03.09.2016Fachbeitrag

Gefährliche Haftungsfalle: Aufklärungspflichten des Verkäufers bei M&A-Transaktionen

M&A-Transaktionen sind davon geprägt, dass die Parteien in oftmals schwierigen Verhandlungen Risiken im Hinblick auf die Zielgesellschaft(en) zwischen den Parteien verteilen. Dazu wird unter anderem typischerweise ein eigenes Haftungsregime in Form von Garantien, Haftungsfolgen und Haftungsbeschränkungen vereinbart. Blind sollte sich ein Verkäufer allerdings nicht auf dieses Regelungssystem verlassen. Insbesondere die Verletzung von Aufklärungspflichten kann zu unliebsamen Überraschungen führen.

Aufklärungspflichten bei Unternehmenskaufverträgen

Auch wenn natürlich grundsätzlich jede Vertragspartei ihre eigenen Interessen verfolgen darf, entspricht es einer gefestigten Rechtsprechung, dass ein Verkäufer vor allem über solche Umstände aufklären muss, die allein ihm bekannt sind und von denen er weiß oder wissen muss, dass sie für den Verhandlungspartner von besonderer Bedeutung für den Abschluss des Vertrags sind. Die Rechtsprechung des BGH geht bei Unternehmenskäufen sogar noch darüber hinaus. Nach Ansicht des Gerichts trifft den Verkäufer eines Unternehmens eine gesteigerte Aufklärungspflicht. Dies leitet der BGH insbesondere aus der wirtschaftlichen Tragweite des Geschäfts und die regelmäßig erschwerte Bewertung des Kaufobjekts durch den Käufer ab.

Die begrenzte Haftung

Das problematische für den Verkäufer an dieser Aufklärungspflicht ist: Ein Verstoß gegen sie fällt in den Bereich der Vorsatzhaftung, die sich grundsätzlich nicht im Vorhinein ausschließen lässt (§ 276 Abs. 3 BGB). Das bedeutet konkret, dass sämtliche Haftungsbeschränkungen im Kaufvertrag, die über die gesetzlichen Regelungen hinausgehen, keine Anwendung finden. Dies gilt z.B. für summenmäßige Haftungsbeschränkungen, die Vereinbarung objektiver Verjährungsfristen oder ihre Verkürzung.

Grundsätzlich genügt die Kenntnis von den Umständen, auf die sich die Aufklärungspflicht bezieht und ihre Relevanz für den Käufer. Dass eine Aufklärungspflicht besteht muss hingegen nicht vom Vorsatz umfasst sein. Vielmehr genügt auch ein bedingter Vorsatz, d.h. es genügt, dass der Verkäufer es für konkret möglich hält, dass der Käufer bei Kenntnis der entsprechenden Umstände den Vertrag nicht oder nicht in dieser Form abgeschlossen hätte. Eine andere Form des bedingten Vorsatzes liegt vor, wenn der Verkäufer Angaben ins Blaue hinein macht, also Angaben, von denen er sich nicht sicher ist, ob sie stimmen oder die auf Mutmaßungen beruhen. In einem solchen Fall verletzt der Verkäufer seine Wahrheitspflicht durch aktives Tun und nicht seine Aufklärungspflicht durch das Unterlassen einer Aufklärung, beide Pflichtverletzungen führen allerdings zum selben Ergebnis, nämlich einer summenmäßig unbegrenzten Haftung des Verkäufers im Rahmen der gesetzlichen Regelungen, unabhängig vom Inhalt des Kaufvertrags.

Empfehlung zur Offenlegung

Der versierte M&A-Verkäufer mag nun darauf verweisen, dass er alles Wesentliche im Datenraum offenlege. Ob diese Form der Offenlegung allerdings der Aufklärungspflicht genügt ist unklar. Wie so oft kommt es auf die konkreten Umstände an. Man kann daher Verkäufern nur raten, besonders bedeutsame Tatsachen auch besonders prominent offenzulegen, sei es außerhalb des Datenraums, sei es im Datenraum mit einem besonderen Hinweis auf die Information außerhalb des Datenraums. Die Aufklärungspflicht gilt außerdem fortlaufend, d.h. ändern sich bereits offengelegte wesentliche Umstände, müssen diese wieder korrigiert werden.

Welche Informationen der dargestellten Aufklärungspflicht des Verkäufers unterfallen, lässt sich nicht pauschal beantworten. Dazu gehören sicherlich die wesentlichen wirtschaftlichen Kennzahlen des Geschäfts und die wesentlichen Geschäftsaussichten, die vor allem auch Gegenstand der angesprochenen Aktualisierungs- und Berichtigungspflicht sind. Darüber hinaus dürften alle Umstände, die zu hohen Verbindlichkeiten oder sonstigen Schäden der Zielgesellschaft(en) führen können unter die Aufklärungspflicht fallen. Grundsätzlich gilt, lieber ein bisschen zu viel aufklären als zu wenig.

Fazit

Grundsätzlich ist jedem Verkäufer zu raten, sich frühzeitig mit dem Transaktions-Team zusammenzusetzen, um die Informationen zu identifizieren, die möglicherweise der Aufklärungspflicht unterfallen, und die Art ihrer Offenlegung zu besprechen. Darüber hinaus sollte bei Management-Präsentationen, mündlichen Q&A-Sessions und vergleichbaren Gelegenheiten klar dokumentiert werden, welche Informationen der Käuferseite mitgeteilt wurden, damit der Verkäufer leichter nachweisen kann, dass er Aufklärungspflichten erfüllt bzw. keine Behauptungen ins Blaue hinein gemacht hat. Dies setzt einen gut organisierten und professionell geführten Transaktionsprozess voraus. Auch wenn dies die Transaktionskosten erhöht lohnt sich die Investition angesichts der aufgezeigten Risiken.

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