Neue EU-Durchführungsverordnung zur gemeinsamen klinischen Bewertung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika verabschiedet
Update Health Care & Life Sciences 10/2025
Die Europäische Kommission verabschiedete am 17. Oktober 2025 die letzte von sechs Durchführungsverordnungen zur gemeinsamen klinischen Bewertung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika (Durchführungsverordnung (EU) 2025/2086 – „Durchführungsverordnung“). Sie ist Teil der Umsetzung der Verordnung (EU) 2021/2282 über die Bewertung von Gesundheitstechnologien (“HTA-Verordnung“).
Die HTA-Verordnung
Die HTA-Verordnung soll den EU-weiten Zugang von Patienten zu innovativen und wirksamen Gesundheitstechnologien durch eine gemeinsame Bewertung (sogenanntes Health Technology Assessment oder HTA) zu verbessern. Eine Gesundheitstechnologie wird dabei unter anderem als Arzneimittel, Medizinprodukte, in-vitro Diagnostika oder medizinische und chirurgische Verfahren verstanden.
Die HTA-Verordnung will einen Rahmen schaffen, in dem die Mitgliedstaaten gemeinsame Bewertungen relevanter Gesundheitstechnologien durchführen können. Zusammen mit den zugehörigen Durchführungsverordnungen bildet sie die Grundlage für eine multidisziplinäre und wissenschaftsbasierte Bewertung klinischer und nicht-klinischer Aspekte wie Wirksamkeit, Nutzen, Auswirkungen und Kosten. Die Ergebnisse eines HTA dienen Gesundheitsbehörden und Kostenträgern als Entscheidungsgrundlage – etwa bei Fragen zur Erstattung, Preisbildung oder Einführung neuer Technologien. Die Mitgliedstaaten behalten nach diesem Ansatz ihre Entscheidungshoheit, können aber Mehrfachbewertungen vermeiden, indem sie die Ergebnisse der gemeinsamen Bewertung nutzen.
Die HTA-Verordnung sieht für Arzneimittel eine gestaffelte Umsetzung vor. Seit dem 12. Januar 2025 findet sie Anwendung auf Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zur Behandlung von Krebserkrankungen sowie auf Arzneimittel für neuartige Therapien. Für Arzneimittel dieser Kategorie laufen derzeit neun gemeinsame wissenschaftliche Bewertungen. Ab dem 13. Januar 2028 werden Arzneimittel für seltene Leiden einbezogen. Für alle übrigen zentral zugelassenen Arzneimittel findet die HTA-Verordnung ab dem 13. Januar 2030 Anwendung.
Für Medizinprodukte findet die HTA-Verordnung nur auf ausgewählte Produkte der Klassen IIb und III sowie auf ausgewählte In-vitro-Diagnostika ab Klasse D Anwendung.
EU-Durchführungsverordnung zur gemeinsamen klinischen Bewertung von Medizinprodukten und In-vitro-Diagnostika
Die Durchführungsverordnung legt fest, nach welchen Kriterien ausgewählte Medizinprodukte und In vitro Diagnostika, die bereits nach Medical Device Regulation (Verordnung (EU) 2017/745 – „MDR“) oder der für In-vitro Diagnostika- relevanten In-vitro Diagnostica Regulation (Verordnung (EU) 2017/746 – „IVDR“) zertifiziert wurden, in eine gemeinsame klinische Bewertung auf EU-Ebene einbezogen werden und legt den Rahmen für diese gemeinsame klinische Bewertung fest.
Während MDR und IVDR die Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Medizinprodukte und In vitro Diagnostika gewährleisten, stellt die Durchführungsverordnung sicher, dass die Bewertung des Mehrwerts der Medizinprodukte und In vitro Diagnostika gegenüber bereits bestehenden Therapien, strukturiert, einheitlich und auf einer verlässlichen Grundlage erfolgt.
Zu den zentralen Inhalten der Durchführungsverordnung gehören:
- Verfahrensvorschriften für die gemeinsame klinische Bewertung. Die Durchführungsverordnung legt fest, wie die klinische Evidenz systematisch erhoben, analysiert und dokumentiert wird, einschließlich der Interaktion mit den Mitgliedstaaten, Expertengremien, Benannten Stellen sowie Patienten- und Fachexperten.
- Vorlagepflicht der Bewertungsdossiers durch die Entwickler. Die Durchführungsverordnung verpflichtet die Entwickler der Medizinprodukte und In-Vitro-Diagnostika, erforderliche Informationen, Daten und Analysen in standardisierten Dossier-Vorlagen innerhalb von 100 Tagen nach Aufforderung einzureichen.
- Erstellung und Nutzung gemeinsamer Bewertungsberichte. Definiert wird, wie gemeinsame klinische Bewertungsberichte und zusammenfassende Berichte erstellt werden. Hierzu geben die Anhänge III und IV Vorgaben zu den inhaltlichen Anforderungen der Berichte.
Bedeutung der neuen Durchführungsverordnung für die Praxis
Mit der Durchführungsverordnung liegt ein weiterer zentraler Baustein für die praktische Umsetzung der HTA-Verordnung vor. Sie kann die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Bewertungsverfahren in der EU spürbar stärken. Einheitliche Maßstäbe und klar geregelte Abläufe können auf längere Sicht zu einer stärkeren Angleichung der Marktzugangsbedingungen in den Mitgliedstaaten führen. Dies kann Herstellern eine gewisse Planungssicherheit verschaffen.
Gleichzeitig bringt die Durchführungsverordnung neue Pflichten und zusätzlichen Aufwand für die Industrie mit sich. Die Anforderungen an die Erstellung der Bewertungsdossiers, die Standardisierung von Daten und die Zusammenarbeit mit den Bewertungsstellen erfordern eine frühzeitige und gründliche Vorbereitung in juristischer und technischer Hinsicht. Hersteller sollten daher ihre internen Abläufe – von der Erhebung klinischer Daten bis zur regulatorischen Dokumentation – rechtzeitig an die neuen Vorgaben anpassen.