Steuerfahndung nimmt Influencer ins Visier – LBF NRW intensiviert Ermittlungen gegen Steuerhinterziehung im digitalen Raum
Update Compliance 8/2025
Mit einem klaren Signal an eine neue Zielgruppe zeigt das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität NRW (LBF NRW), wie konsequent die Finanzverwaltung gegen Steuerstraftaten im digitalen Raum vorgeht. Über 6.000 Datensätze von Social-Media-Plattformen werden derzeit ausgewertet, mit einem mutmaßlichen steuerstrafrechtlichen Volumen von rund 300 Millionen Euro. Das sogenannte "Influencer-Team" des LBF NRW führt derzeit bereits rund 200 Strafverfahren gegen Social-Media-Akteure in NRW – Tendenz steigend. Im Fokus stehen professionelle Influencer, die mit Werbeeinnahmen, Abos und Plattformvergütungen teils monatlich fünfstellige Beträge erzielen, ohne diese gegenüber dem Finanzamt zu erklären. Teilweise bedienen sich die Betroffenen komplexer Auslandskonstruktionen, um ihre steuerliche Ansässigkeit in Deutschland zu verschleiern. Die Pressemeldung des LBF NRW vom 17. Juli 2025 verdeutlicht: Die Behörden verfügen über ausgefeilte Ermittlungsmethoden, internationale Kooperationen und einschlägige Expertise. Und: Auch andere Länder übernehmen nun die nordrhein-westfälischen Methoden.
Strafbarkeitsrisiken: Was droht bei nicht erklärten Einkünften?
Die Einkünfte von Influencern sind vielfältig: Vergütungen für Klicks, Produktplatzierungen, Abo-Modelle, digitale Trinkgelder oder Verkäufe über Plattformen. Unabhängig von der Plattform oder Art der Einkünfte gilt: Wer steuerpflichtige Einkünfte erzielt, muss diese in der Steuererklärung vollständig angeben, da damit regelmäßig Einkommensteuer, Umsatzsteuer oder ggf. auch Gewerbesteuer anfallen. Andernfalls drohen – je nach Einzelfall – empfindliche Sanktionen.
Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO)
Wer seine steuerlichen Pflichten verletzt, sieht sich schnell dem Vorwurf der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ausgesetzt. Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn
- gegenüber den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht werden (Nr. 1), oder
- die Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen pflichtwidrig in Unkenntnis gelassen werden (Nr. 2)
und hierdurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden.
Werden mithin in den Steuererklärungen der Influencer Einnahmen aus Werbekooperationen, Produktverkäufen, Klicks, Affiliate-Links etc. nicht angegeben und damit Einkünfte gar nicht oder zu gering erklärt, können darin unrichtige Angaben oder ein pflichtwidriges In-Unkenntnis-Lassen im Sinne des § 370 AO liegen. Auf subjektiver Ebene setzt der Tatbestand der Steuerhinterziehung vorsätzliches Handeln voraus. Davon scheint die Finanzverwaltung in diesen Fällen regelmäßig auszugehen, so heißt es in der Pressemeldung:
„Da geht es nicht um Überforderung mit plötzlichem Ruhm, sondern um immense Steuerhinterziehung mit Wissen und Willen.“
Die strafrechtlichen Folgen sind erheblich: Es drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen von bis zu zehn Jahren.
Kann dem Influencer ein vorsätzliches Handeln nicht nachgewiesen werden, so kommt eine Ordnungswidrigkeit wegen leichtfertiger Steuerverkürzung gemäß § 378 AO in Betracht. Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist, obwohl sich ihm aufdrängen musste, dass dadurch eine Steuerverkürzung eintreten wird. Auch eine solche Ahndung bleibt ein ernstzunehmendes Risiko, da auch hier empfindliche Bußgelder drohen. Die bloße Berufung auf Unwissenheit („Das wusste ich nicht“) schützt nicht automatisch vor Sanktionen.
Möglicher Ausweg: Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige nach § 371 AO
Unter Umständen bietet es sich an, eine strafbefreiende Selbstanzeige abzugeben. Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht nach § 370 bestraft. Eine solche Selbstanzeige wirkt jedoch nur dann strafbefreiend, solange die Tat noch nicht entdeckt ist. Zudem müssen darüber hinaus alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein, unter anderem die fristgerechte Nachzahlung der hinterzogenen Steuern zzgl. Zinsen. Aufgrund dessen erfordert eine Selbstanzeige spezifische juristische und steuerliche Beratung. Fehler können die strafbefreiende Wirkung gefährden.
Praxishinweis
Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass steuerstrafrechtliche Risiken im digitalen Raum – insbesondere bei professionell betriebenen Social-Media-Aktivitäten – kein Randphänomen mehr sind. Die Finanzverwaltung agiert zunehmend datenbasiert, koordiniert und mit erheblicher Durchsetzungskraft.
Auch bei bislang fehlender finanzbehördlicher Kontaktaufnahme besteht kein Anlass zur Sorglosigkeit. Hohe mediale Sichtbarkeit, regelmäßige Einnahmen und grenzüberschreitende Strukturen können bereits ausreichen, um in den Fokus steuerstrafrechtlicher Ermittlungen zu geraten. In derartigen Strafverfahren können auch Durchsuchungen oder Haftbefehle drohen. In diesem Fall sollte unter allen Umständen ein spezialisierter Rechtsanwalt eingeschaltet werden.
Um ein solches Steuerstrafverfahren zu umgehen, sollte mit einer strafbefreienden Korrektur nicht gezögert werden: Eine wirksame Selbstanzeige ist nur vor Tatentdeckung möglich und muss strenge gesetzliche Anforderungen erfüllen. Ohne fundierte steuerstrafrechtliche Beratung droht schnell der Verlust der Strafbefreiung.