31.05.2023Fachbeitrag

Update Compliance 6/2023

Auf ein Neues: Justizministerkonferenz verlangt die Schaffung eines Unternehmenssanktionenrechts

Die Justizministerkonferenz der Länder fordert den Bundesjustizminister zur Vorlage eines Gesetzesentwurfs zur Unternehmenssanktionierung auf. Das derzeitige Recht reiche nicht aus, um eine effektive Strafverfolgung auch gegen Unternehmen zu gewährleisten. Mit dem Beschluss der Justizministerkonferenz nimmt die Debatte um die Einführung eines Verbandssanktionenrechts wieder Fahrt auf.

Mit dem Regierungsentwurf eines Verbandssanktionengesetzes und einer Stellungnahme des Bundesrates hierzu (Update Compliance Nr. 9/2020) endeten im Jahr 2020 die Aktivitäten der (Alt-) Bundesregierung um die Einführung eines "Unternehmensstrafrechts". Es folgte die Bundestagswahl, der seinerzeit vorgelegte Entwurf fiel dem Diskontinuitätsgrundsatz zum Opfer.

Die neue Regierungskoalition blieb in ihrem Koalitionsvertrag eher zurückhaltend hinsichtlich der Einführung eines "Unternehmensstrafrechts", doch jetzt erhält Bundesjustizminister Marco Buschmann aus Richtung der Justizministerkonferenz der Länder Druck: Er soll einen Gesetzentwurf zur Unternehmenssanktionierung vorlegen.

Im Beschluss der 94. Justizministerkonferenz heißt es, dass die Justizministerinnen und Justizminister der Auffassung seien, dass das geltende Recht für die Bekämpfung von Unternehmenskriminalität nicht in jeder Hinsicht ausreiche. Sie erkennen daher im Grundsatz einen Bedarf für die Ausweitung der Sanktionsmöglichkeiten. Dabei seien das Sanktionsinteresse und das Gebot einer effektiven Strafverfolgung miteinander in Einklang zu bringen. Die Erkenntnisse aus dem Gesetzgebungsverfahren der vorhergehenden Legislaturperiode böten eine geeignete Grundlage für die weiteren Überlegungen.

Die Überlegungen zur Einführung eines Verbandssanktionengesetzes nehmen damit wieder Fahrt auf. Die Gegner solcher Aktivitäten weisen darauf hin, dass Deutschland mit § 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes bereits eine ausreichende Möglichkeit habe, Unternehmen empfindlich zu sanktionieren. Die Befürworter sehen im Verfolgungszwang auch gegen Unternehmen sowie in eindeutigen Regelungen für interne Ermittlungen, Sanktionsmilderungsgründen für Unternehmen und die klare Definitionen von Monitorships einen erheblichen Vorteil für betroffene Unternehmen, Rechtssicherheit in Ermittlungsverfahren zu erlangen. Darüber hinaus wird in der Schaffung eines spezifischen Verbandssanktionenrechts eine Möglichkeit gesehen, Geschäftsführungsorgane von Unternehmen für das Erfordernis von Compliance und bestehende Sanktionsgefahren zu sensibilisieren.

Reicht die bestehende Rechtslage aus?

Zwar sieht bereits das geltende Recht eine Verbandsgeldbuße von bis zu 10 Millionen Euro zuzüglich Gewinnabschöpfung vor, wenn Unternehmensmitarbeiter Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mit Bezug zum Betrieb begehen. Diese Obergrenze wird allenthalben indes als nicht ausreichend angesehen; in Spezialgesetzen wie dem WpHG wird sie bereits heute nach oben durchbrochen.

Compliance-Verantwortliche in Unternehmen vermissen vor allem klare Regelungen zur Strafmilderung durch Compliance-Maßnahmen oder die Durchführung interner Ermittlungen. Derartige Regelungen hatte der Regierungsentwurf der Vorgänger-Bundesregierung vorgesehen. Dieser Entwurf fiel dem Ende der Legislatur zum Opfer, und die neue Bundesregierung hat die seinerzeit begonnene Arbeit nicht wieder aufgenommen.

Hintergrund: Die JuMiKo

Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister (kurz: JuMiKo) ist eine auf Dauer eingerichtete Fachkonferenz der Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Justizressorts der Länder. Zu ihren Tagungen sind auch die Bundesministerin oder der Bundesminister der Justiz sowie die Sekretärin oder der Sekretär des Rechtsausschusses des Bundesrates eingeladen.

Die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister befasst sich mit aktuellen rechtspolitischen Themen. Sie diskutiert drängende Fragen und Herausforderungen des Rechtsstaats und bedenkt die Belange der Justiz. Die Beschlüsse der JuMiKo haben keinen Rechtsetzungscharakter, jedoch setzt die Fachkonferenz mit ihren Diskussionen und Beschlüssen wichtige Impulse für die Justizpolitik des Bundes und der Länder.

Besteht Handlungsbedarf?

Akuter Handlungsbedarf für Unternehmen entsteht durch den Beschluss der JuMiKo zwar nicht. Freilich sind die aktuellen Gesetze zu beachten, die Aufsichts- und Organisationspflichtverletzungen - und dies sind Mängel in der Compliance-Organisation - mit Sanktionen bedrohen.

Die Rechtsprechung hat an verschiedenen Stellen Ansätze für die Sanktionierung von Compliance-Verstößen herausgebildet. Nur beispielhaft seien folgende Entscheidungen hervorgehoben:

  • So hat das OLG Nürnberg hat entschieden, dass die Geschäftsleitung eines Unternehmens dazu verpflichtet ist, für „kritische Prozesse“ ein Vier-Augen-Prinzip einzuführen (Update Compliance 19/22).
  • Das Landgericht München I hat in seiner "Neubürger-Entscheidung" die Pflicht des Vorstandes unterstrichen, bei entsprechender Gefährdungslage eine Compliance-Organisation einzurichten, die auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegt ist. Ist das Compliance-System mangelhaft oder wird es nur unzureichend überwacht, liegen danach Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder auf der Hand (Update Compliance 169).
  • Der Bundesgerichtshof hat der Frage, wie Compliance Management Systemen ausgestaltet sind, Relevanz für die Bemessung der Verbandsgeldbuße beigemessen (Update Compliance Nr. 18/2017).
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