27.05.2025 Fachbeitrag

Meta sperrt Facebook Account eines Vereins – OLG Düsseldorf sieht darin einen kartellrechtlichen Verstoß

Update IP, Media & Technology Nr. 119

Das OLG Düsseldorf bestätigt in seiner aktuellen Entscheidung vom 5. April 2025 (Az. U (Kart) 5/24) die Linie des Landgerichts (Az. 14d O 1 /23) und kommt zu dem Entschluss, dass Meta Facebook-Accounts grundsätzlich nicht sperren kann, ohne eine vorherige Anhörung durchzuführen und einen sachlichen Grund anzugeben. Zudem sei der in den AGB verankerte Gerichtsstand in Irland aufgrund eines darin liegenden kartellrechtlichen Verstoßes unwirksam. 

Ausgelöst wurde dies durch eine Sperrung des Facebook-Accounts der Düsseldorfer Filmwerkstatt, die den Account primär für Marketingzwecke nutzte. 2021 sperrte Meta ohne eine Ankündigung, Angabe von Gründen oder Gelegenheit zur Stellungnahme den Account der Filmwerkstatt. Meta berief sich lediglich auf einen vermeintlichen Verstoß gegen die „Gemeinschaftsstandards“. Was einen solchen Verstoß genau begründet, welche „Standards“ betroffen waren und welche Widerspruchsmöglichkeiten bestehen, blieb unklar. Kurz vor der Sperrung veröffentlichte die Filmwerkstatt ein Filmstill des oscarnominierten Films „Der Schamane und die Schlange“ (FSK 12). Die Durchführung der für Accountsperrungen vorgesehenen Prozesse seitens der Filmwerkstatt blieben erfolglos.

Das OLG Düsseldorf sieht darin nun rechtswidriges Verhalten seitens Meta. 

I. Internationale Zuständigkeit 

Meta rügte zunächst die Unzuständigkeit der deutschen Gerichte und verwies dabei auf den in den AGB verankerten Gerichtsstand in Irland für Unternehmer.
Das OLG Düsseldorf begründet jedoch die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte mit den von dem Kläger geltend gemachten kartellrechtlichen Ansprüchen. Die Gerichtsstandsvereinbarung greife daher nicht. Damit folge die internationale Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf aus Art. 7 Nr. 2 Brüssel la-VO. Dem stehe insbesondere auch nicht entgegen, dass zwischen den Parteien ein vertragliches Verhältnis besteht. Ebenso werde der deliktsrechtliche Gerichtsstand auch nicht durch eine abweichende Gerichtsstandsvereinbarung verdrängt. So führt das OLG Düsseldorf aus: 

„Mit dem Klageantrag macht der Kläger einen auf eine unerlaubte Handlung im Sinne des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-la-VO gestützten Anspruch geltend. Denn er begerht mit dem Antrag die Unterlassung des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagte als Betreiberin des sozialen Netzwerks G. bei der Sperrung seiner G.-Seite (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 – KZR 66/17, juris Rn. 9 f. – Wikingerhof/Booking.com). […] Entgegen der Auffassung der Beklagten schließt das Bestehen einer Vertragsbeziehung zwischen den Parteien die Qualifikation des Klagebegehrens als deliktischer Anspruch nicht aus. Entscheidend für die – nicht nach nationalem Recht, sondern autonom europarechtlich vorzunehmende Abgrenzung des besonderen Gerichtsstands des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-la-VO von dem besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1 Brüssel-la-VO ist vielmehr, ob ein gesetzlicher Anspruch geltend gemacht wird, der unabhängig von einem Vertragsverhältnis besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 24.11.2020 – C- 59/19, juris Rn. 25, 33 – Wikingerhof/Booking.com; BGH, Urteil vom 10. Februar 2021 – KZR 66/ 17, juris Rn. 11 – Wikingerhof/Booking.com)”.

Somit sei vorliegend nicht die Gerichtsstandsvereinbarung maßgebend, sondern der deliktsrechtliche Charakter des geltend gemachten Anspruchs. Danach greife Art. 7 Nr. 2 der Brüssel-la-Verordnung, wonach der Gerichtsstand sich an dem Ort, an dem sich die wettbewerbswidrige Handlung auswirkt, befindet. Hinsichtlich der Düsseldorfer Filmwerkstatt liegt der Gerichtsstand somit in Düsseldorf.

II. Kartellrechtsverstoß: Accountsperrung ohne vorherige Anhörung oder Angabe sachlicher Gründe 

Die Filmwerkstatt machte einen Unterlassungsanspruch auf Unterlassung des Missbrauchs der marktbeherrschenden Stellung geltend.

1. Marktbeherrschende Stellung 

Das OLG Düsseldorf bejaht zunächst die marktbeherrschende Stellung Metas und beruft sich dabei auf die Einzigartigkeit des Meta-Angebots auf Facebook:

„Auf dem so abgegrenzten Markt ist die Beklagte marktbeherrschend, weil nur sie Inhalteanbietern wie dem Kläger ermöglicht, mit einer eigenen G.-Seite ihre Inhalte unter den privaten G.-Nutzern zu verbreiten und mit ihren im sozialen Netzwerk G. vertretenen Kunden und Interessenten und Interessenten über Abonnements oder eine „Gefällt-mir“-Funktion in Verbindung zu treten".

Die Interoperabilität Metas sorge dafür, dass kein anderer Anbieter dem Angebot nahekomme. Das Gericht sieht somit keine Wettbewerber für Meta. Schließlich sei unschädlich, dass es möglichweise einen anderen Weg für die Filmwerkstatt gäbe, ihre Produkte und Dienstleistungen gegenüber Kunden und Interessenten zu bewerben. 

2. Missbrauch

Weiterhin erkennt das Gericht in Einklang mit seinem instanziellen Vorgänger an, dass in der Sperrung in der erfolgten Art und Weise, das heißt ohne vorherige oder unverzüglich nachträgliche Angabe von Gründen und Gelegenheit zur Stellungnahme, ein Behinderungsmissbrauch der marktbeherrschenden Stellung im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB liegt. Gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB ist ein verbotener Missbrauch u. a. dann anzuerkennen, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen gewerbliche Leistungen anbietet und ein anderes Unternehmen dabei unmittelbar oder mittelbar unbillig behindert. Genauso liege der Fall hier. Bei der Filmwerkstatt handle es sich ebenfalls um ein Unternehmen. Ferner stelle eine Accountsperrung ohne vorherige Ankündigung, Angaben von Gründen oder Gelegenheit zur Stellungnahme eine Behinderung dar. Eine Behinderung sei nämlich jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein Unternehmen in ihrer wettbewerblichen Betätigungsfreiheit nachteilig beeinflusst werde. Dies sei unabhängig davon der Fall, ob die nachteilige Beeinflussung auf demselben oder auf einem anderen als demjenigen sachlichen Markt, auf dem der Missbrauch erfolgt.

Durch die anhörungs- und begründungslose Sperrung des Accounts auf Facebook werde die Filmwerkstatt in ihrer wettbewerblichen Betätigungsfreiheit eingeschränkt, da der Filmwerkstatt die Möglichkeit, gegenüber ihren Kunden und potenziellen Interessenten auf dem sozialen Netzwerk wie gewünscht zu werben, versagt werde. Mit Verweis auf den Beschluss des BGH vom 23. Juni 2020 (Az. KVR 69/19) stellt das OLG Düsseldorf fest, dass der Nachweis tatsächlicher Auswirkungen nicht unbedingt notwendig sei. Es komme vielmehr darauf an, ob die getroffenen Maßnahmen geeignet seien, Auswirkungen hervorzurufen. Angesichts der erhöhten Follower-Zahl der Filmwerkstatt auf Facebook bejaht das Gericht vorgenannte Voraussetzung. 

3. Unbilligkeit

Schließlich erkennt das Gericht dieses Verhalten von Meta auch als unbillig an. Im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung wird dies damit begründet, dass Meta ihre Entscheidung auf einen sachlichen Grund für die Entfernung bzw. Sperrung von Nutzerkonten stützen müsse. Metas strukturelle Überlegenheit dürfe nicht zu willkürlichen Sperrungen führen. Zudem müsse eine gewisse Nachvollziehbarkeit gegeben sein. Zwar dürfe Meta, wie der BGH in seinem Urteil vom 29. Juli 2021 – III ZR 179/´20 feststellte, gewisse Kommunikationsstandards vorgeben und bei Nichteinhaltung Konsequenzen ziehen, jedoch dürfen etwaige Konsequenzen wie Accountsperrungen nicht auf subjektiven Einschätzungen basieren, sondern müssten an „objektive, überprüfbare Tatbestände anknüpfen“.

Vor dem Hintergrund könne ein interessengerechter Ausgleich beider Grundrechtspositionen damit erzielt werden, dass Meta sich in ihren Geschäftsbedingungen verpflichte, ihre Nutzer über ein Sperrungsvorhaben unverzüglich in Kenntnis zu setzen und Gelegenheit zur Stellungnahme zu gewähren. Anschließend müsse über den Sachverhalt neu entschieden werden und Wiedereinräumung des Zugangs bei positiver Aufklärung ermöglicht werden. Letztlich müsse Meta dafür Sorge tragen, dass Inhalte bis zur Durchführung eines Gegenäußerungsverfahrens nicht voreilig entfernt werden.

III. Fazit 

Das bestätigende Urteil des OLG Düsseldorf ist zu begrüßen. Es stärkt die Position von Plattformnutzern und beschränkt die stetig steigende Macht von Plattformbetreibern. Die Argumentation zeigt, dass auch absolute Marktführer wie Meta sich innerhalb der Grenzen von Recht und Fairness bewegen müssen und willkürliches Verhalten außerhalb dieser gesetzten Grenzen geahndet wird. Das Kartellrecht hat sich zudem als hilfreiches Instrument in der Bekämpfung solcher rechtswidrigen Vorgänge auf Plattformen erwiesen.

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