05.03.2020Fachbeitrag

Update IP, Media & Technology Nr. 23

Neue EU-Verordnung stärkt die Rechte gewerblicher Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten

Am 12. Juli 2020 tritt die neue Platform-To-Business (P2B)-Verordnung in Kraft. Die enthaltenen Neuregelungen sollen dafür sorgen, dass die Rechte von solchen Unternehmen verbessert werden, die Online-Vermittlungsdienste oder Suchmaschinen (im Folgenden jeweils als „Plattform“ bezeichnet) nutzen. Davon erfasst sind etwa Online-Marktplätze wie Amazon, Suchmaschinen wie Google-Shopping, Vergleichsportale wie Check24 oder Vertriebsplattformen für Softwareanwendungen wie der App Store von Apple.

Regelungsbedarf besteht, weil derartige Plattformen im Onlinehandel innerhalb der EU nicht mehr wegzudenken sind.  So profitieren die europäischen Verbraucher von diesen Diensten, indem sie Zugang zu einer großen Auswahl von Produkten und Dienstleistungen erhalten. Gleichsam erhalten Unternehmer Zugang zu neuen Märkten und Verbrauchern, was für deren geschäftlichen Erfolg von entscheidender Bedeutung ist. Aufgrund der wachsenden Abhängigkeit von diesen Plattformen haben deren Betreiber eine immer weiter wachsende Verhandlungsmacht, die es ihnen auch ermöglicht, sich einseitig und wettbewerbswidrig zu verhalten. Beispielsweise können sie die gewerblichen Nutzer willkürlich von ihrer Plattform ausschließen oder für eine ausreichend bemerkbare Platzierung des Angebots – beispielsweise im Wege eines sog. Rankings – exorbitante Entgelte fordern.

Die EU hat dieses Machtgefälle zulasten der gewerblichen Nutzer wahrgenommen und liefert mit der P2B-Veordnung nun ein Maßnahmenpaket, mit dem mehr Fairness und Transparenz geschaffen werden soll. Dabei sind vor allem neue Anforderungen an die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Plattformbetreiber vorgesehen.

I. Gegenstand und Anwendungsbereich

Die Verordnung regelt ausschließlich das Verhältnis zwischen den Betreibern der Plattformen und ihren gewerblichen Nutzern. Dabei ist es für eine Anwendbarkeit der Verordnung irrelevant, ob der Plattformbetreiber seinen Sitz in der EU hat. Entscheidend ist vielmehr, ob der gewerbliche Nutzer der Dienste seine Niederlassung bzw. seinen Wohnsitz in der EU hat und über die Plattform Waren oder Dienstleistungen an Verbraucher innerhalb der Europäischen Union vertreibt. Entscheidend ist also auch die Vermittlung eines Vertragsschlusses mit einem Verbraucher in der EU. Beispielsweise werden deshalb auch keine Business-To-Business (B2B) Plattformen erfasst. Die neuen Regelungen gelten unmittelbar in den Mitgliedstaaten. D.h. sie müssen nicht erst in deutsches Recht umgewandelt werden.

II. Neue Anforderungen an die Ausgestaltung von AGB

Nach der Verordnung müssen die Plattformbetreiber neuen Anforderungen an die Ausgestaltung der AGB gegenüber ihren gewerblichen Nutzern gerecht werden. Vorgesehen sind insbesondere neue Informationspflichten:
 

  • So müssen die AGB etwaige Gründe benennen, bei deren Vorliegen die Nutzung der Plattform ausgesetzt, beendet oder anderweitig eingeschränkt werden kann.
  • Zudem müssen Angaben über zusätzliche Vertriebskanäle oder Partnerprogramme enthalten sein, über die der Plattformbetreiber die angebotenen Waren und Dienstleistungen zusätzlich vermarkten kann. Dies meint beispielsweise Hervorhebungen von Produkten auf der Startseite der Plattform oder konkrete Werbung in Newslettern.
  • Auch müssen allgemeine Informationen zu den Auswirkungen der AGB auf das geistige Eigentum der Nutzer – wie beispielsweise hinsichtlich urheberrechtlicher Fragen bei Nutzung von Produktbildern – enthalten sein.

Die weiteren Anforderungen an die AGB im Detail:

1. Änderungen und Kündigungsrecht

Falls der Plattformbetreiber vorhat, etwas an den AGB zu verändern, so muss er seine gewerblichen Nutzer darüber präzise im Voraus informieren. Die angestrebten Änderungen dürfen dann nach Ablauf einer angemessenen und verhältnismäßigen Frist umgesetzt werden. Im Falle von Änderungen steht dem Nutzer jederzeit das Recht zu, den Vertrag mit dem Plattformbetreiber vor Ablauf der Frist zu kündigen.

In Deutschland gilt aber ohnehin, dass einseitige Änderungsvorbehalte von AGB nur möglich sind, wenn sie transparent, sachlich begründet sind und der anderen Vertragspartei im Rahmen einer angemessenen Frist Zeit zum Widerspruch eingeräumt wird. Ein sofortiges Sonderkündigungsrecht erhält der Vertragspartner bisher dagegen nicht pauschal bei Änderungen, sondern nur, wenn ihm dadurch gravierende Nachteile entstehen würden.

2. Nichtigkeit bei Verletzung der Informationspflichten

All diejenigen AGB-Vorschriften, die die zuvor genannten verpflichtenden Angaben nicht enthalten, sind  nichtig. Das heißt, sie würden so behandelt, als hätten sie nie bestanden. Dies gilt zumindest für diejenigen Bestimmungen, die den konkreten Vorgaben nicht genügen. Alle übrigen Bestimmungen, die davon getrennte Regelungen treffen, wären weiterhin wirksam und durchsetzbar.

3. Ranking der Angebote

Mit dem Begriff „Ranking“ sind Hervorhebungen von Angeboten sowie die Beeinflussung relevanter Suchergebnisse auf den Plattformen gemeint. Für die Bestimmung der Rankings werden von den Betreibern gewisse Beurteilungsmechanismen bzw. Algorithmen festgelegt. Die dadurch zustande gekommenen Rankings haben erheblichen Einfluss auf die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und damit auch auf den geschäftlichen Erfolg der gewerblichen Nutzer.

Um Klarheit darüber zu schaffen, wie die Rankings zustande kommen, müssen die Plattformbetreiber künftig die zugehörigen Hauptparameter klar und verständlich in den AGB offenlegen. Dazu müssen auch die Gründe der Gewichtung dieser Hauptparameter gegenüber anderen Parametern dargelegt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass die gewerblichen Nutzer die Funktionsweise der Ranking-Mechanismen nachvollziehen können. Dies ist beispielsweise erforderlich, damit sie zur Absatzförderung ihre Angebote anpassen können oder damit sie die Ranking-Methoden verschiedener Anbieter miteinander vergleichen können, um die ideale Plattform für sich zu finden.

Ergänzend zu den Hauptparametern müssen auch Angaben dazu gemacht werden, ob und inwiefern das Ranking gegen Entgeltleistungen aktiv beeinflusst werden kann.

4.  Beschwerdemanagement und Mediation

Insbesondere wenn der Zugang zu einer Plattform eingeschränkt, ausgesetzt oder beendet wird, soll dem leidtragenden Nutzer eine effektive Möglichkeit zur Abhilfe gegeben werden.
Konkret sollen die Plattformbetreiber dafür ein internes Beschwerdemanagementsystem bereitstellen, welches die Beschwerden transparent, fair sowie zeitnah behandeln und erledigen soll. Dazu müssen alle nötigen Informationen für den Zugang und die Funktionsweise zu dem System in den AGB hinterlegt werden. Die Verordnung billigt den Plattformbetreibern dabei aber ein angemessenes Maß an Flexibilität bei der Handhabung der Systeme sowie beim Umgang mit einzelnen Beschwerden ein. Damit soll der Verwaltungsaufwand so gering wie möglich gehalten werden.

Für den Fall, dass ein Problem nicht im Wege des internen Beschwerdemanagements gelöst werden kann, werden die Plattformbetreiber zudem dazu verpflichtet, mindestens zwei neutrale Mediatoren zu benennen. Die Mediation soll Plattformbetreibern und gewerblichen Nutzern eine letzte Möglichkeit bieten, Streitigkeiten ohne die Einleitung eines langwierigen und kostspieligen Gerichtsverfahrens beizulegen.

5. Differenzierte Behandlung der Angebote sowie Einschränkungen anderer Vertriebswege

Falls ein Betreiber seine Plattform nicht nur verwaltet, sondern darüber hinaus auch selbst Waren auf dieser anbietet, kann daraus eine unterschiedliche Behandlung zwischen diesem Angebot und dem der gewerblichen Nutzer entstehen. In dem Fall müssen die AGB Informationen enthalten, auf Grund welcher Erwägungen diese Ungleichbehandlung zustande gekommen ist.
Denkbar ist zudem, dass ein Plattformbetreiber seinen Nutzern die Möglichkeit verwehrt, dieselben Waren oder Dienstleistungen auf einem anderen Vertriebsweg – also beispielsweise auf einer konkurrierenden Plattform – anzubieten. Auch in diesem Fall müssen die AGB künftig eine Begründung für diese Behandlung beinhalten. Dies betrifft auch sog. Bestpreisklauseln, bei denen es den Nutzern beispielsweise untersagt wird, im eigenen Webshop bessere Konditionen als auf der Plattform anzubieten.

III. Fazit

Augenscheinlich versucht die neue Verordnung für mehr Transparenz und Fairness zugunsten der gewerblichen Nutzer von Plattformen zu sorgen. Für diesen Zweck erscheinen die Informationspflichten hinsichtlich etwaiger Einschränkungen der Plattformen sowie die Rechtsfolge der Nichtigkeit bzw. das unmittelbare Kündigungsrecht bei Verstößen als sinnvoll. Zu kritisieren ist aber in jedem Fall, dass eine differenzierte Behandlung von eigenen Angeboten der Dienstbetreiber sowie eine Verwehrung anderer Vertriebswege nur öffentlich gemacht werden müssen und nicht gleich einem Verbot bzw. gewissen Anforderungen unterstellt werden. Zudem bleibt offen, inwiefern das Beschwerdemanagement bzw. die Mediation effektiv genutzt werden kann. Schlussendlich bleibt abzuwarten, ob die neue Verordnung tatsächlich für Verbesserungen des Machtgefälles zwischen den Nutzern und Betreibern der Plattformen sorgt. Konkret sind jetzt erst einmal die Plattformbetreiber angehalten, ihre AGB anzupassen sowie die neuen Mechanismen einzurichten.

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