08.03.2021CSRFachbeitrag

Update Compliance Nr. 6/2021

Der Entwurf des Lieferkettengesetzes – neue Compliance-Vorgaben für Unternehmen

Nach längerem Streit hat sich die Regierungskoalition auf einen Kompromiss zum Lieferkettengesetz geeinigt. Der erste Entwurf des Gesetzes von Mitte Februar wurde durch einen zweiten Entwurf von Ende Februar auch nochmals in größerem Umfang angepasst. Größere Unternehmen sollen ab dem Jahr 2023 zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorgaben in ihren Lieferketten verpflichtet werden. Im Falle von Verstößen drohen  erhebliche Bußgelder.

Im Einzelnen sieht der auch als “Sorgfaltspflichtengesetz” bezeichnete Gesetzesentwurf folgende Regelungen vor:

Wer ist betroffen?

Ob auch mittelständische Unternehmen die neuen Regelungen umsetzen müssen, war im Vorfeld eine der meist diskutierten Fragen. Der Referentenentwurf sieht nun vor, dass sich der Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes für die Anfangszeit zunächst nur auf Unternehmen mit (in der Regel) mindestens 3.000 Arbeitnehmern und Sitz oder Hauptniederlassung in Deutschland erstreckt. Ab dem Jahr 2024 sinkt diese Zahl auf 1.000 Arbeitnehmer. Bei der Berechnung sind Leiharbeitnehmer mit einer Einsatzdauer von mehr als sechs Monaten zu berücksichtigen. Hat die Konzernmutter ihren Sitz oder ihre Hauptniederlassung in Deutschland, sind zudem sämtliche Arbeitnehmer weltweit aus allen Gruppengesellschaften mitzuzählen. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs sind zwischen 2.000 bis 3.000 Unternehmen von den neuen Regelungen betroffen. Durch die Zurechnung dürften diese Zahlen aber im Ergebnis deutlich höher ausfallen.

Die neuen unternehmerischen Sorgfaltspflichten

Der Gesetzesentwurf verpflichtet die Unternehmen dazu, die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten zu beachten und stellt klar, dass diese Sorgfaltspflichten sich insbesondere auf die Lieferkette der Unternehmen beziehen. Die „Lieferkette“ im Sinne des Gesetzes beginnt bei der Rohstoffgewinnung und reicht bis zur Lieferung an den Endkunden. Verantwortlich im Sinne des Gesetzes sind die Unternehmen allerdings grundsätzlich nur für ihren eigenen Geschäftsbereich und ihre unmittelbaren Zulieferer. Bei der Pflichtenerfüllung sollen die Behörden die Unternehmen unterstützen und Hilfestellungen anbieten.

Risikomanagement und Risikoanalyse

Zur Wahrung ihrer Sorgfaltspflichten müssen die Unternehmen ein angemessenes Risikomanagementsystem einführen und wirksam umsetzen. Hierdurch sollen Risiken erkannt und Verletzungen von geschützten Rechtspositionen (u. a. Leben, Gesundheit, gerechte Arbeitsbedingungen, Vereinigungsfreiheit sowie Schutz vor Kinderarbeit, Sklaverei, Zwangsarbeit und Folter etc.) verhindert werden. Die Unternehmen müssen zudem festlegen, wer zuständig ist, die Einhaltung der Sorgfaltspflichten zu überwachen. Dies kann zum Beispiel durch einen Menschenrechtsbeauftragten erfolgen. Die Geschäftsleitung hat sich regelmäßig, mindestens jedoch einmal jährlich, über die Arbeit des Menschenrechtsbeauftragten zu informieren.

Jedes Risikomanagement muss auch eine angemessene Risikoanalyse beinhalten: Die Unternehmen werden verpflichtet, etwaige Bedrohungen für die geschützten Rechtsgüter in ihren eigenen Geschäftsbereichen sowie bei ihren unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln. Damit entscheidet sich der Gesetzgeber zunächst für eine abgeschwächte Form der Risikoanalyse. Die Unternehmen müssen nicht – wie es zuvor diskutiert wurde – die gesamte Lieferkette inklusive der mittelbaren Zulieferer überwachen und analysieren.

Grundsatzerklärung und Präventionsmaßnahmen

Wer Risiken feststellt, muss angemessene Präventivmaßnahmen ergreifen. Dazu zählt zunächst die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung durch die Geschäftsführung. Die Grundsatzerklärung soll das Verfahren beschreiben, mit dem ein Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nachkommen will, die für das Unternehmen festgestellten relevanten Risiken und einschlägigen internationalen Abkommen nennen, sowie die Erwartungen formulieren, die das Unternehmen an seine Mitarbeiter und Zulieferer in der Lieferkette richtet.

Als weitere angemessene Präventionsmaßnahmen nennt der Gesetzesentwurf außerdem ausdrücklich Schulungen in den relevanten Geschäftsbereichen.

Sind geschützte Rechte verletzt worden, müssen Unternehmen in ihrem eigenen Geschäftsbereich unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen ergreifen. Für die Behebung von Missständen bei unmittelbaren Zulieferern muss ein Konzept erstellt und umgesetzt werden. In schwerwiegenden Fällen, für die keine Abhilfe möglich ist, kann der Abbruch der Geschäftsbeziehung als ultima ratio der Abhilfe erforderlich sein. Alle Präventionsmaßnahmen sind zudem mindestens einmal im Jahr einer Überprüfung hinsichtlich ihrer Effektivität zu unterziehen.

Unternehmensinterne Beschwerdeverfahren

Jedes betroffene Unternehmen hat ein eigenes Beschwerdeverfahren (z. B. eine Whistleblowerhotline) einzurichten oder sich an einem externen Beschwerdesystem zu beteiligen. Die Wirksamkeit des Beschwerdesystems muss fortlaufend überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Dies soll allen Betroffenen ermöglichen, auf menschenrechtliche Risiken und Verstöße in der Lieferkette hinzuweisen. Erlangt das Unternehmen auf diese Weise Kenntnis von einem Verstoß, muss es tätig werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verursacher ein unmittelbarer Zulieferer ist oder ein weiter entferntes Glied in der Lieferkette.

Die neuen Transparenzanforderungen

Die Erfüllung der unternehmerischen Sorgfaltspflicht muss unternehmensintern fortlaufend dokumentiert werden. Die Dokumentation ist sieben Jahre lang aufzubewahren.Zusätzlich müssen die Unternehmen spätestens vier Monate nach Schluss des Geschäftsjahres auf ihrer Internetseite einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr veröffentlichen. Aufbau und Inhalt des Berichts werden hierbei vom Gesetzgeber vorgegeben. Der Bericht ist zusätzlich der zuständigen Behörde zur Prüfung und Auswertung vorzulegen. Werden die Anforderungen an den Bericht nicht erfüllt, kann die Behörde das Unternehmen zur Nachbesserung anhalten.

Klagemöglichkeiten

Entgegen der ersten Vorschläge im Eckpunktepapier aus dem Frühjahr 2020 erhalten die von einem Verstoß in der Lieferkette Betroffenen kein eigenes Klagerecht vor deutschen Gerichten. Stattdessen können sie eine Gewerkschaft oder eine Nichtregierungsorganisation mit der Verfolgung ihrer Ansprüche und der Prozessführung ermächtigen (Prozessstandschaft).

Behördliche Kontrolle

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) soll als Aufsichtsbehörde (und Bußgeldbehörde) die Umsetzung der Pflichten kontrollieren.

Dabei soll die Aufsichtsbehörde einen risikobasierten Ansatz verfolgen. Dies bedeutet, dass die Behörde (neben der Aufnahme von Untersuchungen aufgrund von konkreten Hinweisen oder Anträgen) nicht nur von Amts wegen Stichproben vornimmt, sondern sich auf die Fälle mit den schwersten Risiken konzentriert.
Des Weiteren schafft der Gesetzesentwurf eine Ermächtigungsgrundlage für die zuständige Behörde, erforderliche Anordnungen, wie z. B. geeignete Handlungspflichten oder einen Maßnahmenplan, gegenüber den Unternehmen zu treffen.
Soweit dies erforderlich ist, dürfen von der Behörde beauftragte Personen oder Hilfspersonen die Betriebsgrundstücke und Geschäftsräume des Unternehmens betreten und besichtigen und geschäftliche Unterlagen und Aufzeichnungen einsehen und prüfen. Korrespondierend können die Unternehmen sowie die zuständigen Personen grundsätzlich verpflichtet werden, der zuständigen Behörde Auskünfte zu erteilen und die entsprechenden Unterlagen – auch in Bezug auf verbundene und ausländische (Tochter-)Unternehmen und (un-)mittelbare Zulieferer – herauszugeben. Ebenso sollen die Unternehmen beziehungsweise ihre Vertreter die Behörde bei der Durchführung der Maßnahmen unterstützen.
Darüber hinaus verfügt die zuständige Behörde auch über die im Ordnungswidrigkeitengesetz normierten Ermittlungsbefugnisse und kann unter anderem Durchsuchungen im Unternehmen durchführen und aufgefundene Beweismittel beschlagnahmen.

Zwangsgelder und Bußgelder

Neben den dargestellten Maßnahmen können die Aufsichtsbehörden auch Zwangsgelder zur Durchsetzung von Verhaltenspflichten in Höhe von bis zu EUR 50.000,00 verhängen.
Auch können bestimmte Verstöße gegen die in dem Gesetz normierten Sorgfaltspflichten im Falle vorsätzlicher oder fahrlässiger Verstöße mit Bußgeldern sanktioniert werden. Der Entwurf sieht vierzehn verschiedene Pflichtwidrigkeiten vor, die jeweils verschiedene Tatbestandsvarianten erfassen und im Falle des vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoßes ein Bußgeld nach sich ziehen können. Dies gilt beispielsweise für die unterlassene, nicht richtige oder nicht rechtzeitige Pflichtenerfüllung im Zusammenhang mit den Sorgfaltspflichten, der Risikoanalyse oder dem Beschwerdeverfahren.
In der Folge können die Geldbußen einen Höchstbetrag bis zu EUR 8.000.000,00 oder bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen (weltweiten) Jahresumsatzes (der der Behördenentscheidung vorausgegangenen drei Geschäftsjahre) der als wirtschaftliche Einheit operierenden juristischen Personen oder Vereinigungen erreichen. Inwieweit der auf diese Weise bestimmte Höchstrahmen ausgeschöpft wird, bestimmt sich unter anderem auf Grundlage einer Abwägung der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit, der Art des Vorwurfs (Vorsatz/Fahrlässigkeit, Berücksichtigung von Handreichungen), den Beweggründen und Ziele des Täters, der Ausführung der Ordnungswidrigkeit (Anzahl und Position der Individualpersonen im Unternehmen), den Auswirkungen der Ordnungswidrigkeit sowie dem Vor- und Nachtatverhalten (frühere Verstöße oder Aufklärungsmaßnahmen und Schadenswiedergutmachung); auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens können berücksichtigt werden.

Ausschluss von öffentlichen Aufträgen

Zuletzt sollen Unternehmen, die wegen eines rechtskräftig festgestellten schwerwiegenden Verstoßes mit einer Mindestgeldbuße in Höhe von (in der Regel) mindestens EUR 175.000,00 belegt worden sind, binnen drei Jahren (und bis zu einer nachgewiesenen Selbstreinigung) auch durch den Ausschluss von der Teilnahme an einem Wettbewerb und der Vergabe eines öffentlichen Auftrags sanktioniert werden können. Ab einem gewissen Auftragswert soll dieser Ausschluss gemäß dem Gesetzentwurf verpflichtend sein.

Wie geht es weiter?

Der Referentenentwurf des Lieferkettengesetzes wurde am 2. März 2021 vom Bundeskabinett beschlossen. Das Gesetzgebungsverfahren soll bis zur Sommerpause und damit vor der Bundestagswahl abgeschlossen werden. Wenn dieser Zeitplan eingehalten wird, kann das Gesetz zum 1. Januar 2023 wie geplant in Kraft treten. Presseberichten zufolge gibt es allerdings weiterhin Diskussionen in den Ministerien, zum Beispiel über die Frage, ob Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen Opfer von Menschenrechtsverletzungen vor deutschen Gerichten vertreten dürfen.

Parallel dazu werden in der EU noch in diesem Jahr Gesetzesvorschläge für verpflichtende Sozialstandards in Lieferketten erwartet. Der Rechtsausschuss des Europaparlamentes hat am 27. Januar 2021 für einen konkreten Vorschlag für ein Lieferkettengesetz gestimmt. Parallel hierzu erstellt die EU-Kommission aktuell ein eigenes Konzept für unternehmerische Sorgfaltspflichten in der Lieferkette, das im Frühsommer 2021 vorgelegt werden soll.

Praxishinweis

Auch wenn derzeit noch nicht sicher ist, ob das Lieferkettengesetz gemäß dem vorliegenden Entwurf in Kraft treten wird, ist jedenfalls die Stoßrichtung klar: Die betroffenen Unternehmen werden zeitnah weitgehende Sorgfalts- und Transparenzpflichten treffen. Deren Umsetzung verlangt den Unternehmen einigen organisatorischen Aufwand ab. Bei unterlassener, verspäteter oder unzureichender Umsetzung der entsprechenden Pflichten drohen neben Zwangsgeldern und Bußgeldern auch der Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge. Auch eine zivilrechtliche Haftung kann nicht ausgeschlossen werden.

Vor diesem Hintergrund sollten Unternehmen bereits jetzt prüfen, ob und welche Pflichten sie treffen, und wie sie diese rechtlich und technisch sinnvoll umsetzen können.

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