13.11.2018Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht / M&A November 2018

Nichtigkeit des Beschlusses über die Einziehung eines GmbH-Geschäftsanteils

BGH, Urteil vom 26.6.2018 – II ZR 65/16

Steht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einziehung eines Geschäftsanteils fest, dass das freie Vermögen der Gesellschaft zur Bezahlung des Einziehungsentgelts nicht ausreicht, ist der Einziehungsbeschluss auch dann nichtig, wenn die Gesellschaft über stille Reserven verfügt, deren Auflösung ihr die Bezahlung des Einziehungsentgelts ermöglichen würde.

Einziehungsentgelt: Nur aus freiem Vermögen

Der BGH hat in Fortführung seiner Rechtsprechung in dem vorliegenden Urteil klargestellt, dass ein Gesellschafterbeschluss in einer GmbH über die Einziehung von Geschäftsanteilen unwirksam ist, wenn das freie Vermögen der Gesellschaft erst nach Auflösung stiller Reserven zur Zahlung des Einziehungsentgelts ausreichen würde.

Zwangsweise Einziehungsregelung gemäß Satzung bei Verstoß gegen Gesellschafterpflichten

Dem Urteil liegt ein Anspruch eines GmbH-Gesellschafters gegen die Gesellschaft auf Zahlung des Einziehungsentgelts zugrunde. Aufgrund der Verletzung von Gesellschafterpflichten hatte die Gesellschafterversammlung gemäß der entsprechenden Einziehungs-Regelung in der Satzung beschlossen, den Geschäftsanteil zwangsweise einzuziehen. Bereits zu dem Zeitpunkt der Fassung des Gesellschafterbeschlusses war sicher, dass die GmbH nicht in der Lage sein würde, das Einziehungsentgelt aus freiem Vermögen bei bilanzieller Sichtweise zu zahlen. Jedoch verfügte die Gesellschaft über stille Reserven. Diese überstiegen das geschuldete Einziehungsentgelt deutlich und hätten bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Auszahlung ermöglicht.

Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses

In seinem aktuellen Urteil verneint der BGH den Anspruch des Gesellschafters auf Zahlung des Einziehungsentgelts. Der Gesellschafterbeschluss zur Einziehung sei wegen des nur unzureichenden freien Vermögens der Gesellschaft entsprechend § 241 Nr. 3 AktG (Verstoß gegen Gläubigerschutzvorschriften) nichtig.

Bilanzielle Betrachtung: Vorhandene stille Reserven sind unbeachtlich

Der BGH führte aus, dass sich die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses nicht damit begründen lasse, dass die Gesellschaft über genügend stille Reserven verfüge, deren Auflösung für sie zumutbar sei. Voraussetzung für die Wirksamkeit des Einziehungsbeschlusses sei in Anwendung von § 30 Abs. 1 und § 34 Abs. 3 GmbHG der Grundsatz der Kapitalerhaltung und damit der Schutz der Gesellschaftsgläubiger. Auszahlungen an (ausgeschiedene) Gesellschafter dürften nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen. Die bloße Möglichkeit einer Auflösung stiller Reserven stehe einer hinreichenden Ausstattung der Gesellschaft mit ungebundenem Vermögen nicht gleich. Die Beurteilung bestimme sich nicht nach Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz; stille Reserven fänden dabei keine Berücksichtigung.

Kapitalerhaltungsregeln sind zu beachten

Das Recht der GmbH enthält strenge Vorschriften zur Erhaltung des Stammkapitals. Die Kapitalerhaltungsregeln gelten insbesondere für Abfindungszahlungen infolge der Einziehung von Geschäftsanteilen. Die zwangsweise Einziehung von Geschäftsanteilen gehört wiederum zu den für den auszuschließenden Gesellschafter schärfsten Maßnahmen. Eine spätere gerichtliche Auseinandersetzung über die Wirksamkeit der Beschlussfassung und etwaiger Folgen der Einziehung kommt in der Praxis nicht selten vor. Verstöße gegen die Grundsätze der Kapitalerhaltung ziehen jedenfalls die Nichtigkeit des entsprechenden Beschlusses nach sich, wenn bereits bei dessen Fassung feststeht, dass das Einziehungsentgelt nicht aus dem freien Vermögen gezahlt werden kann.

Fazit

Vor der Fassung eines Beschlusses zur Einziehung von Geschäftsanteilen an einer GmbH sollte aus Gründen der Rechtssicherheit in jedem Fall eine stichtagsbezogene Handelsbilanz der Gesellschaft erstellt werden. Dadurch lässt sich feststellen, ob die GmbH über ausreichend freies Vermögen für die Zahlung des Einziehungsentgelts verfügt. Relevant sind hierfür nur die Buchwerte, nicht hingegen die Verkehrswerte. Stille Reserven haben außer Betracht zu bleiben.

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