau

Bereits seit September ist es möglich, zu den geltenden Regelungen zur Förderung des Breitbandausbaus Stellung zu nehmen. Die öffentliche Konsultation dauert noch bis zum 5. Januar 2021 an.

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Verlängerung und Anpassung der DAWI-De-minimis-Verordnung

Die EU-Kommission hat am 13. Oktober die DAWI-De-minimis-Verordnung bis Ende 2023 verlängert. Für DAWI gilt ein De-minimis-Höchstwert von EUR 500.000 in drei Steuerjahren. Zudem hat die EU-Kommission den Begriff des „Unternehmens in Schwierigkeiten“ aufgrund der COVID-19-Pandemie angepasst: Mit einer DAWI betraute Unternehmen, die bis Ende 2019 finanziell gesund waren, aber im 1. Halbjahr 2020 in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, können De-minimis-Beihilfen erhalten.

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EU-Kommission veröffentlicht die Ergebnisse der Evaluierung der wichtigsten beihilferechtlichen Regelungen

Am 30. Oktober 2020 hat die EU-Kommission die Ergebnisse der im Januar 2019 gestarteten Evaluierung der Beihilferegeln publiziert. Der sog. „Fitness Check“ umfasste neben der AGVO z.B. auch die De-minimis-Verordnung, die Leitlinien für regionale Beihilfen, die Umweltleitlinien, die Restrukturierungsleitlinien sowie noch einige mehr. Die Ergebnisse der Evaluierung hat die EU-Kommission in einem umfangreichen „Commission Staff Working Document“ zusammengetragen (nur in englischer Sprache verfügbar). Während die EU-Kommission zu dem Schluss kommt, dass die Beihilferegeln grundsätzlich die verfolgten Zwecke erfüllen, bedürfen einzelne Regelungen aufgrund des sog. Green Deals und der Industrie- sowie Digitalstrategie der EU einer Anpassung.

Die EU-Kommission möchte die Überarbeitung der wichtigsten beihilferechtlichen Regelungen, wie z.B. der AGVO, der Leitlinien für regionale Beihilfen und der Umweltleitlinien, bis Ende 2021 abschließen

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