17.03.2020FachbeitragCorona

Sondernewsletter Corona-Virus

Restrukturierung in Zeiten von Corona – Was Unternehmen jetzt wissen müssen

I.    Gefährdung der Unternehmen durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie

Die Corona-Pandemie führt weltweit zum Rückgang von Umsatzerlösen. Die Nachfrage bricht ein. Zugleich sind Lieferketten in der global vernetzten Wirtschaft aktuell nicht mehr verlässlich. Es drohen Schadensersatzverpflichtungen aufgrund nicht mehr gegebener Lieferfähigkeit, insbesondere soweit verschuldensunabhängige Liefergarantien bestehen. Die Liquidität und damit auch der Fortbestand vieler Unternehmen sind gefährdet. Auf diese Krise müssen Geschäftsleitungs- und Aufsichtsorgane reagieren.

II.    Pflichten der  Geschäftsleitungs- und Aufsichtsorgane in der Krise

In der Krise bestehen besondere Pflichten der Geschäftsleitungsorgane, also insbesondere von Geschäftsführern und Vorständen. Die Überwachungspflicht der Aufsichtsorgane verdichtet sich. Von herausragender Bedeutung ist dabei die Pflicht zur Sicherung des Fortbestandes des Unternehmens bei gleichzeitiger Vermeidung einer Insolvenzverschleppung. Dafür ist die Vermeidung des Eintritts zwingender Insolvenzgründe und, wenn dies nicht möglich sein sollte, die rechtzeitige Stellung des Eröffnungsantrages (Insolvenzantrag) notwendig.

Hier die wichtigsten rechtlichen Vorgaben in der Krise:

  • AG, GmbH und andere haftungsbeschränke Rechtsformen sind bei Vorliegen eines zwingenden Insolvenzgrundes verpflichtet, unverzüglich, spätestens innerhalb von drei Wochen, den Eröffnungsantrag beim Insolvenzgericht zu stellen. Bei verspäteter Antragstellung droht den Organen Strafbarkeit und Haftung (§ 15a InsO).
  • Zwingende Insolvenzgründe sind Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO).
  • Zahlungsunfähigkeit besteht in der Regel, wenn 10% oder mehr der fälligen Verbindlichkeiten nicht mit den liquiden Mitteln beglichen werden können (sonst liegt in der Regel nur eine geringfügige Liquiditätslücke vor) und dieser Zustand länger als drei Wochen anhält (sonst liegt nur eine nicht relevante Zahlungsstockung vor).
  • Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen die Schulden nicht mehr deckt und keine positive Prognose (überwiegende Wahrscheinlichkeit) bzgl. der Fortführung des Unternehmens außerhalb der Insolvenz besteht.
  • Liegen zwingende Insolvenzgründe vor, so besteht ein grundsätzliches Zahlungsverbot, dessen Verletzung zu einer Haftung der Organpersonen führt (vgl. z.B. § 64 GmbHG, § 92 AktG). Besonderheiten gelten allerdings für Arbeitnehmeranteile zum Sozialversicherungsbeitrag und bestimmte Steuerarten.

III.    Einholung von Rat, Einleitung von Maßnahmen

Vor dem Hintergrund der vorstehend grob skizzierten rechtlichen Vorgaben und zahlreicher weiterer Pflichten und Haftungsrisiken in der Krise sollte die Geschäftsleitung der von den Auswirkungen der Corona-Pandemie bedrohten Unternehmen unter umfassender Darstellung der Situation umgehend unabhängigen Rat fachlich qualifizierter Sanierungsexperten einholen.

Hier die wichtigsten Maßnahmen zur Reaktion auf die Krise:

  • Stützung der Liquidität durch Stundungsvereinbarungen und Working Capital Management (Lagerabbau, Factoring)
  • Veräußerung von nicht notwendigem Betriebsvermögen. Auch betriebsnotwendiges Vermögen kann ggf. veräußert werden (z.B. mittels Sale & Lease Back), um Liquidität zu gewinnen.
  • Kurzarbeitergeld: Bei erheblichem Arbeitsausfall werden Arbeitszeit und Arbeitsentgelt temporär gekürzt. Die Einsparung von Personalkosten stärkt die Liquidität. Einen Teil der Entgelteinbußen der Mitarbeiter fängt die Bundesagentur für Arbeit mit der Zahlung von konjunkturellem Kurzarbeitergeld auf. Die Gewährungsdauer beträgt maximal 12 Monate. Nötig ist eine rechtliche Grundlage der Kurzarbeit, die sich aus Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag ergeben kann. Lieferengpässe, im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie oder offiziell behördlich angeordnete Betriebsschließungen stellen grundsätzlich einen solchen Arbeitsausfall dar.

IV.    Hilfe durch Regierung und Gesetzgeber

Regierung und Parlament greifen zugunsten der deutschen Wirtschaft in das Krisengeschehen ein und ermöglichen umgehend Hilfen für bedrohte Unternehmen mittels Erleichterungen und Erweiterungen beim Kurzarbeitergeld, Kreditgewährungen durch die KfW sowie Erleichterungen bei den zwingenden Insolvenzgründen:  

  • Hilfe beim Kurzarbeitergeld: Der Arbeitsausfall ist nach bisheriger Rechtslage nur erheblich, wenn mindestens ein Drittel der Mitarbeiter durch einen Bruttoentgeltausfall von mehr als 10 Prozent betroffen sind. Der Gesetzgeber hat am 13. März 2020 die Bundesregierung ermächtigt, durch eine Verordnung den Zugang zum Kurzarbeitergeld zu erleichtern. Der Gesetzgeber möchte die Zugangsschwelle absenken – dann reicht es aus, wenn im jeweiligen Kalendermonat mindestens 10 Prozent der Mitarbeiter von einem Bruttoentgeltausfall von mehr als 10 Prozent betroffen sind. Außerdem soll es möglich sein, dass die Bundesagentur für Arbeit die vom Arbeitgeber allein zu tragenden SV-Beiträge teilweise oder ganz erstattet. Zudem soll die Gewährung von Kurzarbeitergeld auch für Leiharbeitnehmer möglich sein. Siehe dazu unser FAQ Arbeitsrecht.  
  • Hilfe durch Notkredite der KfW: Die Bunderegierung hat hierzu einen Drei-Stufen-Plan vorgelegt. Man will auf der ersten Stufe den Unternehmen mit unbegrenzten Kreditprogrammen und Bürgschaften helfen. Über einen drastisch erhöhten Garantierahmen bei der Staatsbank KfW könnte eine halbe Billion Euro zur Verfügung gestellt werden. Sollten sich die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie verschärfen, greift Stufe zwei: Dann könnten Kredite flexibler gestaltet und aufgestockt werden. Die Bundesregierung könnte dann weitere Milliarden in bestehende Programme einbringen. Die dritte Stufe sieht Konjunkturprogramme im großen Stil vor - für den Fall, dass Unternehmen ihre Produktion in großem Umfang einstellen müssen und Betriebsschließungen drohen. Auch Stundungen von Steuern sind demnach denkbar.
  • Hilfe durch partielle Aussetzung der Insolvenzantragspflicht: Das BMJV teilte am 16. März 2020 mit, dass es eine gesetzliche Regelung zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vorbereitet, um Unternehmen zu schützen, die infolge der Corona-Epidemie in eine finanzielle Schieflage geraten. Als Vorbild hierfür dienen Regelungen, die anlässlich der Hochwasserkatastrophen 2002, 2013 und 2016 getroffen wurden. Die Insolvenzantragspflicht soll für einen Zeitraum bis zum 30. September 2020 ausgesetzt werden, um zu vermeiden, dass betroffene Unternehmen allein deshalb einen Insolvenzantrag stellen müssen, weil die Bearbeitung von Anträgen auf öffentliche Hilfen bzw. Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen in der außergewöhnlichen aktuellen Lage nicht innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragspflicht abgeschlossen werden kann. Voraussetzung für die Aussetzung soll sein, dass der Insolvenzgrund auf den Auswirkungen der Corona-Epidemie beruht und dass aufgrund einer Beantragung öffentlicher Hilfen bzw. ernsthafter Finanzierungs- oder Sanierungsverhandlungen eines Antragspflichtigen begründete Aussichten auf Sanierung bestehen. Darüber hinaus soll eine Verordnungsermächtigung für das BMJV für eine Verlängerung der Maßnahme höchstens bis zum 31. März 2021 vorgeschlagen werden.
  • Überlegungen unsererseits: Es ist zu erwarten, dass sich die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht auch auf die Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife auswirken wird, die in den betreffenden Fällen ebenfalls ausgesetzt sein sollte. Erwägenswert zur Vermeidung von Abgrenzungsproblemen wäre u.E. eine temporär eng umgrenzte generelle Aussetzung der Antragspflichten während des nun bevorstehenden Höhepunktes der Corona-Krise, so dass Insolvenzen nur noch freiwillig eingeleitet und die Gläubiger über das Verbot des Eingehungsbetruges geschützt werden. Zudem wäre es erwägenswert, den Zeitrahmen für den Schutz der Arbeitnehmer durch das Insolvenzgeld, der mittelbar die Unternehmenssanierung in der Insolvenz entscheidend fördert, von drei auf bis zu sechs Monate auszudehnen und so einen Anreiz an die Stelle des Zwanges zur Stellung des Insolvenzantrages zu setzen. Die Entwicklung der nächsten Tage, Wochen und Monate bleibt mit Spannung abzuwarten.

Ergänzung vom 23.03.2020: Hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht plant der Gesetzgeber angesichts der Covid19-Pandemie kurzfristig eine weitreichende Erleichterung. Die Antragspflicht soll für Fälle mit Rettungsaussicht, bei denen die Insolvenzgründe auf der Pandemie beruhen, bis zum 30.09.2020 ausgesetzt werden. Siehe hierzu und zu zahlreichen damit zusammenhängenden Fragen unseren Sondernewsletter vom 23.03.2020.

Auf unserer Themenseite finden Sie weitere, täglich aktualisierte Hinweise zur Corona-Krise.

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