19.12.2018Fachbeitrag

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Hemmungslos – Bundesverfassungsgericht hält Durchsuchungen von Kanzleien für verfassungsgemäß

Waren Durchsuchungen in Anwaltskanzleien bis vor Kurzem noch Tabu, sinken die Hemmschwellen für strafprozessuale Maßnahmen gegen Rechtsanwälte 2019 weiter. Denn das Bundesverfassungsgericht ist seit dem „Dieselskandal“ der Auffassung, dass Durchsuchungen von Kanzleien mit dem Grundgesetz vereinbar seien.

Anlässlich der Aufklärung des Dieselskandals durchsuchte die Staatsanwaltschaft München II die Büroräume der internationalen Anwaltskanzlei Jones Day und stellte Unterlagen und elektronische Daten sicher. Diese war im September 2015 von der Volkswagen AG für die Durchführung interner Ermittlungen und rechtlicher Beratungen insbesondere gegenüber den US-Strafverfolgungsbehörden mandatiert worden.

Die Beschwerde der Kanzlei wurde bereits mangels Beschwerdebefugnis abgelehnt. Als US-amerikanische Kanzlei handele es sich nicht um eine inländische juristische Person im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG, denn ihr Hauptverwaltungssitz befinde sich nicht in Deutschland oder einem anderen EU-Mitgliedstaat. Der Münchener Standort sei lediglich eine rechtlich unselbständige Niederlassung.

Auch die drei beschwerdeführenden Anwälte seien nicht in ihren Grundrechten verletzt. Art. 13 Abs. 1 GG schütze im Zusammenhang mit Geschäftsräumen nur den Unternehmer, nicht den einzelnen Arbeitnehmer. Ein Partner einer Sozietät sei zwar Mitinhaber, das Nutzungsrecht stehe den Partnern jedoch nur gemeinschaftlich zu, sodass einer alleine es nicht geltend machen könne. Der einzelne Arbeitnehmer sei nur dann beschwerdebefugt, wenn substantiiert vorgetragen würde, dass die Geschäftsräume zugleich als individueller Rückzugsbereich dienten. Dies sei vorliegend nicht der Fall gewesen. Auch eine Verletzung des Art. 12 GG, Art. 2 GG oder des „fair trial-Grundsatzes“ vermochte das BVerfG nicht zu erkennen.

Hinsichtlich der Beschwerde der Volkswagen AG nahm das BVerfG zwar einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung durch die Beschlagnahme von Dokumenten aus den internen Ermittlungen an, hält den Eingriff jedoch für gerechtfertigt. Das Verbot, Ermittlungsmaßnahmen gegen Rechtsanwälte durchzuführen (§ 160a StPO), sei auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen nicht anwendbar. Denn: Bezüglich Beschlagnahmen existiere mit § 97 StPO eine Spezialvorschrift, die nicht jedes Mandatsverhältnis schütze, sondern nur das Verhältnis zwischen Anwalt und Beschuldigten. Volkswagen sei aber kein Beschuldigter. Da Beschlagnahmen nicht verboten seien, dürften auch darauf gerichtete Durchsuchungen nicht verboten sein. Sonst würde das Beschlagnahmerecht ad absurdum geführt.

Die Positionen des Landgerichts München I und des BVerfG sind angreifbar. Schutzmaßnahmen gegen Ermittlungsmaßnahmen sollten deshalb keinesfalls unterlassen werden. In Einzelfällen – etwa bei drohenden Verbandsgeldbußen – kann das Durchsuchungsverbot in Bezug auf Rechtsanwälte greifen. Entscheidend ist, dass Unternehmen bei internen Untersuchungen die Rechtsprechung des BVerfG berücksichtigen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen.

Ihre Ansprechpartner sind die Experten aus der Praxisgruppe Wirtschafts- und Steuerstrafrecht. Dr. André-M. Szesny, LL.M. und sein Team sind spezialisiert auf Compliance, Unternehmensstrafrecht und interne Ermittlungen.

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