08.02.2017Fachbeitrag

Update Compliance 5/2017

Grenzen des „sicheren Hafens“ - BGH schärft die Voraussetzungen für eine Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG und sieht „Automatik“ zur strafrechtlichen Verantwortung

Der „sichere Hafen“ des § 93 AktG

§ 93 Abs. 1 AktG verneint eine Pflichtverletzung, wenn der Vorstand bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln („sicherer Hafen“). Dabei wird den Geschäftsleitern ein weiter wirtschaftlicher Ermessensspielraum gewährt.

Der BGH hatte in seinem Urteil über eine Entscheidung des Vorstands der HSH Nordbank zu entscheiden. Dieser hatte ein komplexes Kreditgeschäft auf Basis einer nicht hinreichend informierenden Vorlage genehmigt. Bei der Beurteilung der Umstände, die zu der Entscheidung geführt haben, konzidiert das Gericht, dass ein unternehmerisches Ermessen neben dem bewussten Eingehen von Risiken auch die Inkaufnahme der Gefahr beinhaltet, Fehlbeurteilungen und Fehleinschätzungen zu unterliegen. Aufbauend auf den Urteilsgründen zu  der „ARAG/Garmenbeck“-Entscheidung des BGH aus dem Jahr 1997, die sich in der aktuellen Kodifizierung des § 93 AktG niedergeschlagen haben, sieht der BGH diese Pflichtverletzung dann für gegeben an, wenn die Verpflichtung zur sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen überschritten bzw. die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist. Die Unvertretbarkeit des Leitungsfehlers muss sich einem Außenstehenden dabei förmlich aufdrängen.

Kriterien zur Feststellung einer Pflichtverletzung

Eine Pflichtverletzung verlangt aus Sicht des BGH damit eine Feststellung über das Maß der Informationspflichten, um die tatsächlichen Anforderungen zu klären, die an die Entscheidungsgrundlagen anzulegen sind. Dabei werden folgende Kriterien herausgearbeitet, die im zweiten Rechtszug zu hinterfragen sind:

  • Sind alle in der konkreten Entscheidungssituation verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft?
  • Ist eine an den Faktoren „Zeit“ und „Kosten-Nutzen“ orientierte Informationsgewinnung zur Verschaffung einer „angemessenen“ Tatsachenbasis erfolgt?
  • In welcher Form wäre die Beteiligung der für die Beurteilung der rechtlichen Risiken verantwortlichen Rechtsabteilung mitzuteilen gewesen, um als hinreichend zuverlässige Information zu gelten?
  • Welche Informationen hätten eine Plausibilitätsprüfung zur Erreichung der aufsichtsrechtlichen Ziele sowie der Risiken des Geschäfts ermöglicht?

Faktisch haben die vorliegenden Dokumente gezeigt, dass die bestehenden Informationen vorläufigen Charakter hatten und auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage der eingebundenen Abteilungen beruhten. Die Vorlagen enthielten mit dem Hinweis des erheblichen Zeitdrucks weitere „Warnsignale“, die einen Geschäftsleiter zu Nachfragen hätten bewegen müssen und einer Entscheidung im Umlaufverfahren entgegenstanden.

Automatik zur Pflichtwidrigkeit des § 266 StGB

Im Ergebnis stellt der BGH fest, dass die Pflichtverletzung des § 93 AktG „automatisch“ eine Pflichtwidrigkeit i.S.d. § 266 StGB (Untreue) begründet.

Praxishinweis: Über die Legalitätspflicht des § 93 Abs.1 Satz 1 AktG ergibt sich für die Geschäftsleiter grundsätzlich die Pflicht, die Rechtstreue des Unternehmens durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen (Compliance). Da der Umfang dieser Maßnahmen wiederum vom unternehmerischen Ermessen abhängt, liegt eine Übertragung dieser Judikatur auch die Haftung nach § 130 OWiG wegen unzureichender Aufsicht nahe. Dabei wird man eine Reduzierung des Ermessensspielraums und damit eine Reduzierung der Anforderungen an einen Pflichtverstoß vor allem in den Bereichen bejahen, in denen die spezifische Organisation die Aufgabe hat, die Erfüllung von Pflichten, die einen Geschäftsleiter persönlich treffen, vorzubereiten. Dies ist zuvorderst im Bereich des Steuerrechts der Fall, wo die Geschäftsleiter als gesetzliche Vertreter die Steuererklärungspflichten treffen.

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