23.09.2021Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 56

Geschäftsgeheimnisse – Durchsetzung und angemessene Schutzmaßnahmen

Vor etwas mehr als zwei Jahren ist das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) in Kraft getreten. Die wohl größte Neuerung des GeschGehG im Gegensatz zur vorherigen Rechtslage ist das Erfordernis angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen. War es früher ausreichend, dass eine Geheimhaltungsabsicht des Unternehmens bestand, damit ein rechtlich geschütztes Geschäftsgeheimnis vorlag, müssen Unternehmen mit dem GeschGehG nun unter anderem angemessene Schutzmaßnahmen ergreifen und diese dokumentieren. Nur dann sind ihre Geheimnisse nach der neuen Rechtslage schutzfähig und auch durchsetzbar (vgl. unser IP-Update Nr. 13).

Wie erwartet, haben sich in den vergangenen zwei Jahren vor allem die Arbeitsgerichte mit dem GeschGehG beschäftigt, denn oftmals stehen (ehemalige) Arbeitnehmer in Verdacht, sich unberechtigt Geschäftsgeheimnisse verschafft zu haben. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg („LAG BW“) befasste sich jüngst in einer Entscheidung zum einen mit den Schutzmaßnahmen und zum anderen mit der Durchsetzung von Geschäftsgeheimnissen (vgl. LAG BW, Urteil vom 18.8.2021, Az. 4 SaGa 1/21, abrufbar hier).

1. Hintergrund des Verfahrens

Der Entscheidung des LAG BW lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Arbeitnehmer hatte sich eine Preiskalkulationsmatrix mit einer Aufzählung exakter Berechnungsgrundlagen (u.a. Personalkosten, Maschinenkosten etc.) an seine private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Er gab an, dass er sich die Datei nur zur besseren Lesbarkeit auf seinem privaten Rechner zugesandt habe. Das Unternehmen hatte indes eine IT-Richtlinie, wonach das E-Mailsystem nur zu geschäftlichen Zwecken benutzt und unternehmensinterne Daten weder mittels E-Mail noch per Fax außer Haus gebracht werden durften. Im Übrigen galt für Kalkulationen und Angebote das „need-to-know-Prinzip“ und es war ein Unternehmenscompliancesystem etabliert. Schließlich enthielt auch der Arbeitsvertrag eine Geheimhaltungsverpflichtung.

Das Unternehmen begehrte mit der einstweiligen Verfügung insbesondere die Unterlassung der Nutzung der Preiskalkulationsmatrix. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Unternehmens in erster Instanz statt.

Der Arbeitnehmer legte im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens eine eidesstattliche Versicherung vor, worin er bestätigte, dass er die weitergeleitete Datei endgültig und unwiederbringlich gelöscht hatte.

2. Entscheidung des LAG BW

a. Angemessene Schutzmaßnahmen

Das LAG BW setzte sich in der Berufungsentscheidung im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Geschäftsgeheimnisses zunächst mit den ergriffenen Schutzmaßahmen des Unternehmens auseinander. Es stellte formelhaft fest, dass ein optimaler Schutz nicht erforderlich ist und bei der Bewertung der Angemessenheit der Schutzmaßnahmen insbesondere folgende Aspekte eine Rolle spielen:

  • Wert des Geschäftsgeheimnisses und dessen Entwicklungskosten,
  • Natur der Information, 
  • Bedeutung für das Unternehmen,
  • Größe des Unternehmens,
  • übliche Geheimhaltungsmaßnahmen im Unternehmen,
  • Art der Kennzeichnung der Information,
  • vereinbarte vertragliche Regelungen.

Die vom klagenden Unternehmen (oben unter Ziff. 1 genannten) getroffenen Maßnahmen wurden vom Gericht ohne eingehendere Subsumtion im Ergebnis als „angemessen“ eingestuft. Offen bleibt, ob auch das LAG BW zu weit gefasste und damit unwirksame Geheimhaltungsklauseln ggf. als nicht angemessene Schutzmaßnahme qualifizieren würde. Das LAG Düsseldorf hatte bereits hierzu entschieden, dass eine Vereinbarung, die schlicht alle Angelegenheiten und Vorgänge, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden, für geheimhaltungsbedürftig erklärt und dies ausdrücklich auch auf solche Vorgänge bezieht, die keine Geschäftsgeheimnisse sind, unwirksam ist und keine angemessene Schutzmaßnahme darstellt (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 3.6.2020 – 12 SaGa 4/20, abrufbar hier).

b. Keine Wiederholungsgefahr

Das LAG BW hob die einstweilige Verfügung des Arbeitsgerichts trotz Vorliegens eines Geschäftsgeheimnisses auf, da kein Anspruch auf Unterlassung der Nutzung des Geschäftsgeheimnisses bestand. Voraussetzung für das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs ist stets das Vorliegen einer Begehungs- oder Wiederholungsgefahr. Letztere wird durch einen begangenen Verstoß in der Regel vermutet und kann grundsätzlich nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden. Grundsätzlich entfällt die Widerholungsgefahr auch nicht durch die bloße Einstellung des beanstandeten Verhaltens.

Vorliegend ging das Gericht allerdings davon aus, dass die Tatsache des unbefugten Beschaffens eines Geschäftsgeheimnisses noch nichts über die möglicherweise unbefugte Nutzung aussage und bezweifelte daher, dass die unbefugte Weiterleitung an die private E-Mail-Adresse allein eine Widerholungsgefahr hinsichtlich der unbefugten Nutzung begründen kann. Zudem genügte dem Gericht die eidesstattliche Versicherung des Arbeitnehmers über die unwiederbringliche Löschung der Datei, da damit hinreichend glaubhaft gemacht sei, dass die Verwendung der Datei unmöglich geworden ist.

3. Einordnung der Entscheidung und Hinweise für die Praxis

Es ist zu begrüßen, dass das LArbG Baden-Württemberg wie andere Gerichte in der Vergangenheit feststellt, dass ein optimaler Schutz von Geschäftsgeheimnissen nicht erforderlich ist, um „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ nachzuweisen. Die Messlatte, die das im vorgenannten Verfahren beteiligte Unternehmen gelegt hat, ist dennoch vergleichsweise hoch, denn es hatte eine Vielzahl von Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen und glaubhaft gemacht. Leider lässt sich aus der Entscheidung nicht erkennen, was sich etwa hinter dem „Unternehmenscompliancesystem“ des klagenden Unternehmens in Bezug auf Geschäftsgeheimnisse konkret verbirgt. Offen bleibt auch, ob das Gericht die Angemessenheit der Schutzmaßnahmen und damit das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses auch dann bejaht hätte, wenn das Unternehmen weniger Maßnahmen ergriffen hätte.

Im Ergebnis bleibt die Erkenntnis, dass jedes Unternehmen für sich ein geeignetes, maßgeschneidertes Geheimnisschutzkonzept unter Beachtung der unter Ziff. 1 genannten Parameter erarbeiten und etablieren muss (vgl. hierzu auch unser IP-Newsletter Nr. 13). Besonderer Augenmerk ist angesichts der vorgenannten Urteile auf die Fassung von Geheimhaltungsklauseln zu legen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es an weiteren Geheimhaltungsmaßnahmen, wie z.B. internen Richtlinien etc., fehlt. Zwar sprechen viele Argumente dafür, dass unwirksame Geheinhaltungsklauseln nicht zugleich und unbedingt unangemessene Geheimnisschutzmaßnahmen darstellen. Die Gerichte legen hier jedoch offenbar einen strengen Maßstab an.

Möchte ein Unternehmen einen Unterlassungsanspruch wegen der unbefugten Nutzung des Geschäftsgeheimnisses geltend machen, so muss auch die diesbezügliche Wiederholungsgefahr dargelegt werden können. Das einmalige bloße Weiterleiten von Informationen begründet im Zweifel ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Nutzung des Geheimnisses. Hier sind die Unternehmen gefordert, in Streitfällen diese weiteren Umstände (in datenschutzkonformer Weise) zu ermitteln, zu dokumentieren und vorzutragen.

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