21.04.2020CoronaFachbeitrag

Update Gesellschaftsrecht/M&A 05

Geplante Novellierung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG)

Bundesregierung will Übernahmen deutscher Unternehmen aus strategisch wichtigen Bereichen erschweren

Die Bundesregierung hat am 8. April 2020 den Entwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes verabschiedet. Die geplante Gesetzes-Novelle verschärft u.a. die Regelungen der nationalen Investitionsprüfung und erweitert damit die Möglichkeiten des Bundeswirtschaftsministeriums, bei Übernahmen deutscher Unternehmen durch ausländische Investoren einschreiten zu können.

In dem Gesetzentwurf werden zudem bestimmte Vorgaben der EU-Screening-Verordnung aus dem Jahre 2019 umgesetzt, die einen einheitlichen Rahmen zur Überprüfung von Direktinvestitionen aus Nicht-EU-Staaten schaffen will und am 11. Oktober 2020 vollständig zur Anwendung gelangt. In diesem Zusammenhang hatte die EU-Kommission am 25. März 2020 auch Leitlinien für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen wegen COVID-19 veröffentlicht. Darin appelliert die Kommission nachdrücklich an die Mitgliedstaaten, besonders darauf zu achten, dass die derzeitige Gesundheitskrise nicht zu einem Ausverkauf der europäischen Akteure in Industrie und Gewerbe, einschließlich der KMU, führt.

Anlass und Ziel der Gesetzesnovelle

Auslöser für die geplante Änderung des AWG war der versuchte Einstieg von chinesischen Investoren bei dem Stromnetzbetreiber 50Hertz, der von der Bundesregierung 2018 nur durch einen Kauf einer Beteiligung an dem Unternehmen verhindert werden konnte. Die angeblich geplante Übernahme des Tübinger Impfstoffherstellers CureVac durch die USA auf Betreiben des amerikanischen Präsidenten Donald Trump, die Mitte März 2020 Schlagzeilen machte, hat die Entwicklung weiter beschleunigt.

Es soll nun künftig „umfassender und vorausschauender“ geprüft werden können. In den Blick genommen werden hierbei Investitionen von mindestens 10 Prozent der Stimmrechte in besonders sicherheitsrelevante Unternehmen, beispielsweise aus dem Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur. Hierzu zählen etwa Unternehmen, die für die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems oder der Energieversorgung von wesentlicher Bedeutung sind.

Auch wenn die Gesetzgebungsarbeiten bereits vor der Corona-Krise aufgenommen wurden, bekommt das Vorhaben vor dem Hintergrund des aktuellen Bedarfs an Impfstoffen, Schutzmasken und anderer medizinischer Ausrüstung eine neue Bedeutung. Hinzu kommt, dass die Aktienkurse vieler deutscher Unternehmen bereits stark gefallen und viele deutsche Konzerne daher aktuell günstig übernommen werden könnten. Dadurch geraten diese Unternehmen zusätzlich in das Visier ausländischer Investoren. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier äußerte sich anlässlich der Vorstellung des Entwurfs daher wie folgt: „Gerade die aktuelle Situation zeigt, dass wir in Deutschland und Europa in bestimmten Bereichen eigene Kompetenzen und Technologien brauchen. So können wir deutsche und europäische Sicherheitsinteressen besser schützen.

Geplante Anpassung des Maßstabs der Investitionsprüfung

Bislang darf nach dem AWG erst eingeschritten werden, wenn eine „tatsächliche Gefährdung“ der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch die Übernahme festgestellt wurde. Dieser hohe Prüfungsmaßstab soll nunmehr in zweierlei Hinsicht herabgesetzt werden. Anstelle einer „Gefährdung“ der öffentlichen Sicherheit und Ordnung soll bereits die „Beeinträchtigung“ des Schutzguts und damit ein geringerer Gefährdungsgrad ausreichen, um eine erwerbseinschränkende Maßnahme anzuordnen. Zudem genügt fortan bereits eine „voraussichtliche Beeinträchtigung“, was zeitlich eine präventive Kontrolle durch die Behörden ermöglicht. Des Weiteren kann das Bundeswirtschaftsministerium bei Investitionsprüfungen künftig auch die Sicherheitsinteressen anderer EU-Mitgliedstaaten sowie eine Beeinträchtigung von Projekten oder Programmen von Unionsinteresse berücksichtigen.

Vollzugsverbot für meldepflichtige Erwerbe

Unternehmenskaufverträge standen schon bisher bis zur Beendigung des Prüfungsverfahrens nach dem Außenwirtschaftsgesetz unter der auflösenden Bedingung einer Untersagung.

Zusätzlich sollen künftig sämtliche Rechtsgeschäfte, die dem Vollzug eines meldepflichtigen Erwerbs dienen, bis zum Abschluss des Prüfverfahrens schwebend unwirksam sein. Damit wird erstmalig ein Vollzugsverbot für den Erwerb besonders sicherheitsrelevanter Unternehmen eingeführt. Ohne paralleles Vollzugsverbot bestünde nach Ansicht der Bundesregierung sonst die Gefahr, dass bereits während laufender Prüfverfahren sicherheitsrelevante Informationen ins Ausland abfließen oder auf sicherheitsrelevante Technologien zugegriffen wird. Erwerbe, die nicht meldepflichtig sind, können dagegen wie bisher weiterhin vollzogen werden. Der Prüfung, ob Erwerbe meldepflichtig sind, kommt künftig eine erhebliche Bedeutung zu und muss insbesondere auch frühzeitig bei der Planung einer M&A-Transaktion bedacht werden.

Um einen faktischen Vollzug zu verhindern, werden flankierend für die Fälle, in denen ein Vollzugsverbot besteht, neue Verbotstatbestände eingeführt. Die Verbote betreffen insbesondere die Ausübung von Stimmrechten, den Erwerb von Gewinnauszahlungsansprüchen und die Offenlegung oder Überlassung bestimmter sicherheitsrelevanter Informationen des inländischen Zielunternehmens. Sie gelten gegenüber dem potentiellen Erwerber bis zum Abschluss des gesamten Investitionsprüfungsverfahrens. Verstöße sind strafbewehrt und können mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden. Verkäufer werden künftig auch investitionskontrollrechtlich prüfen müssen, welche Informationen sie potentiellen Erwerbern beispielsweise bei Durchführung einer Due Diligence zur Verfügung stellen dürfen. Ähnlich wie bei wettbewerbsrelevanten Informationen wird wohl auch insoweit zukünftig vermehrt die Prüfung sensibler Informationen nicht dem ausländischen Investor selber, sondern nur einer begrenzten Zahl ausgewählter Berater (sogenannte „Clean-Teams“) gestattet werden können.

Weitere Änderungen

Zur Überwachung der Einhaltung von Anordnungen oder Verpflichtungen aus öffentlich-rechtlichen Erwerbsverträgen, die im Rahmen von Investitionsprüfungen entstanden sind, wird das Bundeswirtschaftsministerium künftig weitere Befugnisse erhalten. Insbesondere soll das Ministerium aufgrund der steigenden Anzahl der geschlossenen Verträge auch Dritte mit der Kontrolle der Einhaltung der auferlegten bzw. eingegangenen Verpflichtungen beauftragen dürfen. Hierbei wird grundsätzlich Vergaberecht zur Anwendung kommen.

Zur Umsetzung der EU-Screening-Verordnung wird im Bundeswirtschaftsministerium eine „Nationale Kontaktstelle“ für den neuen EU-weiten Kooperationsmechanismus geschaffen. Die Kontaktstelle soll beispielsweise die Europäische Kommission sowie die anderen EU-Mitgliedstaaten über Investitionsprüfungen unterrichten sowie deren Informationsbitten und Stellungnahmen entgegennehmen.

Einfluss auf die M&A-Praxis

Das Bundeswirtschaftsministerium will in Kürze ergänzende Vorschläge zur Verschärfung der Außenwirtschaftsverordnung vorlegen. Beispielsweise sollen künftig auch Unternehmen aus den Bereichen künstliche Intelligenz, Robotik, Halbleiter, Biotechnologie und Quantentechnologie in den Kreis der besonders sicherheitsrelevanten Unternehmen aufgenommen werden, deren Erwerb meldepflichtig ist – und für die dann zukünftig auch das Vollzugsverbot gelten wird. Weiter soll im Rahmen der Prüfung der konkrete Investor und dessen Hintergrund stärker berücksichtigt werden.

Durch die geplanten Änderungen wird die Investitionskontrolle eine deutlich größere Bedeutung in der M&A-Praxis erlangen. Sie wird Transaktionssicherheit und Transaktionsschnelligkeit beeinflussen. Transaktionen unter Beteiligung unionsfremder Investoren werden künftig noch sorgfältiger geplant werden müssen. Für Investoren aus EU-Mitgliedstaaten kann daraus ein entscheidender Vorteil in Bieterverfahren entstehen.

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