15.04.2020Fachbeitrag

Update Kapitalmarktrecht Nr. 33

Sicherung der Liquidität auch in Zeiten von Corona über Kapitalmarktprodukte und Beteiligungen

Zur Sicherung der notwendigen Liquidität in Zeiten von Corona steht eine Vielzahl staatlicher Soforthilfen einschließlich Krediten der KfW und Landesbanken sowie Bürgschaften des Bundes und der Länder zur Verfügung. Der Bezug dieser Hilfen wird weitgehend über die Hausbanken abgewickelt. Der Kapitalmarkt spielte dabei zunächst keine Rolle.

Dabei bieten der Kapitalmarkt und auch andere Marktteilnehmer wie PE und VC Beteiligungsgesellschaften eine Vielfalt an Finanzierungsmöglichkeiten und damit Liquidität. Für deren Einbeziehung in die Finanzierung und auch Strukturen der staatlichen Hilfen machten sich von Anfang an einige Markteilnehmer stark. Das Gesetz zu Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds vom 27. März 2020 greift dies, wenn auch im eingeschränkten Umfang, nun auf.

1. Gesetz zur Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds

Das Gesetz zu Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds sieht die Errichtung eines nichtrechtsfähigen Sondervermögens vor, aus dem Unternehmen Stabilisierungsmaßnahmen beantragen können. Über die Gewährung der Stabilisierungsmaßnahmen entscheidet das Bundesministerium für Finanzen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Ein Anspruch auf die Gewährung von Mitteln besteht allerdings nicht. Es dürfte damit keine Option für die breite Masse an Unternehmen darstellen, einen Blick ist es aber Wert. Das Volumen umfasst u.a. EUR 400 Mrd. an Garantien sowie Mittel zur Rekapitalisierung von Unternehmen und Refinanzierungsmittel für Kredite in Höhe von je bis zu EUR 100 Mrd.

Grundsätzlich berechtigt, einen Antrag auf Stabilisierungsmaßnahmen zu stellen, sind Unternehmen der Realwirtschaft, d.h. Wirtschaftsunternehmen, die weder Unternehmen des Finanzsektors noch Kredit- bzw. Brückeninstitute sind, die in den letzten beiden bereits bilanziell abgeschlossenen Geschäftsjahren vor dem 1. Januar 2020 mindestens zwei der drei folgenden Kriterien erfüllt haben:

  • eine Bilanzsumme von mehr als EUR 43 Mio.,
  • mehr als EUR 50 Mio. Umsatzerlöse, sowie
  • mehr als 249 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt.

Im Einzelfall erhalten auch kleinere Unternehmen Zugang zu Stabilisierungsmaßnahmen, sofern diese für die Infrastruktur besonders relevant sind.

Als Stabilisierungsmaßnahmen sind insbesondere

  • Unternehmensbeteiligungen, stille Beteiligungen und sonstige Eigenkapitalbeteiligungen,
  • die Zeichnung von nachrangigen Schuldtiteln, Hybridanleihen, Genussrechten und Wandelanleihen, sowie
  • Garantien für vom 28. März 2020 und bis zum 31. Dezember 2021 begebene Schuldtitel und begründete Verbindlichkeiten, wobei die Garantien und abzusichernden Verbindlichkeiten eine Laufzeit von maximal 60 Monaten haben dürfen,

vorgesehen.

Der Antrag auf eine Stabilisierungsmaßnahme setzt dabei voraus, dass

  • dem betroffenen Unternehmen anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen,
  • durch die Stabilisierungsmaßnahme eine klare, eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Pandemie besteht,
  • das Unternehmen bis zum 31. Dezember 2019 sich nicht in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat, und
  • das Unternehmen die Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bietet; insbesondere muss ein Beitrag zur Stabilisierung von Produktionsketten und zur Sicherung von Arbeitsplätzen geleistet werden.

Ein wichtiger Aspekt bei der pflichtgemäßen Entscheidung über Stabilisierungsmaßnahmen ist zudem die Bedeutung des Unternehmens für die Wirtschaft Deutschlands.

Dabei können besondere Anforderungen vereinbart werden, u.a. die Art und Weise der Verwendung der aufgenommenen Mittel, die Aufnahme weiterer Kredite, die Vergütung von Organen, die Ausschüttung von Dividenden und Maßnahmen zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen, branchenspezifische Restrukturierungsauflagen, die Art und Weise für Rechenschaft. Ebenso ist das Unternehmen verpflichtet zu unterstützen, wenn der Wirtschaftsstabilisierungsfonds seine Beteiligung veräußern möchte.

Des Weiteren sieht das Gesetz zu Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds eine Vielzahl von Sonderregelungen zur Erleichterung der Ausgabe der Beteiligung bzw. Finanzinstrumente als auch hinsichtlich der Definition der Ausstattung der Finanzierung vor. Dies betrifft u.a. die notwendigen Maßnahmen, Stimmmehrheiten, Registereintragungen und Ausnahme der Anwendung von Börsenregelungen.

Die Details sind noch in Ausführungsverordnungen umzusetzen.

2. Alternativen zur Hausbank: Unternehmensbeteiligung, Anleihen, Genussscheine, stille Beteiligungen etc.

Aber auch außerhalb der Stabilisierungsmaßnahmen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds bieten der Kapitalmarkt und Beteiligungsgesellschaften umfassende Finanzierungsmöglichkeiten.

Bevor die Unternehmen das richtige Produkt wählen und dies genau ausgestalten, sollten die wirtschaftlichen Möglichkeiten ehrlich diskutiert sein. Dies hat insofern eine besondere Bedeutung, da derzeit noch nicht ausreichend klar ist, wie sich die Pandemie und die Wirtschaft kurz- und auch mittelfristig entwickeln. Es wird dabei eines besonderen Geschicks bedürfen, die Interessen und Anforderungen von Investoren mit den Unsicherheiten und damit der notwendigen Flexibilität für die Unternehmen zu kombinieren.

Es bietet sich dabei die gesamte Palette von Finanzierungen über den Kapitalmarkt und Unternehmensbeteiligungen, wie beispielweise die Ausgabe von Aktien und GmbH-Anteilen, von stillen Beteiligungen, von klassischen Anleihen und von Mezzanineprodukten wie Nachranganleihen und Genussscheinen.

Sofern ein Unternehmen keine Unternehmensbeteiligung anbieten möchte, aber die Zinszahlung und Rückzahlung nicht ausreichend gesichert ist, können sowohl Anleihen als auch Mezzanineprodukte im weiten Sinne sehr individuell – solange die Investoren dies akzeptieren – strukturiert werden. Beispielhaft seien nur genannt:

  • So kann der Zins sowohl der Höhe nach als auch Fälligkeit abhängig vom Unternehmenserfolg ausgestaltet sein. Dies kann sowohl positiv als Gewinnbeteiligung als auch negativ als Risikobewertung erfolgen.
  • Tilgungen während der Laufzeit können ermöglicht werden, um bei erfolgreicher Unternehmensentwicklung oder besseren Refinanzierungsmöglichkeiten die Schuldenlast zu reduzieren.
  • Es kann ein Nachrang oder eine Verpflichtung zu einer Nachrangerklärung vereinbart werden, wenn dies insolvenzrechtlich oder sonst bilanziell zum Beispiel aufgrund anderweitiger Finanzierungen notwendig ist.

Bei Unternehmensbeteiligungen sind insbesondere folgende Punkte zu klären: Mehrheiten für Beschlüsse, Managementstrukturen, Gewinn- und Liquidationspräferenzen, Put- und Call-Optionen, Ausstiegsregelungen z.B. durch einen Börsennotierung.

Hier haben sich in den letzten Jahren viele individuelle Produkte entwickelt und etliche Kapitalgeber bieten eine Flexibilität. Entscheidend ist jedoch, dass Investoren die Konditionen akzeptieren. Insofern sollten diese direkt oder durch erfahrene Finanzberater und Vermittler in die Strukturierung eingebunden werden.

3. Ausgewählte Fragestellungen

Bei der Strukturierung sind abgesehen von den Kernfragen der Verzinsung, des Rangs und der Rückzahlungen folgende Themen zu berücksichtigen:

Bewertung: Wie wird ein Unternehmen z.B. bei einer Unternehmensbewertung oder für die Gewinn- und Liquidationsbeteiligung bewertet? Sind die aktuellen Umsatzzahlen noch aktuell, was kann in der unklaren aktuellen Situation als Annahmen angesetzt werden?

Loan to Value: Immobilienfinanzierungen stellen häufig auf den sogenannten Loan to Value (LTV) ab, wobei die Finanzierung eine bestimmten LTV-Quote nicht übersteigen darf. Dabei sind die Immobilien häufig einmal jährlich zu bewerten. Die Einschätzungen zum aktuellen Immobilienmarkt sind sehr volatil, trauen sich die Bewerter die aktuellen Bewertungen auch mittelfristig aufrecht zu erhalten?

Financial Covenants: Insofern gilt das gleiche wie zur Bewertung und Loan to Value. Wie können diese derzeit mit ausreichender Flexibilität festgelegt werden? Möglichkeiten sind, dass diese innerhalb der nächsten 6 bis 12 Monate diese ausgesetzt werden.

Rating: Einige Investoren setzten ein Investmentgrade Rating voraus. Auch insofern sollte die Möglichkeit bestehen, dass dies für einen gewissen Zeitraum nicht relevant ist. Die Politik forderte Ratingagenturen auch bereits auf, Abwertungen nicht zu schnell vorzunehmen.

Fazit

Kurzfristig ist es sicher sinnvoll, zunächst die staatlichen Unterstützungen zu nutzen. Der Kapitalmarkt und auch Unternehmensbeteiligungen können jedoch ein sinnvolle Ergänzung mit flexiblen Strukturen sein und insbesondere mittel- und langfristige Finanzierungen bieten.

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