06.05.2025 Fachbeitrag

Erleichterungen bei der Prospektpflicht durch den EU Listing Act

Update Kapitalmarktrecht Nr. 56

Seit dem 4. Dezember 2024 ist der EU Listing Act in Kraft. Dieser enthält u. a. Änderungen der EU-Prospektverordnung, die Emittenten den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern sollen. So sollen die Anforderungen für den Prospekt, der vor Durchführung eines öffentlichen Angebots oder der Zulassung von Wertpapieren zu einem geregelten Markt grds. zu veröffentlichen ist, verschlankt werden. Zudem werden Ausnahmen von der Prospektpflicht ausgeweitet, insbesondere wenn der Emittent bereits börsennotiert und damit den Anlegern bereits bekannt ist. Während die Regelungen zu Prospektformaten und -inhalten erst 2026 anwendbar werden, gelten die Neuerungen bei den Prospektausnahmen größtenteils bereits seit Inkrafttreten der Neuregelung.

Erweiterte Befreiung von der Prospektpflicht

Öffentliche Angebote von Wertpapieren waren schon bisher u. a. dann von der Prospektpflicht befreit, wenn sie ausschließlich an qualifizierte Anleger (gleichbedeutend mit professionellen Kunden nach der MiFID) oder an weniger als 150 nicht qualifizierte Anleger pro EU-Mitgliedstaat gerichtet waren. Weitere Ausnahmen galten für Kleinemissionen. Nunmehr können Emittenten darüber hinaus ein öffentliches Angebot ohne Prospekt durchführen, wenn die angebotenen Wertpapiere einer Gattung angehören, die bereits zum Börsenhandel an einem geregelten Markt oder KMU-Wachstumsmarkt zugelassen ist.

[HINWEIS: Als geregelter Markt gelten alle regulierten Märkte an eine deutschen Wertpapierbörse. In Deutschland ist als KMU-Wachstumsmarkt das Marktsegment „Scale“ als Teil des Freiverkehrs an der Frankfurter Wertpapierbörse registriert.]

Allerdings muss vor Durchführung des Angebots ein prospektersetzendes Dokument in Kurzform von maximal elf DIN A4-Seiten mit Basisinformationen für den Anleger veröffentlicht werden (dazu gleich mehr). Ist die betreffende Wertpapiergattung weniger als 18 Monate börsennotiert, ist diese Ausnahme für zwölf Monate auf weniger als 30 % der bereits zugelassenen Zahl der Wertpapiere begrenzt.

Auch die Ausnahmen für prospektbefreite Börsenzulassungen zu einem geregelten Markt wurden erweitert. Die bereits bestehende Prospektausnahme für die Zulassung von Wertpapieren einer bereits börsenzugelassenen Gattung zu einem geregelten Markt wurde von weniger als 20 % der Zahl der bereits zum Handel an demselben Markt zugelassenen Wertpapiere über zwölf Monate auf weniger als 30 % erweitert. Bestand die Zulassung bereits seit mindestens 18 Monaten, kann auch die Zulassung weiterer gattungsgleicher Wertpapiere ohne Prospekt erfolgen, wenn zuvor ein elfseitiges prospektersetzendes Dokument veröffentlicht wurde.

Für Emittenten in einem Restrukturierungs- oder Insolvenzverfahren oder für Tauschangebote, Verschmelzungen oder Spaltungen stehen die Prospektausnahmen unter Verwendung des 11seitigen prospektersetzenden Dokuments nicht zur Verfügung.

Prospektersetzendes Dokument

Das prospektersetzende Dokument enthält sog. Basisinformationen. Diese sollen die bereits aufgrund der vorhandenen Börsenzulassung veröffentlichen Finanzinformationen und Ad-hoc-Mitteilungen ergänzen. Das Dokument muss bei der Billigungsbehörde (in Deutschland der BaFin) hinterlegt werden, eine Billigung ist nicht erforderlich. Sein Umfang darf elf DIN-A4-Seiten nicht übersteigen. Die in das Dokument aufzunehmenden Informationen sind in einem neuen Anhang IX der EU-Prospektverordnung im Einzelnen geregelt. Sie bestehen im Wesentlichen in grundlegenden Angaben zum Emittenten, den Wertpapieren und dem Angebot sowie den Gründen für die Emission und die Verwendung des Erlöses, ferner in spezifischen Risikofaktoren des Emittenten. Die für das Dokument verantwortliche Person hat zu bestätigen, dass die in dem Dokument enthaltenen Informationen ihres Wissens nach den Tatsachen entsprechen und dass das Dokument keine Auslassungen aufweist, die die Aussage des Dokuments verändern könnten (Verantwortungserklärung). Diese Erklärung wird üblicherweise durch den Emittenten abgegeben. Weiterhin ist bei einem öffentlichen Angebot zu bestätigen, dass der Emittent von seinem Recht, die Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung aufzuschieben (sog. Selbstbefreiung) keinen Gebrauch macht. Schließlich ist zu erklären, dass der Emittent während der gesamten Zulassung seiner Wertpapiere zum Börsenhandel seine Melde- und Offenlegungspflichten eingehalten hat (Compliance-Erklärung). Konzeptionell erscheint dies problematisch. Denn der amtierende Vorstand kann diesen Zeitraum, der mitunter lange vor seinem Amtsantritt begonnen hat, oft nicht überblicken. Angesichts der Beschränkung der Erklärung zur Verantwortungsübernahme auf das beste Wissen der verantwortlichen Person spricht aber vieles dafür, eine solche Beschränkung auch auf die Compliance-Erklärung zu erstrecken. Sollte der Emittent in der Vergangenheit einen (u. U. nur geringfügigen) Verstoß gegen Zulassungsfolgepflichten gegangen haben, sollte es möglich sein, eine entsprechend qualifizierte Erklärung abzugeben, in der auf etwa vorliegende historische Verstöße hingewiesen wird. Dies wäre ggf. mit der BaFin vorab abzustimmen. Zu den Einzelheiten der Compliance-Erklärung liegen der ESMA im Rahmen des sog. Q&A-Prozesses eine Reihe von Auslegungsfragen vor, zu denen aber noch keine Antwort vorliegt.

Unklar ist die Haftung aus dem prospektersetzenden Dokument. Das WpPG erstreckt die allgemeine Haftungsregelung für Prospekte auch auf prospektersetzende Dokumente, aber (noch) nicht auf die hier beschriebene neue Form. Eine entsprechende Anpassung war im Entwurf des Zukunftsfinanzierungsgesetzes II (ZuFinG II) vorgesehen, das aber noch nicht verabschiedet wurde. Die Ausgestaltung der Haftung aus dem prospektersetzenden Dokument ist also bis auf Weiteres unklar. Die Rechtsprechung mag sich mit der entsprechenden Anwendung etablierter Haftungsgrundätze behelfen. Dabei spricht einiges dafür, den Maßstab an die gesetzlich vorgegebenen Angaben und die Umfangsbegrenzung auf elf Seiten anzupassen. Ein entsprechender Wille des Gesetzgebers lässt sich aus Bestimmungen für Sonderformen von Prospekten in der EU-Prospektverordnung entnehmen.

Weitere wesentliche Erleichterungen

  • Bei einem öffentlichen Erstangebot (z. B. einem IPO) muss der Prospekt nur noch mindestens drei Arbeitstage vor dem Ende der Angebotsfrist der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen (bisher sechs).
  • Finanzintermediäre müssen Anleger, die Wertpapiere über sie erworben haben, über einen Prospektnachtrag auf elektronischem Weg bis zum Ende des ersten Arbeitstags nach Nachtragsveröffentlichung informieren (zuvor war dies gleichtätig erforderlich und die Möglichkeit der ausschließlichen Nutzung elektronischer Kommunikation nicht klar).
  • Neue Finanzinformationen im Rahmen der Regelberichterstattung des Emittenten müssen nicht mehr durch einen eigenen, gesondert zu billigender Nachtrag in den Prospekt eingefügt werden; sie können vorab durch Verweis in den Prospekt einbezogen werden.

Neue Prospektformate ab 2026 und weitere Erleichterungen

Weitere Änderungen im Prospektrecht werden erst 2026 anwendbar werden. Im Überblick sind dies insbesondere

Ab 5. März 2026:

  • Die Einführung neuer, vereinfachter Prospektformate für bereits börsennotierte Emittenten (EU-Folgeprospekt) sowie für kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) sowie Emittenten, die an einem KMU-Wachstumsmarkt notiert sind (EU-Wachstumsemissionsprospekt); für beide Formate gelten spezielle Seitenzahlbegrenzungen.

Ab 5. Juni 2026

  • Eine vorgeschriebene standardisierte Aufmachung und Reihenfolge der Prospektangaben und eine maximale Seitenzahl wird für Aktienprospekte eingeführt – wobei ein einheitliches Registrierungsformular sowie Prospekte ausgenommen sind, die auch für Angebote oder Privatplatzierungen in einem Nicht-EU-Staat verwendet werden sollen (wie etwa in den USA);
  • Zusätzlicher Angaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und zur Einhaltung von Nachhaltigkeitszielen werden verlangt.
  • Der Schwellenwert für prospektfreie Kleinangebote für 12 Monate wird von 8 Mio. Euro auf 12 Mio. Euro erhöht; wobei es auf den Gesamtgegenwert aller unter dieser Ausnahme angebotenen Wertpapiere ankommt; ein Wertpapierinformationsblatt muss aber weiterhin erstellt werden.

Fazit

Die erste Phase der Änderungen der EU-Prospektverordnung durch den Listing Act hat die Durchführung kleinerer Angebote und Zulassungen zum Börsenhandel erheblich erleichtert. Inwieweit sich die neue Form eines prospektersetzenden Dokuments durchsetzt, dürfte auch von der Klärung der Haftungsregelung abhängen – und davon, wie der Emittent im konkreten Fall den Informationsbedarf der Anleger einschätzt, insbesondere ob dieser angesichts der Umfangsbegrenzung auf 11 Seiten befriedigt werden kann. Inwieweit die Verwendung der neuen Form des prospektersetzenden Dokuments für Platzierungen an US-Investoren geeignet ist, erscheint zudem fraglich. Wünschenswert wäre zudem, dass die neue Bundesregierung bald die erforderlichen Anpassungen im nationalen Recht durch ein ZuFinG II auf den Weg bringt.

Bei den noch zu konkretisierenden neuen Formatvorgaben für Prospekte und die neuen Sonderformate wird von der noch ausstehenden konkreten Ausgestaltung in noch von der EU-Kommission zu erlassenden Rechtsakten auf Stufe 2 abhängen, inwieweit sie eine Erleichterung bewirken werden.


Zum Thema siehe auch

Zu Wertpapierprospekten

  • Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 5. Aufl. 2025, § 35, ISBN 978-3-504-40109-2

 

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