01.10.2014Fachbeitrag

Update Kapitalmarktrecht 014

BGH zu Hauptversammlungszuständigkeit für Übernahme von gegen Vorstandsmitglieder verhängten Geldsanktionen durch die Gesellschaft

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einer jüngst ergangenen Entscheidung zur Frage der Erforderlichkeit einer Zustimmung der Hauptversammlung bei der Übernahme von gegen Vorstände verhängten Geldsanktionen durch die Gesellschaft geäußert (Az.: II ZR 174/13). In seinem amtlichen Leitsatz stellt der BGH fest, dass die Hauptversammlung der Übernahme einer gegen ein Vorstandsmitglied verhängten Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen muss, wenn das Vorstandsmitglied durch die Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine Aktiengesellschaft, verlangte von Ihrem ehemaligen Vorstandsmitglied Rückzahlung eines gekündigten Darlehens. Gegen den Beklagten lief zu Zeiten, als dieser noch Organ der Klägerin war, ein Ermittlungsverfahren zu Handlungen, die der Beklagte in Ausübung seiner Geschäfts-tätigkeit als Vorstand der Klägerin vorgenommen hatte. Ende 2005 hoben die Parteien den Anstellungsvertrag des Beklagten auf. Im Aufhebungsvertrag vereinbarten die Parteien u.a., dass die Klägerin, für den Fall, dass das Ermittlungsverfahren mit Geldsanktionen für den Beklagten verbunden sein sollte, diese, soweit dies rechtlich zulässig ist, übernehmen werde. Anfang 2007 gewährte die Klägerin dem Beklagten ein Darlehen zur Begleichung der ihm im Ermittlungsverfahren nach § 153a StPO auferlegten Geldbuße. Dieses Darlehen hatte die Klägerin in der Folgezeit gekündigt und den Beklagten zur Rückzahlung nebst Zinsen aufgefordert. Die Klage hatte erstinstanzlich keinen Erfolg. Die gegen das erstinstanzliche Ur-teil gerichtete Berufung der Klägerin wurde vom Oberlandes-gericht mit dem Argument zurückgewiesen, es hätte keines Verzichtsbeschlusses der Hauptversammlung der Klägerin bedurft. Dass der Aufsichtsrat in einem Beschluss kurz vor Gewährung des Darlehens gegen eine Übernahme der Geld-buße votiert habe, habe die bereits im Aufhebungsvertrag begründete Verpflichtung zur Übernahme der Geldauflage nicht aufheben können.

Entscheidung des BGH

Dieser Argumentation ist der BGH nicht gefolgt. Zunächst stellt der BGH fest, dass ein Verzicht auf die Darlehensrückzahlung nicht schon wegen Begünstigung oder Strafvereitelung nach §§ 257, 258 StGB verboten sei, da die Zahlung einer fremden Geldstrafe oder die Übernahme einer fremden Geldauflage diese Straftatbestände nicht verwirkliche.
Sodann befasst sich der BGH mit der im Schrifttum umstrittenen Frage, ob die Übernahme einer Geldsanktion vom Aufsichtsrat allein beschlossen werden kann.

Mit der herrschenden Meinung in der Literatur verneint der BGH dies für den Fall, dass die vom Vorstandsmitglied begangene Straftat zugleich eine Pflichtverletzung gegenüber der Aktiengesellschaft darstellt. In diesem Fall müsse die Hauptversammlung der Übernahme einer Sanktion durch die Gesellschaft zustimmen.

Auf die Erstattung einer Strafsanktion durch die Gesellschaft sei § 93 AktG anzuwenden. Dieser solle ausschließen, dass der Vorstand durch eine pflichtwidrige Handlung der Gesellschaft dauerhaft einen Nachteil zufügt. Ersetze die Gesellschaft dem Vorstand eine strafrechtliche Sanktion, die für ei-ne Handlung verhängt werde, die gleichzeitig gegenüber der Gesellschaft pflichtwidrig sei, füge sie sich einen Nachteil zu, den eigentlich der Vorstand zu tragen habe.

Einen solchen Vermögensnachteil für die Gesellschaft könne der Aufsichtsrat nicht ohne Zustimmung der Hauptversammlung beschließen. Er sei nach den Grundsätzen der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH (BGH NJW 1997, 1926 ff.) in der Regel sogar verpflichtet, Ansprüche we-gen einer vom Vorstand begangenen Pflichtverletzung zu ver-folgen. Die Übernahme einer Geldsanktion durch die Gesellschaft gehe über das in Ausnahmefällen zum Wohl der Gesellschaft mögliche Absehen von der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen hinaus, da sie sich nicht in passivem Verhalten beschränke, sondern eine aktive Leistung der Gesellschaft enthalte. Sie führe ähnlich einem Verzicht auf Schadensersatzansprüche, zu dem nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung in § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG die Zu-stimmung der Hauptversammlung erforderlich sei, zu einer dauerhaften Vermögenseinbuße der Gesellschaft.

Die Einschaltung der Hauptversammlung entspreche dem Zweck der Regelung des § 93 Abs. 4 AktG, die dem Schutz des Gesellschaftsvermögens und der Minderheitsaktionäre diene. Das Vermögen der Gesellschaft stehe wirtschaftlich nicht dem Aufsichtsrat sondern den Aktionären zu, sodass diese berufen seien, eine Vermögenseinbuße zu beschließen, soweit der Schutz der Gesellschaftsgläubiger gewahrt bleibe. Darüber hinaus beuge das Erfordernis einer Zustimmung der Hauptversammlung einer kollegialen Verschonung des Vor-standes oder einer Selbstenthaftung der Organe vor. Der Aufsichtsrat könne ein besonderes Interesse daran haben, zu verhindern, dass dem Vorstand vorgeworfene Pflichtverletzungen bekannt werden, da in diesem Zusammenhang eine unzureichende Kontrolle durch den Aufsichtsrat aufgedeckt werden könnte.

Liege hingegen keine Pflichtverletzung des Vorstandes gegenüber seiner Gesellschaft vor, könne der Aufsichtsrat beschließen, die Geldstrafe, Geldauflage oder Geldbuße zu übernehmen.
Allerdings stehe dem Aufsichtsrat bei der Frage, ob eine Pflichtwidrigkeit gegenüber der Gesellschaft vorliegt, kein unternehmerisches Ermessen zu.

Sodann zeigt der BGH Lösungsansätze für die Praxis auf, die dem Umstand gerecht werden, dass den Aufsichtsräten in der Regel im Zeitpunkt der Übernahme einer Sanktion die zur Beurteilung erforderlichen Informationen fehlten. Hierzu führt der BGH aus, der Aufsichtsrat könne eine vorläufige Regelung treffen, etwa dem Vorstand einen Vorschuss oder ein Darlehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach ab-schließender Prüfung gewähren.

Auswirkungen für die Praxis

In der Praxis dürften die vom BGH erwähnten Ausnahmen keine erhebliche Rolle spielen, so dass im Regelfall eine Entscheidung der Hauptversammlung einzuholen wäre. Eine solche wird schon im Hinblick auf die Reputationsrisiken selbst bei klaren Mehrheitsverhältnissen nicht gewollt sein. Daher bleibt den Beteiligten wohl nur der Weg, die Vorstandsvergütung derart zu bemessen, dass das Risiko etwaiger Geldbußen mit abgegolten wird. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass die Gesellschaft auch durch Hauptversammlungsbeschluss in entsprechender Anwendung des § 93 Absatz 4 Satz 3 AktG erst drei Jahre nach der Voll-endung der zur Last gelegten Straftat oder Ordnungswidrigkeit ihre Zustimmung zur Übernahme der Geldsanktion durch die Gesellschaft erklären kann.

Nur wenn der Vorstand tatsächlich keine Verfehlung begangen hat oder er zwar eine Verfehlung begangen hat, diese aber keine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft dar-stellt, ist nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen Raum für eine Zuständigkeit des Aufsichtsrates für den Beschluss zur Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft.
Für die Praxis bedeutsam ist in diesem Zusammenhang nur die Frage nach dem Vorliegen eines Gesetzesverstoßes. Liegt dieser vor, kann sich der Vorstand nach der herrschen-den Meinung in der juristischen Literatur im Innenverhältnis zur Gesellschaft nicht darauf berufen, dass der Gesetzesverstoß subjektiv im Interesse der Gesellschaft oder gar objektiv zu ihrem Nutzen erfolgte. Das deutsche Recht kennt das Institut der nützlichen Pflichtverletzung nicht. Ein Gesetzes-verstoß dürfte somit stets eine Pflichtverletzung des Vorstandes gegenüber der Gesellschaft darstellen.
Fälle, in denen gegen den Vorstand eine Geldsanktion verhängt wird, obwohl dieser tatsächlich keinen Gesetzesverstoß begangen hat, sind hingegen zwar theoretisch denkbar, kommen in der Praxis aber in der Regel nicht vor. Zwar ist für eine Einstellung nach § 153a StPO gegen Zahlung eines Geldbetrages lediglich ein hinreichender Tatverdacht erforderlich. Eine Entscheidung darüber, ob tatsächlich eine Straftat begangen wurde, ist damit nicht verbunden. Allerdings drängt sich die Frage auf, wie ein Aufsichtsrat zur Frage der Täterschaft zu mehr Informationen als die Staatsanwaltschaft kommen sollte. Nur wenn dies ausnahmsweise einmal der Fall sein sollte, bliebe Raum für eine Zuständigkeit des Aufsichtsrates für die Entscheidung zur Übernahme der Sanktion. Da dem Aufsichtsrat bei der Beurteilung der Frage, ob tatsächlich eine Straftat begangen wurde, nach dem BGH kein Ermessen zusteht, sollte bis zur endgültigen Aufklärung des Sachverhalt eine vorläufige Regelung getroffen werden, etwa dergestalt, dem Vorstand einen Vorschuss oder ein Dar-lehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung nach abschließender Prüfung zu gewähren.

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