Wettbewerbszentrale klagt erneut gegen Amazon – Welche Auswirkungen könnte dies auf die Plattformhaftung haben?
Update IP, Media & Technology Nr. 132
Die Wettbewerbszentrale reicht erneut Klage bei dem Landgericht Frankfurt a. M. gegen Amazon ein. Heißt das, dass es möglicherweise dieses Mal die langersehnte abschließende Antwort bezüglich des Umfangs der Verantwortung der Plattformen im Online-Handel gibt?
I. Hintergrund
Schon am Ende des Jahres 2023 ist die Wettbewerbszentrale gegen Amazon gerichtlich vorgegangen. Das Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 21. Dezember 2023 (Az.: 6 U 154/22) hatte zur Folge, dass Online-Marktplatzbetreiber wie Amazon auf den Hinweis eines Verstoßes gegen Marktverhaltensregeln hin, weitere Angebote auf gleichartige Verstöße prüfen und sofern ein Verstoß erkennbar ist, diesen ggf. beseitigen müssen. Nicht ohne Grund wurde das Verfahren als Grundsatzverfahren der Wettbewerbszentrale bezeichnet.
Die Wettbewerbszentrale hatte im Wege des bekannten Notice and Take Down-Verfahrens Amazon auf eine Reihe von Angeboten, die gegen den EU-Bezeichnungsschutz verstoßen haben, hingewiesen. In den Angeboten wurden vegane Milchersatzprodukte unzulässig bezeichnet, so hieß es: „Sojamilch“, „Hafermilch“ und „Reismilch“. Amazon ist daraufhin den Hinweisen nachgegangen und hat die gemeldeten Angebote entfernt.
Aufgrund der Weigerung seitens Amazons eine Unterlassungserklärung abzugeben, klagte die Wettbewerbszentrale dennoch. Das OLG Frankfurt untersagte es Amazon, Dritten die Verwendung von Bezeichnungen wie „Sojamilch, Reismilch und Hafermilch“ zu ermöglichen. Daraus folgt, dass Amazon infolge des Urteils eine erweiterte Prüfpflicht trifft. Das Gericht machte nämlich deutlich, dass Amazon nicht nur gemeldete Inhalte beseitigen müsse, sondern auch proaktiv gleichartige Verstöße verhindern muss.
Trotz der Zulassung zur Revision vor dem BGH fiel eine höchstrichterliche Entscheidung in der Sache weg. Dies war dem Umstand geschuldet, dass Amazon noch vor dem Abschluss des Revisionsverfahrens seine Unternehmensstruktur so veränderte, dass damit Erledigung des Verfahrens herbeigeführt wurde.
II. Neue Klage, neues Glück?
Nun meldet die Wettbewerbszentrale, dass sie erneut gegen Amazon klagt. Die Wettbewerbszentrale greift damit ihr langfestgelegtes Ziel wieder auf, ein Grundsatzurteil, welches den Umfang der Haftbarkeit von Plattformen für den Fall, dass Dritte gegen Wettbewerbsrecht verstoßen, verbindlich festlegt, zu erreichen.
Ausgelöst wurde die Klageerhebung wieder durch wettbewerbswidrige Angebote auf dem Amazon Marketplace. Dritte boten Produkte, die mit irreführenden Angaben wie zum Beispiel veralteten Energieeffizienzklassen ausgewiesen wurden, auf dem Amazon Marketplace an. Auch dieses Mal nutzte die Wettbewerbszentrale das bewährte Notice and Take Down-Verfahren, um Amazon auf die wettbewerbswidrigen Angebote hinzuweisen. Und auch hier wurde Amazon den Hinweisen zunächst gerecht, indem die gemeldeten Angebote entfernt wurden. Jedoch hat es nicht lange gedauert, bis wieder gleichartige Verstöße auf dem Amazon Marketplace vorzufinden waren.
Die Wettbewerbszentrale antwortete mit Klageerhebung.
III. Was möchte die Wettbewerbszentrale erreichen?
Zwar scheint das Verfahren „Notice and Take Down“ grundsätzlich zu funktionieren, es kann zumindest nicht behauptet werden, dass Amazon gemeldete Inhalte nicht beseitigt. Jedoch wie effektiv ist dies eigentlich, wenn kurze Zeit später gleichartige oder sehr ähnliche Verstöße wieder auf der gleichen Plattform vorzufinden sind. Aus der Sicht der Wettbewerbszentrale ist dies definitiv nicht ausreichend, weshalb sie es darauf abzielt, aus dem Notice and Take Down-Verfahren das sogenannte „Notice and Stay Down-Verfahren“ zu schaffen.
IV. Was würde das „Notice and Stay Down- Verfahren“ für Plattformbetreiber bedeuten?
Sofern eine Bejahung des Stay Down-Verfahrens gerichtlich erreicht werden kann, können Betreiber von Online-Plattformen, insbesondere Online-Marktplätzen, sich auf eine erhebliche Verstärkung ihrer Prüfpflichten einstellen. Im Einzelnen könnte dies folgende Pflichten umfassen:
- Implementierung automatisierter Filtermechanismen zur Identifizierung von gleichartigen Rechtsverstößen
- Weiterentwicklung und Stärkung der internen Compliance-Strukturen
- Fortlaufende Kontrolle der Angebotsdaten auch nach Entfernung eines gemeldeten Verstoßes
V. Warum könnte dies aber insbesondere europäischen Händlern zugutekommen?
Die Wettbewerbszentrale argumentiert für die Einführung des Notice and Stay Down-Verfahrens insbesondere damit, dass andernfalls ein ungleicher Wettbewerb dadurch entsteht, dass europäische Händler sich an die strengen europäischen Vorgaben halten müssen, während Händlern aus Drittstaaten durch die Verwendung unzutreffender oder irreführender Angaben im Sinne des Wettbewerbsrechts weiterhin Vorteile zugutekommen.
Insofern könnte eine konsequente Anwendung des Notice and Stay Down-Verfahrens dafür Sorge tragen, dass europäische Händler sowie Anbieter aus Drittstaaten den gleichen Anforderungen gerecht werden müssen, da sie ansonsten die automatischen Filtersysteme der Plattformen fürchten müssten, die ihre Angebote konsequent beseitigen würden.
VI. Ausblick
Sofern es der Wettbewerbszentrale gelingt, ein Grundsatzurteil zu erwirken, könnte dies einen Umbruch für den E-Commerce bedeuten. Gleichzeitig könnte dies für gleiche Wettbewerbsbedingungen unter Händlern sorgen, unabhängig davon, wo diese geschäftsansässig sind. Es kommt schließlich auf die Frage an, wie viel Verantwortung Plattformbetreiber trifft und welche Pflichten sich aus ihrer Verantwortung ergeben. Möglicherweise gelingt es dem BGH sich dieses Mal auch zu der Sache zu äußern.