29.02.2020Fachbeitrag

Newsletter Arbeitsrecht Februar 2020

Brückenteilzeit im Blockmodell mit verstetigt reduziertem Entgelt

Mit Urteil vom 4. November 2019 (Az.: 4 Ga 3/19) hat sich das Arbeitsgericht Hamburg mit einer einstweiligen Verfügung auf zeitlich begrenzte Arbeitszeitverringerung im sog. „Blockmodell“ befasst. Soweit ersichtlich handelt es sich um die erste veröffentlichte Gerichtsentscheidung zur „Brückenteilzeit“.

Sachverhalt

Die Arbeitnehmerin verlangte eine Verringerung ihrer Arbeitszeit um 25 Prozent für drei Jahre, beginnend ab dem Jahr 2020. Die Verringerung sollte unter Fortzahlung eines verstetigten Gehalts durch eine blockweise Freistellung für drei Monate jährlich (vorzugsweise Januar bis März) erfolgen. Die Arbeitgeberin lehnte den Verringerungsantrag ohne nähere Begründung ab. Sie bot allerdings an, die Arbeitnehmerin in dem begehrten Umfang blockweise unbezahlt freizustellen. 

Infolgedessen machte die Arbeitnehmerin ihr Verringerungsverlangen im Oktober 2019 gerichtlich geltend. Da die zeitliche Verringerung bereits ab dem 1. Januar 2020 eingreifen sollte, beantragte sie ferner den Erlass einer einstweiligen Verfügung. Nach ihrer Ansicht stünden betriebliche Gründe nicht entgegen. Dies habe die Arbeitgeberin mit ihrem Angebot zur blockweisen Freistellung selbst zu erkennen gegeben. Die Arbeitgeberin hielt dem entgegen, eine solche Freistellung für die begehrten Monate sei infolge der Teamstruktur und des geänderten Einsatzbereichs der Arbeitnehmerin nicht mehr möglich. Zudem sei es nach den dienstvertragsrechtlichen Vorschriften des BGB nicht möglich, der Arbeitnehmerin in den Freistellungsmonaten ohne Arbeitsleistung ein Gehalt zu zahlen. Ferner könne die Brückenteilzeit keinen Anspruch auf Erzwingung einer Wertguthabenvereinbarung nach § 7b SGB IV begründen. Hinzu komme, dass die Zahlung eines verstetigten Entgelts auch mit erheblichen Kosten verbunden sei. Dies ergäbe sich schon daraus, dass eine Wertguthabenvereinbarung von Gesetzes wegen zwingend gegen Insolvenz abgesichert werden müsse. Es handele sich letztlich auch um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache. Im Falle eines für sie negativen Ausgangs wäre sie – die Arbeitgeberin – nämlich dazu verpflichtet, organisatorische Änderungen vorzunehmen. Demgegenüber habe die Arbeitnehmerin nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie eine Freistellung im Blockmodell benötigte. 

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Hamburg gab dem Antrag statt und verurteilte die Arbeitgeberin dazu, die Arbeitnehmerin in den Jahren 2020 bis 2022 bis zu einer rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung mit einer um 25 Prozent reduzierten Arbeitszeit unter Freistellung in den Monaten Januar, Februar und März zu beschäftigen. Für den gesamten Zeitraum sei ihr ein entsprechend reduziertes verstetigtes Gehalt zu zahlen.

Das Gericht stellt klar, dass Arbeitnehmer bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen grundsätzlich verlangen können, dass die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit zeitweise verringert wird. Ebenso wie bei einer dauerhaften Verringerung der Arbeitszeit könne der Arbeitgeber das Verringerungsverlangen nur ablehnen, soweit diesem „betriebliche Gründe“ entgegenstehen. Hierzu greift das Gericht auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zurück, welche zu der Parallelvorschrift des § 8 Abs. 4 TzBfG ergangen ist. Danach sei auf Stufe 1 festzustellen, ob ein betriebliches Organisationskonzept besteht, das die Arbeitszeitregelungen bedingt und ob dieses auch tatsächlich umgesetzt wird. Hierfür sei der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet. Auf Stufe 2 sei sodann zu prüfen, inwieweit dieses Organisationskonzept dem Verringerungsverlangen entgegensteht. Bedeutsam hierfür sei auch, ob dem Verringerungsverlangen durch eine zumutbare Änderung von betrieblichen Abläufen oder des Personaleinsatzes begegnet werden könnte. Erst dann, wenn sich ergebe, dass das Verringerungsverlangen des Arbeitnehmers nicht mit dem organisatorischen Konzept und der daraus folgenden Arbeitszeitregelung in Übereinstimmung gebracht werden kann, komme es auf Stufe 3 auf das Gewicht der entgegenstehenden betrieblichen Gründe an.

Nach Ansicht des Gerichts hatte die Arbeitgeberin bereits keine betrieblichen Gründe darlegen können. Das Gericht konnte ferner nicht nachvollziehen, weshalb eine unbezahlte Freistellung hätte ermöglicht werden können, nicht jedoch die Inanspruchnahme von Blockteilzeit in einem gleichen Umfang. Die Arbeitgeberin habe auch nicht ansatzweise beziffern können, welche Kosten ihr infolge der Wertguthabenvereinbarung und deren Insolvenzsicherung überhaupt entstehen.

Nach alledem sah es das Gericht auch nicht mehr als schädlich an, dass infolge seiner Entscheidung zumindest teilweise der Anspruch des Hauptsacheverfahrens vorweg genommen wird. Dies sei schließlich in derartigen Konstellationen immer der Fall, da der Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit zeitratierlich ebenso endgültig verfalle.

Anmerkung

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die eingelegte Beschwerde ist derzeit beim Landesarbeitsgericht Hamburg anhängig. Derartige Entscheidungen verdeutlichen, dass die Arbeitsgerichte dazu tendieren, die Rechtsprechung zu der Parallelvorschrift des § 8 TzBfG stillschweigend oder ausdrücklich auch auf den Anspruch auf Brückenteilzeit zu übertragen. Dies ist rechtsmethodisch nicht zu beanstanden. In der Praxis stellen derartige Anträge Arbeitgeber aber bisweilen vor erhebliche Schwierigkeiten, ebenso wie vor zusätzlichen wirtschaftlichen und organisatorischen Mehraufwand, um dem Verlangen des Arbeitnehmers nachkommen zu können. Dies gilt einerseits, weil das BAG strenge Anforderungen an das Gewicht und die Darlegung von „entgegenstehenden betrieblichen Gründen“ stellt. Dies, obgleich der Gesetzeswortlaut – anders als bei der Parallelvorschrift im Falle der Elternteilzeit – 
eine derart strenge Prüfung nicht nahelegt. Es gilt andererseits, weil hierdurch der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, dem Arbeitgeber einen zeitlichen Umfang nebst gewünschtem zeitlichen Rahmen aufzuzwingen. Dass dies zu einer für den Arbeitgeber ungewollten Vertragsänderung führt und sein Weisungsrecht geradezu konterkariert, wird hingenommen.

All dies war bereits vor der Einführung der Brückenteilzeit möglich. In der arbeitsrechtlichen Praxis spielt die dauerhafte Verringerung der Arbeitszeit „damals“ wie heute allerdings eine eher untergeordnete Bedeutung, etwa bei vorheriger Inanspruchnahme von Eltern(teil)zeit. Schließlich gab es keinerlei Möglichkeit, spiegelbildlich den Arbeitgeber wieder einseitig dazu zu zwingen, die regelmäßige Arbeitszeit wieder zu erhöhen.

Abzuwarten bleibt, wie sich dies mittel- und langfristig mit dem Antrag auf Brückenteilzeit verhält. Immerhin bietet das Instrument die Möglichkeit, nahezu risikolos einseitig Arbeitszeitwünsche durchzusetzen, die der Arbeitgeber nur unter strengen Voraussetzungen und in jedem Fall mit erheblichem Argumentationsaufwand verhindern kann. Der Fantasie sind hierbei kaum Grenzen gesetzt: Neben dem Verlangen einer Freistellung im Blockmodell ist es ebenso denkbar, dass bestimmte Arbeitstage – auch wöchentlich wechselnd – insgesamt oder teilweise arbeitsfrei sein sollen. Die Grenze ziehen die Arbeitsgerichte bislang allein in offensichtlich rechtsmissbräuchlichen Fällen. Mit diesem Argument hat kürzlich ein Landesarbeitsgericht einem Verringerungsverlangen um 1/12 der Arbeitszeit eine Absage erteilt, mit dem der klagende Arbeitnehmer offenbar allein das Ziel verfolgte, dass der in dem dortigen Unternehmen besonders arbeitsintensive Ferienmonat August jedes Jahr für ihn arbeitsfrei ist, ohne sich allerdings hierfür Urlaub nehmen zu müssen.

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