Update IP, Media & Technology Nr. 117
Geistiges Eigentum im Weltraum – Eine Bestandsaufnahme aus deutscher Sicht
Wie weit gelten die deutschen Hoheitsrechte? Auf dem Boden, im Luftraum darüber oder gar im Weltraum? Wo befindet sich die Grenze zwischen Luft- und Weltraum? Der auf festem Erdboden so klar zuzuordnende Schutz von geistigem Eigentum verliert sich somit scheinbar im All. Egal, ob es um wissenschaftliche Zeichnungen oder weltraumrelevante Erfindungen geht, es stellt sich die Frage: Schützt die deutsche Rechtsordnung geistiges Eigentum im Weltraum?
I. Geistiges Eigentum nach deutschem Recht im Weltraum
Die Anwendung deutschen Rechts ist denkbar, wenn das deutsche Recht zum Schutz des geistigen Eigentums von vornherein auch im Weltraum Geltung entfaltet oder zumindest in besonderen Konstellationen im Weltraum fortwirkt.
1. Grundsatz: Keine deutschen Hoheitsrechte im All
Dass deutsches Recht in den Weltraum hineinwirkt, verbietet allerdings das Territorialitätsprinzip in Verbindung mit dem weltraumrechtlichen „res communis“-Grundsatz.
Das Territorialitätsprinzip besagt, dass der Gesetzgeber außerhalb seines territorialen Kompetenzbereiches keine Regelungen vornehmen und damit dort stattfindende Handlungen nicht verbieten darf. Das deutsche Hoheitsgebiet ist zwar nicht auf den Erdboden begrenzt, sondern erstreckt sich auch auf den darüber liegenden Luftraum. Mindestens die ersten 60 km Luftraum über dem Erdboden gelten ebenfalls als Teil des deutschen Staatsgebiets. Das deutsche Hoheitsgebiet endet aber dort, wo der Weltraum beginnt.
Das ergibt sich aus Art. II des Weltraumvertrags (WRV), der als erste völkerrechtliche Vereinbarung des Weltraumrechts seit 1967 gilt. Für die mittlerweile 112 Vertragsstaaten (Stand April 2025) gibt dieser die Grundregeln für staatliche Aktivitäten im Weltraum gleich einer „Weltraumverfassung“ oder „Magna Charta des Weltraumrechts“ vor. Nach Art. II WRV unterliegt der Weltraum keiner nationalen Aneignung durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt. Kein Staat kann also die Geltung seines nationalen Rechts im Weltraum beanspruchen, denn er gilt (wie die Hohe See, die Tiefsee und die Antarktis) als „res communis omnium“, als Sache, die niemandem sondern allen gehört.
Damit ist der Weltraum ein staats(rechts-)freier Raum. Der Geltungsbereich des deutschen Rechts insgesamt und eben auch für geistiges Eigentum erstreckt sich folglich nicht bis in den Weltraum.
2. „Mitnehmen“ vorbestehender Schutzrechte
Mittlerweile ist aber auch unter dem Territorialitätsprinzip anerkannt, dass Schiffe auf Hoher See oder Flugzeuge in der Luft weiterhin dem Recht ihres Ursprungslandes unterstellt sind, auch wenn sie das Staatsgebiet im eigentlichen Sinne verlassen haben. Kann auch ein deutsches Raumschiff deutsches Recht in den Weltraum „mitnehmen“?
Nach Art. VIII S. 1 WRV behält ein Staat die Hoheitsgewalt und Kontrolle über die von ihm registrierten und in den Weltraum gestarteten Gegenstände (gemeint sind insb. Raumfahrzeuge) sowie deren gesamte Besatzung, während sie sich im Weltraum befinden. Damit begründet der Weltraumvertrag eine Quasi-Territorialität: Raumfahrzeuge werden so behandelt, als wären sie Teil des Staatsgebiets, obwohl sie es im klassischen, geografischen Sinne nicht sind. Das Raumschiff bildet also eine Kapsel deutscher Staatsgewalt im ansonsten staatsfreien Weltraum. Wer also etwa ein deutsches Patent in einem deutschen Raumschiff benutzt, muss deutsches Patentrecht beachten – genau wie auf der Erde.
Gemäß Art. VIII S. 2 WRV wird auch das Eigentum an sonstigen (körperlichen) Gegenständen, die in den Weltraum verbracht werden, durch ihren Aufenthalt im Weltraum nicht berührt. Wenn also das Raumschiff als Ganzes sowie die mitgenommene technische Ausrüstung im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland stehen, ändert sich daran im Weltraum nichts. Dies soll entsprechend für unkörperliche („immaterielle“) Gegenstände wie Erfindungen gelten. Zwar können unkörperliche Gegenstände mangels körperlicher Form nicht selbst ins All starten, denn wenn sich z. B. eine urheberrechtlich geschützte Karte des Mondes an Bord befindet, wird nicht die intellektuelle Leistung des Schöpfers selbst in das All transportiert, dafür aber ein urheberrechtlich geschütztes Werkstück, an dem auch Rechte des geistigen Eigentums bestehen. Wer den mitgebrachten Gegenstand nutzt, muss also auch die damit verknüpften Rechte des geistigen Eigentums beachten.
Man könnte den Umkehrschluss ziehen, dass außerhalb des deutschen Raumschiffes jedermann geistiges Eigentum nach eigenem Belieben nutzen dürfte. Das stimmt aber nicht immer. Auch in diesen Fällen kann das deutsche Recht greifen, da für die Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums grundsätzlich nicht entscheidend ist, wo sich der Verletzer aufhält, sondern wo sich die Verletzungshandlung auswirkt. Wenn der Verletzer z. B. im Weltraum einen geschützten Song aufnimmt und dieses dann (zurück auf der Erde) so veröffentlicht, dass es in Deutschland abrufbar ist, schlägt sich die Verletzungshandlung in Deutschland nieder. Auch in diesen Fällen entfaltet das deutsche Recht seinen Schutz.
Wenn sich die Verletzungshandlung allerdings nur im Weltraum auswirkt, gilt allein das Weltraumrecht. In diesem staatsfreien Raum hat es tatsächlich keinerlei Konsequenzen, wenn ein Dritter z. B. deutsche Patente unberechtigterweise nutzt. Das widerspricht dem wachsenden praktischen Bedürfnis nach extraterritorialem Schutz geistigen Eigentums. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden deshalb zahlreiche Lösungsansätze entwickelt, die eine Fortwirkung der territorialen Schutzrechte im Weltraum konstruieren. Eine allgemein akzeptierte Lösung existiert in diesen Fällen aber bislang nicht. Hierfür ist ja auch erforderlich, dass die betroffenen Parteien sich auf ein Konzept einigen.
3. Entstehen von neuen Schutzrechten
Was gilt eigentlich für geistiges Eigentum, das erst im Weltraum entsteht?
Wenn das geistige Eigentum an Bord eines deutschen Raumschiffes entsteht, greift der Grundsatz der Quasi-Territorialität aus Art. VIII WRV: Alle Vorgänge an Bord müssen so behandelt werden, als hätten sie sich auf dem entsprechenden Staatsgebiet ereignet. Rechte des geistigen Eigentums, die an Bord eines deutschen Raumschiffes entstehen, sind solche des deutschen Rechts.
Besonderheiten ergeben sich im staatsfreien Raum. Wenn das geistige Eigentum außerhalb des Raumschiffes entsteht, greift nach herrschender Meinung das Schutzlandprinzip. Danach gilt das Recht des Landes, in dem der Schöpfer oder Erfinder Schutz begehrt (Art. 8 Abs. 1 Rom II-VO). Wenn etwa ein Erfinder ein Patent bei dem deutschen Patent- und Markenamt anmeldet, beansprucht er den Schutz seiner Erfindung in Deutschland. Nach dem Schutzlandprinzip gilt dann das deutsche Recht – auch, wenn sich die Schutz begehrende Person im Weltraum befindet.
Welches Land das Schutzland ist, lässt sich besonders gut bei Rechten nachvollziehen, die einer Registrierung bei einer nationalen Stelle bedürfen. Wer ein Patent anmelden will, beantragt Patentschutz bei einem oder mehreren nationalen Patentämtern oder einer Gemeinschaft von Staaten (etwa das Gemeinschaftspatent) und ersucht damit die jeweilige(n) Rechtsordnung(en) um ihren Schutz des geistigen Eigentums.
Etwas anders ist es hingegen bei Urheberrechten. Hier bedarf es lediglich der Schöpfung des Werkes und keiner zusätzlichen staatlichen Mitwirkung (in vielen Ländern – darunter auch Deutschland – werden Urheberrechte nicht registriert). Der Schutz entsteht mit der Schöpfung eines Werkes. Zwar ließe sich auch in diesen Fällen ermitteln, in welchem Land Schutz begehrt wird, z. B. wenn eine wissenschaftliche Zeichnung der Oberfläche des Jupitermonds Ganymed vor unberechtigter Nutzung in Deutschland geschützt werden soll: Bei veröffentlichten Werken soll das Recht desjenigen Landes gelten, in dem das Werk erstmals veröffentlicht wird und bei unveröffentlichten Werken das Recht desjenigen Landes, dessen Staatsangehörigkeit der Schöpfer hat (Ursprungslandprinzip).
In den praktisch relevanteren Fällen der veröffentlichten Werke führen Schutzland- und Ursprungslandprinzip häufig zu demselben Ergebnis. Wer ein Werk in Deutschland veröffentlichen will, der begehrt regelmäßig auch den Schutz des Werkes in Deutschland.
Offen bleibt damit lediglich, welches Recht gelten soll, wenn der Erfinder oder die sonst betroffene Person ausschließlich Schutz im Weltraum anstrebt (z. B. vor unbefugter Nutzung durch andere Astronauten; rein weltrauminterner Sachverhalt). Das betrifft aber wohl nur seltene Ausnahmefälle. Ganz überwiegend wird kein Schutz vor der unbefugten Nutzung im Weltraum begehrt, sondern vor der unbefugten Nutzung auf der Erde. Aber wird das so bleiben, wenn die Interessen der Politik, Industrie und Wissenschaft sich in Zukunft mehr und mehr dem Weltraum zuwenden? Hierfür bestehen ebenfalls noch keine vereinheitlichten Lösungen.
II. Fazit
Nach dem Territorialprinzip endet die deutsche Staatsgewalt dort, wo der Weltraum anfängt. Der Weltraum ist nach dem „res communis“-Grundsatz des Weltraumvertrags (WRV) ein staatsfreier Raum, der niemandem gehört, weil er allen gehört. Das deutsche Recht des geistigen Eigentums gilt damit grundsätzlich auch nicht im Weltraum. Das bedeutet aber nicht, dass geistiges Eigentum im Weltraum ungeschützt bleibt.
Bereits auf der Erde entstandene Schutzrechte des geistigen Eigentums können gem. Art. VIII WRV in den Weltraum „mitgenommen“ und auch neu begründet werden (Quasi-Territorialität). Das Raumschiff bildet somit eine Kapsel deutscher Staatsgewalt im ansonsten staatsfreien All.
Bei geistigem Eigentum, das außerhalb eines deutschen Raumschiffes im Weltraum entsteht, hilft in den meisten Fällen das Schutzlandprinzip: Es gilt das Recht des Landes, in dem Schutz begehrt wird. Dies lässt sich besonders einfach bei Schutzrechten bestimmen, die eine Registrierung voraussetzen (z. B. Patente oder Registermarken).
Wenn ausschließlich Schutz im Weltraum begehrt wird, hilft das Schutzlandprinzip nicht. Wie sich geistiges Eigentum in rein weltrauminternen Sachverhalten zukünftig schützen lässt, bleibt abzuwarten.