BGH schafft Klarheit zu Auskunftsanspruch
Der Beitrag wurde am 22. September im Versicherungsmonitor erstveröffentlicht.
Wenn Versicherungsvertreter ihre Vertriebstätigkeit für einen Versicherer beenden, kommt es immer wieder zum Streit darüber, ob und in welchem Umfang der Vertreter die von ihm vereinnahmten Provisionen während der Stornohaftungszeit zurückzahlen muss – und welche Auskünfte der Versicherer zu den stornierten Verträgen schuldet. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich klargestellt, dass der ausgeschiedene Vertreter zwar Auskunft zu sogenannten Ersatzverträgen des Versicherers verlangen kann, sein Auskunftsanspruch aber nicht grenzenlos ist.
Die Fülle gerichtlicher Entscheidungen zeigt, dass es beim Ausscheiden eines Versicherungsvertreters immer wieder zu Konflikten mit dem Versicherer kommt. Ein häufiger Streitpunkt sind dabei Provisionsrückforderungen für Versicherungsverträge, die während der Stornohaftungszeit beendet werden.
Dem Versicherungsvertreter wird die Abschlussprovision für einen vermittelten Versicherungsvertrag zwar üblicherweise sofort in voller Höhe ausgezahlt. Gemäß Paragraf 49 Absatz 1 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) müssen Versicherer aber sicherstellen, dass bei der Kündigung des Versicherungsvertrags, beim Ruhendstellen der Leistungen oder im Falle einer Prämienfreistellung in den ersten fünf Jahren nach Vertragsschluss die für die Vermittlung eines Kranken-, Lebens- oder Restschuldversicherungsvertrags angefallene Provision nur bis zur Höhe desjenigen Betrags einbehalten wird, der bei gleichmäßiger Verteilung der Provision über die ersten fünf Jahre seit Vertragsschluss angefallen wäre.
Die Provision, die dem Vermittler vorschüssig gutgeschrieben wurde, ist somit erst dann endgültig verdient, wenn der vermittelte Versicherungsvertrag die Stornohaftungszeit von fünf Jahren überdauert und nicht etwa vor Ablauf des vereinbarten Zeitraums beendet oder ruhend beziehungsweise beitragsfrei gestellt wird.
Informationsdefizit des Vertreters
Deshalb wird in den Handelsvertreterverträgen der Versicherungsvertreter gewöhnlicherweise geregelt, dass die ausgezahlten Provisionen für die Stornohaftungszeit unter dem Vorbehalt einer Rückforderung stehen. Während der Stornohaftungszeit haftet der Vertreter bei Vertragsstornierungen, die trotz hinreichender Nachbearbeitungsbemühungen nicht abwendbar waren, auf Erstattung der vollen oder anteiligen Provision.
Der Versicherer kann die vorschüssig gezahlten Provisionen auch dann noch vollständig oder anteilig zurückfordern, wenn das Stornoereignis in die Zeit nach dem Ausscheiden des Handelsvertreters fällt. Wird ein von dem Vertreter vermittelter Versicherungsvertrag nach dessen Ausscheiden beendet, vermutet der Vertreter dahinter daher oft eine Umdeckung durch den Versicherer. Damit sind die Fälle gemeint, in denen der Versicherungsnehmer auf Betreiben des „neuen“ Versicherungsvertreters, der den Versicherungsbestand weiterführt, einen Ersatzvertrag über dasselbe Risiko abschließt, während der alte Versicherungsvertrag gekündigt oder beitragsfrei gestellt wird.
Solche Umdeckungen führen zwar nicht zum Wegfall der Provision, da der Versicherer die Provision dann nicht zurückverlangen kann, wenn die Nichtausführung des Vertrags auf Umständen beruht, die der Versicherer zu vertreten hat. Da der ausgeschiedene Vertreter jedoch die Hintergründe für das Storno nicht kennt, lässt sich dies für ihn in der Regel nicht beurteilen.
Auskunft zur Vorbereitung des Provisionsanspruchs …
So erging es auch dem Versicherungsvertreter, der in dem vom BGH mit Urteil vom 24. Juli 2025 (Az. VII ZR 176/24) entschiedenen Fall im Klageweg Auskunft darüber verlangte, ob Versicherungsnehmer nach der Beendigung der von ihm vermittelten Verträge bei dem beklagten Versicherer oder einer Konzerngesellschaft neue Verträge über dasselbe Risiko abgeschlossen haben.
Der Vertreter machte geltend, dass er die Auskunft benötige, um prüfen zu können, ob der Versicherer den von ihm betreuten Versicherungsbestand auf neue Vermittler übertragen habe, die dann auf die Versicherungsnehmer zugegangen seien und sie zu einer sogenannten Umdeckung veranlasst hätten. Der Abschluss eines „Ersatzvertrags“ würde ein sich aus den Büchern des Versicherers ergebendes Indiz dafür darstellen, ob er seinen Provisionsanspruch nicht ausnahmsweise deshalb behält, weil ein Fall einer sogenannten Umdeckung vorliegt.
Der Bundesgerichtshof gab dem Vertreter recht und gestand ihm zu, die begehrten Auskünfte zur Prüfung seiner Provisionsansprüche zu erhalten.
Der Handelsvertreter könne gemäß Paragraf 87c Abs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB) Auskunft über alle Umstände verlangen, die für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und seine Berechnung wesentlich seien. Wie der Buchauszug solle auch der Auskunftsanspruch nach § 87c Abs. 3 HGB dem Handelsvertreter ermöglichen, sich über seine Provisionsansprüche Klarheit zu verschaffen und die ihm vom Unternehmer erteilten oder noch zu erteilenden Provisionsabrechnungen zu überprüfen. Da die Auskunft zu den Ersatzverträgen dazu diene, zu erkennen, ob ein Fall unzulässiger Umdeckung vorliege und der Provisionsanspruch damit bestehen bleibe, diene die Auskunft der Kontrolle der Provisionsansprüche.
… aber begrenzt auf Verträge mit Provisionsbelastung
Allerdings könne der Vertreter nur Auskunft für Ersatzverträge verlangen, die im Zusammenhang mit Provisionsrückbelastungen stünden, entschied der Gerichtshof. Nur wenn der Versicherer für einen stornierten Vertrag eine Provisionsrückforderung geltend mache, berühre die Umdeckung den Provisionsanspruch des Vertreters und es bestehe der geltend gemachte Prüfbedarf. Die Auskunft dürfe sich daher nur auf Verträge beziehen, die während der Stornohaftungszeit gekündigt oder in der Beitragszahlung eingeschränkt worden seien, und für die der Versicherer Provisionsrückzahlungen verlange.
Fazit
Die Entscheidung des BGH überzeugt und macht noch einmal deutlich, dass der Auskunftsanspruch des Versicherungsvertreters kein Selbstzweck, sondern ein Kontrollinstrument ist, das dem Vertreter die Möglichkeit geben soll, sich Klarheit über seine Provisionsansprüche zu verschaffen. Konsequenterweise hängt der Umfang der geschuldeten Auskunft daher davon ab, ob und in welchem Umfang Provisionsbelastungen zulasten des Handelsvertreters erfolgt sind. In diesem Rahmen schuldet der Versicherer dann aber auch Auskunft zu solchen Umständen, die den Provisionsanspruch des Vertreters trotz des Stornos eines von ihm vermittelten Vertrags ausnahmsweise erhalten.
Mit der Entscheidung schafft der BGH damit Klarheit und Rechtssicherheit, welche Auskünfte ausgeschiedene Vertreter zu Ersatzverträgen verlangen können – und welche Auskünfte nicht.