11.06.2025 Fachbeitrag

Mindestvertragslaufzeiten von Endkundenverträgen – Entscheidungen EuGH und des OLG Hamburg mit Konsequenzen für die Praxis

Update IP, Media & Technology Nr. 121

EuGH, Urteil vom 13. Februar 2025, C-612-23) und OLG Hamburg, Urteil vom 19. Dezember 2024, 10 UKl 1/24

Der Europäische Gerichtshof und das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg (OLG Hamburg) haben sich jeweils in einer Entscheidung mit den Vertragslaufzeiten von Endkundenverträgen für Telekommunikationsdienstleistungen auseinanderzusetzen.

Beide Entscheidungen haben weitreichende Folgen für die Praxis der Telekommunikationsunternehmen im Umgang mit Endkundenverträgen. 

Zur Entscheidung des EuGH

Der EuGH hat entschieden, dass die Mindestvertragslaufzeit von Endkundenverträgen für Telekommunikationsdienstleistungen maximal 24 Monate beträgt. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um einen innerhalb der Vertragslaufzeit eines bestehenden Vertrages abgeschlossenen „neuen Vertrag“ handelt. Die Laufzeit von maximal 24 Monaten des neuen Vertrags beginnt nicht erst mit dem Ablauf der Laufzeit des zuerst bestehenden Vertrages, sondern mit dem Abschluss des zweiten Vertrages. Anderslautende Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam. Im vorliegenden Fall bestand ein Endkundenvertrag über einen Mobilfunkanschluss und der Kunde hatte innerhalb der gesetzlichen Vertragslaufzeit dieses Vertrags von maximal 24 Monaten einen neuen Vertrag abgeschlossen, um ein neues Endgerät zu erhalten. Der neue vom Telekommunikationsunternehmen zum Abschluss vorgelegte Vertrag beinhaltete den Hinweis, dass erst mit Ende der Laufzeit des ursprünglich bestehenden ersten Vertrages, die Laufzeit des neuen Vertrages von mindestens 24 Monaten beginne.

Gestritten wurde vorliegend um die Auslegung des Art. 30 Abs. 5 der Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und die Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten (Universaldienstrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung. Hierzu war lange umstritten, ob die Regelung dazu führt, dass beim Neuabschluss eines Vertrages während der Laufzeit des Erstvertrags die neue maximale Vertragslaufzeit von 24 Monaten erst mit Ende der Laufzeit des ersten Vertrages oder bereits mit Abschluss des zweiten Vertrages zu laufen beginnt, wenn (in der Regel) die AGB des Telekommunikationsunternehmens entsprechende Regelungen beinhalten.

Die Regelungen waren bis 2021 im deutschen Telekommunikationsgesetz (TKG) in § 43b TKG (alt) umgesetzt und sind heute in der aktuellen Fassung, die das TKG in Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation erhielt, in § 56 TKG enthalten. Das alte Recht war deshalb Gegenstand, da es sich um einen Fall aus dem Jahr 2018 handelte, der zunächst vom LG Düsseldorf, dann vom OLG Düsseldorf, dem BGH und dann wieder vom OLG Düsseldorf zu entscheiden war, an welches der BGH zurückverwiesen hatte. Das OLG Düsseldorf legte die Entscheidung dann dem EuGH vor, der nun klarstellend im oben beschriebenen Sinne entschieden hat. Die Entscheidung ist auch für die Rechtslage nach dem aktuellen TKG und dessen § 56 relevant. Die Entscheidung ist zwar zu Art. 30 V Universaldienst-RL ergangen, sie ist jedoch auch für Art. 105 I RL (EU) 2018/1972 (EECC-RL) in Verbindung mit der dortigen Entsprechungstabelle in Anhang XIII von Bedeutung. Sie ist daher auch bei der Auslegung des heutigen § 56 TKG zu beachten. Ein Verstoß hiergegen führt dazu, dass der Vertrag als auf unbestimmte Laufzeit geschlossen und damit als jederzeit kündbar anzusehen ist. So hat der BGH jedenfalls zu § 43b TKG a. F. entschieden (vgl. BGH NJW-RR 2023, 1016 Rn. 38). Es kann kaum in Zweifel gezogen werden, dass der BGH auch in Anbetracht der seit Dezember 2021 geltenden Regelung des § 56 TKG heute entsprechend entscheiden würde.

Daher haben die Telekommunikationsunternehmen sowohl im Festnetz- als auch im Mobilfunkbereich diese Entscheidung in ihren Vertragsgestaltungen zu berücksichtigen, um keine Kündigungsrisiken in ihrem Kundenbestand zu haben und die Rate der Wechsler, die sogenannte Churn Rate gering zu halten.

Zur Entscheidung des OLG Hamburg

In einer anderen Entscheidung hatte sich das OLG Hamburg mit der Frage auseinanderzusetzen, wann die Laufzeit eines Endkundenvertrages über Telekommunikationsdienstleistungen beginnt. Diese Frage ist insofern relevant, als die Laufzeit nach § 56 TKG auf maximal 24 Monate begrenzt ist. Die AGB vieler Telekommunikationsunternehmen enthalten eine entsprechende Regelung, dass der Beginn der Vertragslaufzeit mit dem Beginn der Leistungserbringung zusammenfällt. Eine entsprechende Vereinbarung zwischen Telekommunikationsunternehmen und den Endkunden ist grundsätzlich mit der Regelung des § 56 TKG vereinbar. Das OLG Hamburg hat sich jedoch mit der Frage auseinandergesetzt, ob das AGB-Recht – hier der § 309 Nr. 9 lit a) BGB – trotz der Regelung in § 56 TKG zu beachten ist. 

Überlagert also das AGB-Recht bei der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen, welche den Beginn der Vertragslaufzeit auf einen späteren Zeitpunkt als den Vertragsschluss legen, die Regelung des § 56 TKG, der ausdrücklich den Beginn der Leistungserbringung als Beginn der Vertragslaufzeit bestimmt, oder ist der § 56 TKG eine Spezialregelung, die das AGB-Recht überlagert? 

Diese Rechtsfrage hat insbesondere dort praktische Auswirkungen, wo Telekommunikationsunternehmen im Rahmen des Ausbaus von neuer Infrastruktur, wie z.B. der kostenintensiven Verlegung von Glasfaserkabeln, die in der Regel im Tiefbau erfolgt, eine Vorvermarktung durchführen und Verträge mit Endkunden abschließen, um Umsätze und damit den Business Case für die Investitionen abzusichern. In solchen Fällen beginnt die Leistungserbringung häufig erst Monate und nicht selten erst mehr als ein Jahr nach dem Vertragsschluss, weil der Netzausbau mit Planung und Umsetzung sowie den erforderlichen Genehmigungen der Behörden gemäß § 127 TKG für den Tiefbau insgesamt nicht unerheblich Zeit in Anspruch nimmt.

Das OLG Hamburg hat die Anwendung des AGB-Rechts bejaht und ist im konkreten Fall zu dem Ergebnis gelangt, dass eine § 56 TKG entsprechende Regelung in den AGB dem § 309 Nr. 9 lit a) BGB widerspricht. § 56 TKG sei demnach keine dem AGB-Recht des BGB vorgehende lex specialis Regelung. Die Vertragslaufzeit soll demnach mit dem Vertragsschluss beginnen und nicht erst mit dem Beginn der Leistungserbringung, also dem Freischalten des Telefon- oder Internetanschlusses zur Nutzung durch den Kunden. Der Kunde sei daher in diesen Konstellationen ausgehend vom AGB-Recht des BGB besonders schutzwürdig.

Ausblick

Gegen das Urteil wurde inzwischen vom beklagten Telekommunikationsunternehmen Revision zum Bundesgerichtshof eingelegt. Das Urteil darf mit Spannung erwartet werden. Schon jetzt hat die Entscheidung jedoch Folgen, da bis zu einer Entscheidung des BGH erhebliche Rechtsunsicherheit entsteht und Kunden in Kenntnis der Entscheidung gegebenenfalls versuchen werden, sich unter Berufung auf die Entscheidung früher vom Vertrag mit ihrem Telekommunikationsanbieter zu lösen, als es den Regelungen der AGB entspricht. Hierfür werden die Unternehmen versuchen, den geplanten Umsatz absichernde Lösungen zu finden.

Sollte das Urteil rechtskräftig werden, hätte dies wohl erhebliche Folgen für den Infrastrukturausbau in Deutschland. Mindestens die Geschäftspläne werden, wenn man nicht kreative rechtliche Lösungen findet, angepasst werden müssen. Das wiederum hat zumindest bis zu einer Entscheidung des BGH Einfluss auf die Investitionsentscheidungen der Organe der Unternehmen, die sich deutlich zurückhaltender für den Netzausbau, insbesondere in ländlichen Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte entscheiden werden.

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