Mehr Transparenz, mehr Verantwortung: Die neue EU-Verordnung 2024/900 und ihre Folgen für politische Werbung
Update IP, Media & Technology Nr. 129
Mit der Verordnung (EU) 2024/900 über die Transparenz und das Targeting politischer Werbung (im Folgenden „TTPW-VO“) setzt die Europäische Union neue Maßstäbe für die Regulierung politischer Werbung. Ziel der TTPW-VO ist es, politische Werbung und deren gezielte Ausspielung – sog. Targeting – transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten. Bürgerinnen und Bürger sollen künftig leichter erkennen können, wann ihnen eine politische Anzeige präsentiert wird, wer hinter dieser Anzeige steht und aus welchem Grund sie ihnen angezeigt wird. Damit reagiert die EU auf wachsende Sorgen über Informationsmanipulation und politische Einflussnahme, insbesondere aus dem Ausland.
Bereits am 10. Oktober 2025 sind die neuen Vorschriften in Kraft getreten. Sie bringen insbesondere für Werbedienstleister, Verlage und Plattformbetreiber weitreichende Kennzeichnungs- und Dokumentationspflichten mit sich. Politische Werbung muss künftig eindeutig als solche gekennzeichnet und ihre Ausspielung umfassend dokumentiert werden. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über die neuen Vorgaben und deren praktische Auswirkungen.
I. Anwendungsbereich – Was ist politische Werbung im Sinne der Verordnung?
Die TTPW-VO gilt für politische Werbung, die in der Europäischen Union verbreitet wird, in einem oder mehreren Mitgliedstaaten veröffentlicht wird oder sich gezielt an Unionsbürger richtet. Dabei spielt es weder eine Rolle, wo der Anbieter oder Auftraggeber der Werbung seinen Sitz hat, noch welches Medium verwendet wird. Entscheidend ist allein, dass die Anzeige innerhalb der EU sichtbar wird oder sich an EU-Bürgerinnen und Bürger richtet.
Aber nicht jede politische Äußerung fällt unter die Verordnung. Als politische Werbung gelten Inhalte nur dann, wenn für ihre Ausarbeitung, Platzierung, Förderung, Veröffentlichung, Zustellung oder Verbreitung oder im Zusammenhang damit eine Zahlung oder andere Vergütung durch Dritte erfolgt. Außerdem müssen die Inhalte von politischen Akteuren wie Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten oder Interessenvertretungen stammen bzw. in deren Auftrag veröffentlicht werden oder darauf abzielen, Wahlen, Abstimmungen oder Gesetzgebungsverfahren auf EU-, nationaler, regionaler oder lokaler Ebene zu beeinflussen. Nicht als politische Werbung gelten hingegen Meinungsäußerungen durch oder für politische Akteure, die rein privater oder rein kommerzieller Natur sind, sowie Mitteilungen aus amtlichen Quellen der Mitgliedstaaten oder der Union, die sich ausschließlich auf die Organisation und Teilnahme an Wahlen oder Referenden beziehen. Ebenfalls nicht erfasst ist die öffentliche Kommunikation durch Behörden, sofern sie neutral informiert und nicht auf politische Einflussnahme abzielt. Schließlich gelten auch gesetzlich vorgesehene, unentgeltliche Vorstellungen von Kandidatinnen und Kandidaten in Medien oder öffentlichen Räumen nicht als politische Werbung – vorausgesetzt, sie erfolgt unter Wahrung der Gleichbehandlung aller Beteiligten.
II. Wer ist betroffen und welche Pflichten sind zu erfüllen?
Die TTPW-VO bringt neue Verpflichtungen für verschiedene Akteure mit sich, die an der Erstellung, Veröffentlichung und Verbreitung politischer Werbung beteiligt sind. Betroffen sind insbesondere:
1. Sponsoren (Auftraggeber)
Sponsoren sind natürliche oder juristische Personen, in deren Auftrag oder Namen politische Anzeigen ausgearbeitet, platziert, gefördert, veröffentlicht, zugestellt oder verbreitet werden. Sponsoren im Sinne der TTPW-VO sind beispielsweise politische Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten.
Sponsoren müssen gegenüber Werbeanbietern offenlegen, ob es sich um politische Werbung im Sinne der Verordnung handelt. Sie sind dazu verpflichtet alle relevanten Informationen bereitzustellen, die für die Einhaltung der Transparenzpflichten notwendig sind (z. B. zur Identität des Sponsors, Finanzierung, Zielgruppen, Zweck der Anzeige) und müssen Änderungen oder Fehler der Angaben unverzüglich korrigieren und mitteilen.
2. Anbieter politischer Werbedienstleistungen
Anbieter politischer Werbedienstleistungen sind natürliche oder juristische Personen, die politische Werbedienstleistungen erbringen, es sei denn es handelt sich um reine Nebendienstleistungen. Erfasst sind z. B. Kommunikations-/Werbeagenturen, politische Berater.
Anbieter politischer Werbedienstleistungen müssen die notwendigen Erklärungen und Informationen von Sponsoren einholen und diese Angaben auf offensichtliche Fehler prüfen. Sie sind verpflichtet, die korrekten Informationen anschließend an die Herausgeber politischer Werbung weiterzugeben. Zudem treffen Anbieter politischer Werbung Aufbewahrungspflichten im Hinblick auf die gesammelten Informationen.
3. Herausgeber politischer Werbung
Herausgeber politischer Werbung sind Anbieter politischer Werbedienstleistungen, die politische Werbung über ein beliebiges Medium veröffentlichen, zustellen oder verbreiten, z. B. TV-, Radio-, Zeitungsverlage, Online-Plattformen.
Herausgeber sind von umfangreichen Pflichten betroffen. So treffen sie insbesondere umfassende Kennzeichnungspflichten politischer Anzeigen, die unabhängig von dem Veröffentlichungsmedium vorsehen, dass bestimmte Pflichtangaben klar, eindeutig und gut sichtbar unmittelbar an der politischen Anzeige gezeigt werden. Daneben werden Herausgeber verpflichtet in einer sog. Transparenzbekanntmachung weitere Informationen betreffend die politische Anzeige zu veröffentlichen, wobei diese nicht zwingend unmittelbar an der Anzeige selbst, sondern auch mittels leicht auffindbaren Links oder QR-Code bereitgestellt werden können. Die Europäische Kommission hat im Rahmen einer Durchführungsverordnung (EU) 2025/1410 das Format der Kennzeichnungen und Transparenzbekanntmachungen sowie ein Muster vorgesehen.
Auch den Herausgeber treffen darüber hinaus Aufbewahrungspflichten sowie behördliche Informationspflichten und die Pflicht, ein geeignetes Meldeverfahren für potenziell unzulässige politische Anzeigen bereitzustellen. Künftig sollen politische Online-Werbung und die zugehörigen Pflichtinformationen zudem zusätzlich spätestens 72 Stunden (sofern es sich nicht um eine sehr große Online-Plattform und sehr große Online-Suchmaschine handelt) nach der ersten Veröffentlichung in ein europäisches Online-Archiv eingestellt werden. Das Online-Archiv befindet sich derzeit jedoch noch im Aufbau.
4. Politische Werbung kurz vor einer Wahl oder einem Referendum
Für alle Betroffenen gilt zudem die Besonderheit, dass in den letzten drei Monaten vor einer Wahl oder einem Referendum politische Werbedienstleistungen im Zusammenhang mit dieser Wahl bzw. diesem Referendum nur für einen Sponsor oder einen im Namen eines Sponsors handelnden Dienstleister erbracht werden dürfen, der einen Unionsbezug im Sinne der TTPW-VO aufweist und der nicht im Eigentum oder unter der Kontrolle eines Drittstaatsangehörigen ohne solchen Unionsbezug steht.
III. Welche Regeln gelten für das Targeting bei politischer Online-Werbung?
Im Zusammenhang mit politischer Werbung werden häufig Targeting- und Anzeigenschaltungsverfahren eingesetzt, die auf der Verarbeitung personenbezogener Daten beruhen. Ziel ist es, Anzeigen mit maßgeschneiderten Inhalten gezielt an bestimmte Personen oder Gruppen auszuspielen. Die TTPW-VO setzt hier klare Grenzen und knüpft den Einsatz von Targetingverfahren in der politischen Werbung künftig an umfassende Transparenz- und Dokumentationsvorgaben.
Nach der TTPW-VO darf Targeting nur eingesetzt werden, wenn:
- die verwendeten Daten direkt von der betroffenen Person erhoben wurden,
- eine ausdrückliche Einwilligung zur Nutzung für politische Werbung vorliegt,
- kein Profiling mit sensiblen Daten erfolgt (etwa zur politischen Meinung, religiösen oder weltanschauliche Überzeugungen oder zur Gesundheit).
Zudem ist es verboten, politische Werbung gezielt an Personen auszuspielen, die zum Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich noch nicht wahlberechtigt sind.
Wer Targeting bei politischer Werbung nutzt, muss umfassende Pflichten, zusätzlich zu den oben genannten Pflichten, erfüllen. Die TTPW-VO sieht insbesondere die Erstellung, Umsetzung und öffentlichen Zugänglichmachung einer internen Richtlinie zu Verwendung von Targeting-Verfahren sowie eine siebenjährige Aufbewahrungspflicht der Dokumentation vor. Daneben müssen Protokolle über die verwendeten Mechanismen und Parameter geführt werden und zusätzliche Informationen bereitgestellt werden die notwendig sind, damit die betroffene Person die zugrunde liegende Logik und die wichtigsten Parameter der eingesetzten Verfahren nachvollziehen kann, z. B. zu Zielgruppen und Auswahlkriterien, verwendeten Datenkategorien, eingesetzten KI-Systemen, Zeitraum und Reichweite der Anzeige. Einmal jährlich ist eine Risikobewertung des Einsatzes von Targeting- und Anzeigenschaltungsverfahren in Bezug auf die Grundrechte und Grundfreiheiten durchzuführen. Die Ergebnisse müssen öffentlich zugänglich gemacht werden. Zudem müssen Betroffene auf ihre Rechte nach der DSGVO hingewiesen werden.
IV. Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die Verordnung?
Die konkreten Sanktionen bei Verstößen gegen die TTPW-VO sind von den einzelnen EU-Mitgliedstaaten festzulegen. In Deutschland sieht der aktuelle Referentenentwurf eines Gesetzes zur Durchführung der TTPW-VO (Politische-Werbung-Transparenz-Gesetz) vor, dass bei fahrlässigen oder vorsätzlichen Zuwiderhandlungen Geldbußen verhängt werden sollen. Die Höchstsumme beträgt dabei je nach Fall bis zu 30.000 Euro, bei schweren Verstößen bis zu 300.000 Euro, alternativ bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes bei juristischen Personen ab einem bestimmten Gesamtumsatz (je nach Verstoß ab mehr als fünf Millionen Euro bzw. mehr als 500.000 Euro).
Darüber hinaus sind Abmahnungen durch Wettbewerber nach dem UWG der durch Verbraucherschutzorganisationen denkbar, etwa nach dem Unterlassungsklagengesetz. Auch politische Parteien könnten unter Umständen rechtlich gegen Verstöße vorgehen – etwa mit dem Argument, dass durch unzulässige Werbung die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt wurde.
V. Praktische Auswirkungen und Fazit
Die TTPW-VO bringt seit dem 10. Oktober 2025 weitreichende Pflichten für alle Akteure mit sich, die an der Erstellung, Veröffentlichung oder Verbreitung politischer Werbung beteiligt sind.
Werbedienstleister, Verlage und Plattformbetreiber müssen künftig – abhängig von ihrer jeweiligen Rolle nach der TTPW-VO – sicherstellen, dass sie von Sponsoren alle erforderlichen Informationen und Erklärungen rechtzeitig und vollständig einholen. Es ist daher empfehlenswert, einen juristisch geprüften Fragebogen zu verwenden und die Verantwortung für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben durch eine vertragliche Freistellungserklärung klar zu regeln. Transparenzangaben und Erklärungen müssen zudem sorgfältig dokumentiert und aufbewahrt werden.
Jede politische Werbung ist seit dem 10. Oktober 2025 nach den Vorgaben der Durchführungsverordnung der Europäischen Kommission als solche zu kennzeichnen und muss die notwendigen Pflichtinformationen enthalten. Herausgeber politischer Werbung sollten sich außerdem darauf einstellen, künftig gegenüber Behörden Angaben zu erhaltenen Zahlungen oder Leistungen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung, Zustellung oder Verbreitung einer politischen Werbung machen zu müssen.
Neben alldem dürfen auch die zusätzlichen Vorschriften für politische Werbung in den letzten drei Monaten vor Wahlen oder Referenden sowie die strengen Vorgaben für den Einsatz von Targeting-Verfahren nicht außer Acht gelassen werden.
Während die TTPW-VO für Bürgerinnen und Bürger mehr Transparenz verspricht, bringt sie für die betroffenen Akteure vor allem neue Verantwortlichkeiten – und einen erheblichen organisatorischen Aufwand.
Dieser Beitrag wurde in Zusammenarbeit mit unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Selina König erstellt.