Eine neue Facette im Coaching-Recht: Ist die Nichtigkeit von Coaching-Verträgen verfassungswidrig?
Update IP, Media & Technology Nr. 131
Das BGH-Urteil zur Nichtigkeit von Coaching-Verträgen sorgt für Rechtsunsicherheit. Wir erklären, warum Online-Coaches gute Chancen haben, Rückforderungen abzuwehren und weshalb die Zulassungspflicht nach FernUSG verfassungswidrig sein könnte.
Klagewelle gegen Online-Coaches
(Erst Recht) seit dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2025 (Az. III ZR 109/24) rollt eine Klagewelle über die Coaching-Branche hinweg. Zahlreiche Kunden fordern nun ihr Geld zurück mit dem Argument, der Anbieter habe keine Zulassung nach § 12 Abs. 1 FernUSG (Fernunterrichtsschutzgesetz) und der Vertrag sei deshalb nichtig. Die Entscheidung des BGH haben wir bereits hier eingeordnet. Langsam kommen aber Zweifel auf, ob das Urteil überhaupt verfassungsgemäß ist.
Gute Erfolgsaussichten für Coaching-Anbieter
Unsere Erfahrung zeigt: Es lohnt sich für Coaching-Anbieter, Rückforderungen nicht einfach hinzunehmen. Viele Kanzleien werben mit dem BGH-Urteil und suggerieren, dass jeder Coaching-Vertrag ohne ZFU-Zulassung automatisch nichtig sei. Das aber hat der BGH nicht entschieden.
Auch nach der aktuellen Rechtsprechung fällt nicht jedes Coaching-Angebot unter das FernUSG. Entscheidend ist, wie das Angebot gestaltet ist:
- Fehlen jegliche Interaktionsmöglichkeiten (z. B. bei reinen Videokursen oder Live-Kursen ohne Chatfunktion), greift das FernUSG beispielsweise nicht.
- Überwiegen Live-Elemente wie Zoom-Calls, sehen viele Gerichte keine Zulassungspflicht.
Zwischenfazit: Längst nicht jeder Coaching-Vertrag ist ohne ZFU-Zulassung nichtig. Coaching-Anbieter sollten aus diesem Grund weder vorschnell auf Rückforderungsverlangen eingehen noch ohne nähere rechtliche Prüfung einen Vergleich abschließen. Viel zu häufig ist die verlangte Rückzahlung der Kunden unberechtigt.
Wertersatz trotz Nichtigkeit?
Selbst wenn ein Vertrag tatsächlich unter das FernUSG fällt und ohne Zulassung nichtig ist, heißt das nicht zwingend, dass der Kunde sein Geld vollständig zurückbekommt. Denn: Wer Leistungen erhalten hat, muss sich deren Wert anrechnen lassen.
Das Amtsgericht Paderborn hat in einem aktuellen Urteil (05.09.2025 – 57a C 183/24) sogar entschieden, dass der Rückforderungsanspruch vollständig entfallen kann, wenn der Kunde das Coaching umfassend genutzt hat.
Zulassungspflicht verfassungswidrig?
Während manche Kanzleien pauschal Rückzahlungen versprechen, gibt es auch für Anbieter gute Nachrichten – vor allem im B2B-Bereich. Denn: Immer mehr Stimmen in der Rechtswissenschaft halten die Zulassungspflicht für verfassungswidrig, wenn sich das Coaching-Angebot an Unternehmer richtet.
Doch was hat es damit auf sich? Und wie ernst sind diese Zweifel zu nehmen?
Eingriff in die Berufsfreiheit: Aufwändige Zulassung bei der ZFU
Ausgangspunkt ist die aufwändige Zulassung der ZFU, die zweifellos die Anbieter von Online-Coaching in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes einschränkt. Anbieter müssen sämtliche Vertrags- und Lehrgangsunterlagen an die Vorgaben des FernUSG anpassen und von der Behörde überprüfen lassen. Dieses aufwändige Genehmigungsverfahren lässt sich der Staat mit 150 % des Kurspreises vergüten.
Verbraucherschutz im B2B-Geschäft?
Im B2C-Bereich lässt sich der Eingriff mit Verweis auf den Verbraucherschutz rechtfertigen. Gegenüber Unternehmern oder gar juristischen Personen greift der Verbraucherschutz aber nicht. Hier gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit: Unternehmer benötigen keinen staatlichen Schutz vor selbst geschlossenen Verträgen. Die Zulassungspflicht für Coaching-Angebote, die sich an Unternehmer richten, ist deshalb unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich höchst fragwürdig.
Fazit
Coaching-Anbieter sind der aktuellen Klagewelle nicht schutzlos ausgeliefert. Mit einer fundierten rechtlichen Prüfung lassen sich unberechtigte Rückforderungen oft mit guten Erfolgsaussichten ganz oder wenigstens teilweise abwehren.
Derweil ist mit dem BGH-Urteil das letzte Wort im B2B-Bereich noch nicht gesprochen. Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich des FernUSG möglicherweise überdehnt. Es ist Zeit, dass das Bundesverfassungsgericht klärt, ob die Zulassungspflicht in diesem Bereich mit der Berufsfreiheit von Online-Coaches vereinbar ist.