Beraterhaftung: Entscheidend ist der Auftrag
Der Beitrag wurde am 2. Dezember im Versicherungsmonitor erstveröffentlicht.
Verursacht ein Anwalt oder Steuerberater einen Vermögensschaden, bringt die unrichtige Beratung häufig nicht nur Nachteile, sondern auch Vorteile mit sich, die im Rahmen eines Gesamtvermögensvergleichs schadenmindernd angerechnet werden müssen. Ein Blick in die Fallpraxis zeigt, dass immer dann Unsicherheit entsteht, wenn die Vorteile nicht dem Mandanten, sondern einem Dritten zugutekommen. Dabei sind bei konsequenter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung trennscharfe Differenzierungen möglich.
Die Anforderungen an die Sorgfaltspflichten von rechtlichen Beratern sind hoch. Rechtsanwälte und Steuerberater sind zur allgemeinen, umfassenden und erschöpfenden Beratung ihrer Mandanten verpflichtet. Nicht jede Fehlberatung zieht indes einen Vermögensschaden nach sich: Der Mandant ist erst geschädigt, wenn sich seine Vermögenslage „unterm Strich“ schlechter als ohne die Pflichtverletzung darstellt, die dem Berater vorgeworfen wird.
Ausgangspunkt jeder Schadenberechnung ist dabei die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem rechnerischen Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis bestünde. Erforderlich ist deshalb ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen erfasst.
Erst eine Gesamtschau von nachteiligen und vorteilhaften Vermögensänderungen ergibt dabei den begründeten Schadenersatz. Auch Vorteile, die unmittelbare Folge des haftungsbegründenden Ereignisses sind, die also zwangsläufig mit den negativen Folgen der Pflichtverletzung zusammenhängen, sind in die Schadensberechnung einzubeziehen.
Grundsätze der konsolidierten Schadensbetrachtung
Als Bezugspunkt des Gesamtvermögensvergleichs dient dabei das Vermögen des Geschädigten, weshalb der haftpflichtige Berater grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat. Die Auswirkungen einer Fehlberatung auf Dritte sind hingegen nicht zu berücksichtigen, und der Berater kann sich deshalb nicht darauf berufen, dass bei Dritten Vorteile entstanden sind.
Von dieser formalen Betrachtungsweise gibt es aber Ausnahmen, in denen der Schaden über verschiedene Rechtsträger hinweg konsolidiert werden muss. Ob eine konsolidierte Schadensbetrachtung geboten ist, richtet sich nach dem konkreten Auftrag, den der Mandant dem Berater erteilt hat. Wenn der Mandant die Berücksichtigung der Interessen eines Dritten zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen.
Probleme in der Praxis
Die konsolidierte Schadenbetrachtung lässt sich gewissermaßen als Spiegelbild einer Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Beratungsvertrags beschreiben. Immer dann, wenn die von einem Berater zu erbringende Leistung auch dazu bestimmt ist, einem Dritten Schutz vor möglichen Vermögensschäden zu vermitteln, ist es nur folgerichtig, dass die Schadenberechnung ebenfalls unter Berücksichtigung des Vermögens des Dritten erfolgt.
Ausgehend von diesem Grundsatz können sich bei auf den ersten Blick ähnlichen Fallkonstellationen unterschiedliche Ergebnisse ergeben.
Das einem Steuerberater erteilte Lohnbuchhaltungsmandat ist beispielsweise nicht darauf gerichtet, auch die Vermögensinteressen der Mitarbeiter der Mandantin zu berücksichtigen. Entsteht der Mandantin ein Schaden dadurch, dass sie aufgrund einer fehlerhaften sozialversicherungsrechtlichen Einordnung ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer mit Nachzahlungsverpflichtungen konfrontiert ist, können die aus den Nachzahlungen ergebenden Vorteile für diese Mitarbeiter daher nicht schadenmindernd angerechnet werden (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 8. April 2022, Az. 25 U 42/20).
Anders kann es sich aber darstellen, wenn dem Steuerberater ein Auftrag zur gesellschaftsrechtlichen Gestaltung erteilt wird, der die Befreiung der Gesellschafter-Geschäftsführer von der Sozialversicherungspflicht zum Ziel hat. In diesem Fall sind auf Nachzahlungsverpflichtungen der Mandantin diejenigen Vorteile anzurechnen, die den Gesellschafter-Geschäftsführern aufgrund der fehlerhaften Beratung entstanden sind (Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 16. Januar 2014, Az. 8 U 7/13).
Diese Beispiele zeigen, dass sich die vielfältigen Fallkonstellationen einer Drittbetroffenheit fremder Vermögensmassen in der Beraterhaftung bei konsequenter Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung und einer Orientierung am Mandatsgegenstand gut in den Griff kriegen und klare Ergebnisse finden lassen.