07.09.2015Fachbeitrag

Update Compliance 18/2015

BVerfG: Durchsuchung bei Medienorganen darf nicht vorrangig der Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten dienen

Das Bundesverfassungsgericht hat die Anforderungen der Durchsuchung in Redaktionsräumen und Wohnungen von Journalisten verschärft. Die Durchsuchung darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären. Erforderlich sind für eine Durchsuchung in Redaktionsräumen vielmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presseangehörigen.

In dem Beschluss zugrunde liegenden Fall wurden das Redaktionsgebäude eines Zeitungsverlags, sowie die Privatwohnung eines Journalisten durchsucht wegen des Verdachts der Bestechung. Der Zeitungsverlag und der Journalist sind Beschwerdeführer der Verfassungsbeschwerde.

Der Journalist war 2011 in Begleitung eines Polizeioberkommissars nach Amsterdam gereist, um über das Verschwinden zweier Kinder zu recherchieren. Der Polizeioberkommissar stellte daraufhin eine Rechnung über 3.149,07 Euro an die Chefredaktion des Zeitungsverlages. Sie endet mit den Worte: „Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung.“

Auf diese Rechnung stießen die Ermittlungsbehörden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den Polizeioberkommissar wegen Geheimnisverrats. Dieser stand in Verdacht, Informationen über eine geplante Razzia der Berliner Polizei im Rockermilieu an Journalisten an weitergegeben zu haben. Über die bevorstehende Razzia hatte jedoch nicht der betroffene Zeitungsverlag berichtet, sondern ein mit dem Verlag nicht im Zusammenhang stehendes Onlineportal.

Der Durchsuchungsbeschluss in den Räumen des Zeitungsverlags und in den Wohnräumen des Journalisten stützte sich auf die im anderen Verfahren gefundene Rechnung. Es bestand der Verdacht, dass die von dem Polizeioberkommissar für die Zeitung erledigten Tätigkeiten dienstlichen Bezug hatten aufgrund der Bitte um konspirative Abrechnung. Die gegen die Durchsuchung gerichtete Verfassungsbeschwerde sah das BVerfG als begründet an (Az. 1 BvR 1089/13, 1 BvR 1090/13, 1 BvR 2480/13):

Die Durchsuchung der Räume stelle einen nicht gerechtfertigten Eingriff in den Schutzbereich der Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG dar. Den Strafverfolgungsbehörden sei es bei der Durchsuchung vorwiegend um die Ermittlung belastender Tatsachen gegen den Polizeioberkommissar als Informanten gegangen. Diesem sollen Geldbeträge für Informationen zu bevorstehenden Ermittlungsmaßnahmen gezahlt worden sein. Der Verdacht, dass der Kommissar bezüglich des Geheimnisverrats Kontakt zu den Beschwerdeführern hatte, sei eine bloße Mutmaßung. Es sei nicht ersichtlich, für welche Informationen der Zeitungsverlag Geld gezahlt haben sollte. Zudem habe der Verlag nicht selbst über die Razzia berichtet, sondern ein nicht mit ihm im Zusammenhang stehendes Online Portal. In Bezug auf die Beschwerdeführer mangele es daher an unzureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Bestechung, die den Beschlagnahmeschutz entfallen lassen würde. Ein bloß allgemeiner Verdacht, dass dienstliche Informationen an die Presse weiter gegeben wurden, genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die Durchsuchung in Redaktionsräumen nicht dem vorrangigen oder ausschließlichen Aspekt dienen dürfe, Verdachtsgründe gegen den eigentlichen Informanten zu finden. Die Durchsuchung sei nur zulässig, wenn sie auf einem konkreten Verdacht gerade gegenüber dem betroffenen Presseangehörigen gestützt ist. Das bloße Interesse der Strafverfolgungsbehörden zu erfahren, ob und welche dienstlichen Geheimnisse der Informant weitergegeben hat, reiche nicht aus.

Praxishinweis: Durchsuchungen sind in Wirtschaftsstrafverfahren eine nahezu alltägliche Ermittlungsmaßnahme. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter auf solche Maßnahmen mittels Schulungen und Informationsanweisungen vorbereiten, können die Kollateralschäden von Durchsuchungen in Grenzen halten. Zudem gilt es, während Durchsuchungsmaßnahmen seine Rechtsposition zu verteidigen: Ein "Kreuzchen" im falschen Kästchen auf dem Durchsuchungsprotokoll kann dazu führen, dass nachträglicher Rechtsschutz verloren geht.

Hinweise zum richtigen Verhalten bei Durchsuchungsmaßnahmen erhalten Sie in den rechts aufgeführten Veröffentlichungen oder direkt von den Rechtsanwälten der Praxisgruppe Wirtschafts- und Steuerstrafrecht.

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