Neues rund um die Ermittlung des Verfassers negativer Bewertungen auf Bewertungsplattformen
Update IP, Media & Technology Nr. 120
Viele Unternehmen profilieren sich heutzutage zunehmend über ihre Online-Bewertungen. Ein attraktiver Online-Auftritt und Suchmaschinenoptimierung sind jedoch nicht immer ausreichend, denn potenzielle Kunden oder Arbeitnehmer möchten ein richtiges Gefühl für das Unternehmen bekommen. In dieser Hinsicht haben sich Online-Bewertungen als guter Richtwert bewährt.
Es stellt sich allerdings die Frage, was passiert, wenn das Unternehmen die Identität des Verfassers herausfinden möchte, möglichweise da aus Sicht des Unternehmens die Bewertung unsachlich oder potenziell rufschädigend erscheint.
Im Folgenden werden zwei neue Entscheidungen der Gerichte zum Thema Plattformhaftung im Hinblick auf Online-Bewertungen und die Identität des Bewerters erläutert. In zwei verschiedenen Konstellationen zeigen die Gerichte, wann die Offenbarung des Verfassers möglich ist und wann seine Identität geschützt werden müsse.
I. Keine Auskunftserteilung von Bestandsdaten mangels rechtswidrigen Inhalts
In einer neuen Entscheidung des BGH vom 11. März 2025 (Az.: VI ZB 79/23) geht es um eine Rechtsanwaltsgesellschaft, über welche auf einer Arbeitgeberbewertungsplattform eine Bewertung veröffentlicht wurde. Die Rechtsanwaltsgesellschaft war der Auffassung, dass die Bewertung ein falsches Bild von ihr als Arbeitgeberin vermittelte und wollte daher die Verpflichtung zur Auskunftserteilung über die Daten des bewertenden Nutzers gegen die Bewertungsplattform gerichtlich durchsetzen.
Jedoch gab der BGH dem Begehren der Antragstellerin im Einklang mit seinen instanziellen Vorgängern nicht statt. Die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 TDDDG seien nicht erfüllt. Der BGH sah keine Pflicht der Antragsgegnerin, Auskunft erteilen zu müssen. Dies sei insbesondere dem Umstand geschuldet, dass es an der erforderlichen strafrechtlich relevanten Verletzung absolut geschützter Rechte fehlte. Dies sei jedoch zwingende Voraussetzung für eine Auskunftserteilung nach § 21 Abs. 2 TDDDG. Der BGH stellt darauf ab, dass nicht jede Bewertung nur eine Deutungsvariante habe und sofern der Inhalt nicht nur in eine Richtung gewertet werden könne, reiche dies nicht aus, um eine Erfüllung der Tatbestände der §§ 186, 187 StGB anzunehmen. Der BGH verneint die Erfüllung der §§ 186, 187 StGB, da die in der Bewertung liegende Aussage nicht eine Tatsachenbehauptung, sondern ein Werturteil darstelle.
Der BGH macht daher deutlich, dass im Falle mehrdeutiger Aussagen im Rahmen eines Werturteils zugunsten der Meinungsfreiheit entschieden werden müsse.
II. „Außen hui innen pfui“ – LG München I verpflichtet Google zur Auskunftserteilung
Während der BGH dem Auskunftsbegehren einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht stattgegeben hat, sieht das LG München I (Beschl. v. 19.02.2025 – 25 O 9210/24=GRUR-RS 2025, 3167) in einem vergleichbaren Fall Grund, um dem Begehren sogar im Rahmen einer sog. Kettenauskunft nachzukommen. Im vorliegenden Fall wurde ein Unternehmen aus der Automobilbranche ebenfalls auf einer Arbeitgeberbewertungsplattform, nämlich Kununu, bewertet. Zu den Überschriften der hier streitgegenständlichen Bewertungen gehörten die folgenden:
- „Außen hui innen pfui“
- „Traumschiff Surprise, planlos durch all Geschäftsleitung schreibt die positiven Bewertungen“
In einem anderen Verfahren ebenso vor dem LG München I (Az. 25 O 9201/22) begehrte das bewertete Unternehmen die Erteilung der Bestandsdaten durch Kununu. Das LG München verpflichtete Kununu sodann auch zur Erteilung der Bestandsdaten über die Verfasser, allerdings stellte sich heraus, dass in Bezug auf die Nutzer nur deren E-Mailadressen gespeichert wurden. Somit erwies sich die durch Kununu erteilte Auskunft als unzureichend, sodass das betroffene Unternehmen nun im hiesigen Verfahren gegen Google vorgeht. Das betroffene Unternehmen begehrte die Erteilung von Auskünften über den Namen, die Anschrift und das Geburtsdatum des Nutzers. Die Beteiligte, Google, beantragt hingegen, den Antrag gem. § 21 Abs. 2,3 TDDDG zurückzuweisen.
Zunächst lehnt das LG München die Annahme ab, dass es sich bei Google nicht um einen „digitalen Dienst“ im Sinne von § 2 Abs. 1 TDDDG in Verbindung mit § 21 Abs. 2 TDDDG handele. Im § 21 TDDDG liege zudem ein zivilrechtlicher Hilfsanspruch zur Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche.
Das Gericht sieht weiterhin auch keinen Gund zur Annahme, dass eine sog. Kettenauskunft nicht zulässig sei. Es teile auch nicht die Ansicht, dass ein Auskunftsanspruch gem. § 21 TDDDG zwingend voraussetze, dass die Äußerung, die Grundlage für das Auskunftsersuchen ist, über den Dienst der Beteiligten veröffentlicht wurde.
„Eine solche „Verbindung zwischen dem Anbieter des digitalen Dienstes und der Verbreitung des rechtsverletzenden Inhalts in dem digitalen Dienst“ lässt sich § 21 TDDDG weder dem Wortlaut nach noch systematisch noch historisch entnehmen. Das Gericht geht vielmehr davon aus, dass der Gesetzgeber ganz bewusst, gerade keine solche Verbindung aufgenommen hat.“
Das Gericht macht damit deutlich, dass im Rahmen sog. Kettenauskünfte der Auskunftsanspruch auch Drittunternehmen einbeziehen kann, sofern das Drittunternehmen über die notwendigen Daten verfügt. Dies würde insbesondere dem Prinzip der effektiven Rechtsverfolgung Rechnung tragen, da andernfalls die Auskunftsansprüche bei mangelnden Bestandsdaten aufseiten der ursprünglichen Bewertungsplattform gewissermaßen wirkungslos werden.
Des Weiteren erkennt LG München I an, dass die Bewertungen rechtswidrige Inhalte innehaben, die den Tatbestand der §§ 185-187 StGB erfüllen. Eine Rechtfertigung sei ebenso nicht ersichtlich. Das Gericht bestätigt zwar zunächst, dass es sich der Meinung der bisherigen Rechtsprechung anschließt, indem es Sternebewertungen überwiegend als Meinungsäußerungen einstuft, da eine Bewertung mit Sternen ihrer Natur nach von Elementen der „Stellungnahme, des Dafürhaltens und Meinens“ geprägt ist. Allerdings enthalten die Bewertungen in den jeweiligen Unterkategorien wie z. B. „Work-Life-Balance“, „Umwelt-/Sozialbewusstsein“ eine Reihe von Tatsachenbehauptungen, die das Gericht für rechtswidrig erklärt. Es handele sich um unwahre Tatsachenbehauptungen, die geeignet sind, die Tatbestände der §§ 185-187 StGB zu erfüllen.
III. Fazit
Während die Entscheidung des BGH zeigt, unter welchen Voraussetzungen anonyme Bewertungen auf Bewertungsplattformen schützenswert sind und dass auch die Identität ihres Verfassers geschützt werden müsse, unterstreicht die Entscheidung des LG München I das eben nicht alle Bewertungen und ihre Verfasser per se geschützt werden könnten. Beide Entscheidungen bestätigen daher, dass Bewertungen mit rechtswidrigen Inhalten keinen Schutz genießen. Unternehmen sind nicht verpflichtet, anonyme, unwahre und möglicherweise rufschädigende Bewertungen zu dulden, können aber gleichzeitig nicht die Offenbarung des Verfassers einer Bewertung fordern, sofern die Bewertung auf einem Werturteil oder auf nachgewiesenen wahren Tatsachenbehauptungen basiert.
Der BGH stellt in diesem Zusammenhang ein weiteres Mal die sich oftmals als sehr schwierig erweisende Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dar. In der Argumentation des Bundesgerichtshofs ist insbesondere hervorzuheben, dass anders als bei mehrdeutigen Tatsachenbehauptungen, die zumeist zulasten des Verfassers oder des Äußernden zu werten sind, bei mehrdeutigen Werturteilen die Annahme eines Werturteils naheliegender ist. Damit stellt die Entscheidung des BGH eine willkommene Unterstützung für die vom Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit dar.
Gleichzeitig zeigt insbesondere die Entscheidung des LG München I in einer Linie mit einer zunehmenden Anzahl an anderen gerichtlichen Entscheidungen, dass die Gerichte den Plattformbetreibern diesbezüglich Verantwortung zuweisen. Selbst wenn die ursprüngliche Bewertungsplattform, auf der die Bewertung veröffentlicht wurde, nicht ausreichende Informationen in Form von Bestandsdaten liefern könne, sei es zulässig sich im Rahmen einer sog. Kettenauskunft auch an andere Beteiligte, insbesondere sog. Hostprovider, zu wenden, wie es hier im Fall Google war.
Beide Entscheidungen bringen Klarheit in das Thema der Plattformhaftung und sind daher zu begrüßen.