28.06.2017Fachbeitrag

zuerst erschienen in Platow Recht am 28. Juni 2017

Abberufung nach Vertrauensentzug gegenüber Vorstandsmitgliedern in der AG

Der Hauptversammlungsbeschluss einer AG, einem Vorstandsmitglied das Vertrauen zu entziehen, stellt einen wichtigen Grund zur Abberufung dar. Der BGH hat nun klargestellt, dass es auf die dem Vertrauensentzug im Einzelnen zugrunde liegenden Umstände nicht maßgeblich ankommt. Dies gilt auch, wenn sich die Gründe für den Vertrauensentzug im Nachhinein als nicht zutreffend erweisen. Das Urteil sorgt in der Praxis für mehr Rechtssicherheit, sagen Michael Sörgel und Patrick Müller, Gesellschaftsrechtsexperten im Düsseldorfer Büro von Heuking Kühn Lüer Wojtek.

Der Aufsichtsrat einer AG kann die Bestellung eines Vorstandsmitglieds gemäß § 84 Abs. 3 S. 1 AktG widerrufen, sofern hierfür im Einzelfall ein wichtiger Grund besteht. Ein solcher Grund besteht gemäß § 84 Abs. 3 S. 2 AktG unter anderem im Falle eines Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist. Der BGH hat diese gesetzlichen Vorgaben nun in seinem Urteil vom 15. November 2016 konkretisiert.

In dem vom BGH entschiedenen Fall wurde dem Vorstand in einer außerordentlichen Hauptversammlung das Vertrauen entzogen. Hintergrund war, dass der Vorstand in die Angebotsunterlagen der AG im Zusammenhang mit dem Bau eines Großflughafens bestimmte Informationen nicht aufgenommen hatte. Noch am Tag der Hauptversammlung beschloss der Aufsichtsrat den Widerruf der Vorstandsbestellung. Der betroffene Vorstand reichte eine Feststellungsklage gegen den Abberufungsbeschluss mit der Begründung ein, dass der Widerruf unsachlich und ohne Nennung konkreter Gründe willkürlich sei.

Widerruf benötigt kein schuldhaftes Verhalten

In der Revisionsinstanz hat der BGH das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung führt der BGH aus, dass ein Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung nicht schon dann offenbar unsachlich oder willkürlich sei, wenn sich die Gründe für den Vertrauensentzug als nicht zutreffend erweisen. Der wichtige Grund für den Bestellungswiderruf liege vielmehr (bereits) allein in der Tatsache des Vertrauensentzugs durch die Hauptversammlung. Dies wiederum erfordere weder ein pflichtwidriges, noch ein schuldhaftes Vorstandsverhalten.

Gelange die Hauptversammlung zu der Auffassung, dass ein Vorstand wegen bestimmter Vorgänge nicht mehr tragbar sei, lasse sich dem darauf beruhenden Vertrauensentzug auch dann nicht die Bedeutung eines wichtigen Grundes gemäß des Ausschlusstatbestands des § 84 Abs. 3 S. 2 Alt. 3 AktG absprechen, wenn dem Vorstandsmitglied kein Vorwurf zu machen war.

Zur Begründung verweist der BGH auf den Wortlaut der Norm, wonach der Widerruf einer Bestellung wegen Vertrauensentzugs ausnahmsweise nur dann ausscheide, wenn dieser Entzug aus offenbar unsachlichen Gründen erfolgt sei. Dies sei nur im Falle eines rechtswidrigen, etwa willkürlichen sitten- bzw. treuwidrigen, Entzugs des Vertrauens der Fall. Für den Beweis eines solchen Ausnahmetatbestandes sei wiederum das betroffene Vorstandsmitglied beweispflichtig. Der Vertrauensentzug sei allerdings nach Auffassung des BGH schon dann nicht willkürlich, wenn die Hauptversammlung ohne Willkür (irrtümlich) davon ausgehen durfte, dass sachliche Gründe für den Vertrauensentzug vorliegen.
Der BGH bestätigte zudem, dass ein Hauptversammlungsbeschluss, mit welchem einem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzogen wird, keiner Begründung bedarf. Zur Begründung wird auf die Grundregel verwiesen, dass ein Hauptversammlungsbeschluss grundsätzlich keiner Begründung bedarf. Dem Wortlaut des § 84 Abs. 3 AktG lasse sich insofern auch keine diesbezügliche Ausnahme entnehmen.
Auch eine vorherige Anhörung des Vorstands sei nach Ansicht des BGH keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Widerruf der Vorstandsbestellung. Insbesondere fänden die arbeitsrechtlichen Rechtsprechungsgrundsätze zur Verdachtskündigung keine Anwendung auf den Bestellungswiderruf, wenn dieser nicht wegen dem Verdacht einer Straftat, sondern allgemein aufgrund nicht länger bestehenden Vertrauens in das Vorstandsmitglied erfolgt.

Ohne Vertrauen keine erfolgreiche Zusammenarbeit

Als Fazit lässt sich festhalten, dass der BGH mit dieser Entscheidung die Grundsätze für den Widerruf einer Vorstandsbestellung wegen Vertrauensentzugs präzisiert und dementsprechend mehr Rechtssicherheit in dieser Frage schafft. Im Zentrum der Entscheidung steht die Auffassung des BGH, dass ein bestehendes Vertrauensverhältnis essentiell für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Organen einer AG ist. Entzieht die Hauptversammlung dem Vorstand dieses Vertrauen, unterliegt diese Entscheidung keinem Begründungszwang. Auch eine vorherige Anhörung des Vorstands ist nicht erforderlich. Tendenzen den Ausnahmetatbestand des § 84 Abs. 3 S. 2 3. Alt. auszudehnen, erteilt der BGH eine klare Absage. Die Grenze wird mithin zukünftig bei einem Verstoß gegen das Willkürverbot zu ziehen sein.

Verfahrensrechtlich ist zu beachten, dass die Abberufung wegen Vertrauensentzug grundsätzlich einen Beschluss der Hauptversammlung erfordert. Gemäß § 84 Abs. 3 S. 4 AktG ist der Widerruf der Vorstandsbestellung zunächst wirksam, bis seine Unwirksamkeit rechtskräftig festgestellt worden ist. Damit obliegt es dem abberufenen Vorstandsmitglied, gegen den Widerruf zu klagen.

Quelle: www.platow.de

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