16.12.2019Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2019

Haftung des Geschäftsführers für Zahlungen nach Insolvenzreife und Konkretisierung des Prüfungsauftrags an Rechtsberater

OLG München, Urteil vom 17.01.2019 – 23 U 998/18

Das OLG München hat die Anforderungen an die Voraussetzungen des Prüfungsauftrags einer rechtlichen Beratung der Gesellschaft in der Krise verschärft. Ein Geschäftsführer darf nicht länger leichtfertig davon ausgehen, dass die mögliche Insolvenzreife der Gesellschaft Teil der Prüfung ist, selbst wenn die rechtliche Beratung auch allgemeine Fragen im Zusammenhang mit der Überschuldung beinhaltet. Zudem bestätigte das OLG die bisherige Rechtsprechung im Hinblick auf die indizielle Bedeutung der Handelsbilanz für die Überschuldung einer Gesellschaft.

Sachverhalt

Der Insolvenzverwalter als Kläger machte geltend, dass der ehemalige Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Insolvenzschuldnerin Zahlungen getätigt habe, obwohl die Insolvenzschuldnerin bereits überschuldet war. Als Beweis hierfür legte der Kläger eine Handelsbilanz der Insolvenzschuldnerin vor, aus der sich eine Unterdeckung ergab. Der beklagte Ex-Geschäftsführer vertrat der Ansicht, die Insolvenzschuldnerin sei zu dem vom Kläger vorgetragenen Zeitpunkt weder zahlungsfähig noch überschuldet gewesen. Ausweislich des Jahresabschlusses habe eine positive Fortbestehensprognose vorgelegen. Zudem habe er sich rechtlich beraten lassen, wovon auch eine insolvenzrechtliche Beratung umfasst gewesen sei.

Indizielle Bedeutung der Handelsbilanz und sekundäre Darlegungslast des Beklagten für Überschuldung

Das OLG München bejaht die Haftung des Geschäftsführers  nach § 130a Abs. 2 S. 1 Alt. 2 i.V.m. § 177a Satz 1 HGB. Der Insolvenzverwalter habe eine bilanzielle Überschuldung substantiiert dargelegt. Der Jahresabschluss der Insolvenzschuldnerin habe einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag ausgewiesen und es bestanden keine stillen Reserven. Einer Handelsbilanz komme für die Frage, ob die Gesellschaft überschuldet ist, zwar lediglich indizielle Bedeutung zu. In einer derartigen Konstellation obliege es jedoch dem Geschäftsführer, im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast im Einzelnen vorzutragen, welche stillen Reserven oder sonstigen maßgeblichen Werte gegen eine Überschuldungsbilanz sprechen.

Anforderungen an eine positive Fortbestehensprognose

Auch habe der Beklagte das Bestehen einer positiven Fortbestehensprognose nicht ausreichend dargetan. Entgegen der Ansicht des Beklagten genüge ein entsprechender Hinweis im Jahresabschluss nicht. Insoweit setze eine günstige Fortbestehensprognose neben dem Fortführungswillen des Schuldners bzw. seiner Organe auch die objektive – grundsätzlich aus einem aussagekräftigen Unternehmenskonzept (sog. „Ertrags- und Finanzplan“) herzuleitende – wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des Unternehmens voraus.

Keine Widerlegung schuldhaften Handelns durch Rechtsberatung

Auch könne der Beklagte den Vorwurf des schuldhaften Handelns nicht mit der seinerseits eingeholten Rechtsberatung entkräften. Der Geschäftsführer handele fahrlässig, wenn er sich nicht rechtzeitig die erforderlichen Informationen und Kenntnisse verschafft, die er im Rahmen der pflichtgemäßen Prüfung hinsichtlich eines etwaig zu stellenden Insolvenzantrags benötigt. Der selbst nicht hinreichend sachkundige Geschäftsführer sei nur dann exkulpiert, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person habe beraten lassen und danach keine Insolvenzreife festzustellen gewesen sei. Insoweit habe der Beklagte im vorliegenden Fall nicht aufgrund etwaiger allgemeiner Fragen zur Überschuldung davon ausgehen dürfen, es erfolge eine vollständige Prüfung durch seinen Rechtsanwalt. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers gebiete es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen.

Fazit

Für die Praxis ergibt sich aus dem Urteil des OLG eine weitere Anforderung an die Präzisierung des Prüfungsauftrags des Geschäftsführers an den Berater. Insoweit war bislang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine ausdrückliche Beauftragung zur Prüfung der Insolvenzreife jedenfalls dann nicht notwendig, wenn sich der Geschäftsführer darauf verlassen durfte, dass der sachkundige Dritte im Rahmen einer anderweitigen Aufgabenstellung auch die Frage der Insolvenzreife rechtzeitig und sorgfältig (mit-)prüft. Dies ist jedoch mit der Rechtsprechung des OLG München nicht leichthin zu unterstellen. Im Ergebnis wird eine entsprechende Abstufung für die Praxis kaum praktikabel sein, weshalb der Prüfungsauftrag jedenfalls zur Vermeidung möglicher Haftungsfälle für den Geschäftsführer immer ausdrücklich (auch) auf die Prüfung der Insolvenzreife lauten sollte.

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