16.12.2019Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A Dezember 2019

Gesellschafterfinanzierung – Totgesagte leben länger: Das alte Eigenkapitalersatzrecht grüßt

BGH, Beschluss vom 19.09.2019 – IX ZR 148/18
BGH, Urteil vom 11.07.2019 – IX ZR 210/18
BGH, Urteil vom 27.06.2019 – IX ZR 167/18
BGH, Urteil vom 14.02.2019 – IX ZR 149/16

Eigenkapitalersatzrecht ist per Gesetz (MoMiG) seit 01.11.2008 abgeschafft. Dennoch bemüht der BGH weiterhin die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters. Mit Weitblick bei der Gesellschafterfinanzierung lassen sich unnötige Risiken vermeiden.

Anstelle des früheren Eigenkapitalersatzrechts hatte der Gesetzgeber des MoMiG die weitreichende Insolvenzanfechtung von Zahlungen aus der Gesellschaft gesetzt.

Sicherheiten zugunsten eines Gesellschafters „halten“ nicht, wenn es darauf ankommt

Sicherheitenbestellungen für Ansprüche von Gesellschaftern auf Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen (oder gleich-gestellten Forderungen) sind anfechtbar, sofern sie nicht früher als zehn Jahre vor Insolvenzantragstellung erfolgt sind (§ 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die anfechtbar bestellte Sicherheit ist damit in der späteren Insolvenz – also dann, wenn es darauf ankommt – nicht durchsetzbar. Dagegen hilft es auch nicht, – wie der BGH am 14.02.2019 entschieden hat – wenn die Gesellschaft die Sicherheit an den Gesellschafter im Wege eines sogenannten Bargeschäfts zeitnah Zug um Zug und wertäquivalent gegen Ausreichung eines neuen Gesellschafterdarlehens bestellt hat. Zur Begründung belebt der BGH die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters aus dem früheren Eigenkapitalersatzrecht. Das heißt: Sicherheiten für einen Anspruch eines Gesellschafters „halten“ gerade dann nicht, wenn es darauf ankommt.

Umqualifizierung bei Stehenlassen von mehr als drei Monaten nach marktüblicher Fälligkeit

Außerdem hat der Gesellschafter sämtliche im Jahr vor Insolvenzantragstellung von der Gesellschaft erhaltene Darlehensrückzahlungen im Wege der Insolvenzanfechtung an den späteren Insolvenzverwalter zurückzuzahlen (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Eine Krise der Gesellschaft ist keine Voraussetzung. Dies gilt auch für die Bezahlung gleich-gestellter Gesellschafterforderungen. In Bezug auf die Frage, wann die Umqualifizierung einer (beispielsweise: Entgelt )For-derung in eine darlehensgleiche Forderung erfolgt, hat der BGH am 11.07.2019 entschieden, dass dies erfolgte, wenn die Forderung mehr als drei Monate nach marktüblicher Fälligkeit immer noch nicht bezahlt sei. Warum die Verzögerung erfolgt, sei irrelevant für die rechtliche Bindung als darlehensgleiche Forderung.

Zahlungen grds. in Summe anfechtbar

Sämtliche solche Zahlungen sind in Summe anfechtbar. Das kann bei dauerhaftem Leistungsaustausch (Lieferung/Leistung durch den Gesellschafter) mit jeweils entsprechend verzögerter Bezahlung dazu führen, dass sich die vom Gesellschafter später zurückzugewährenden Zahlungen zu sehr hohen Beträgen addieren können. Ohne eine ausdrückliche Leistungszweckbestimmung der zahlenden Gesellschaft, auf welche Forderung sie zahlt, erfolgt die Zahlung kraft Gesetzes auf die älteste Forderung (§ 366 Abs. 2 Alt. 4 BGB). Lediglich bei einem Kontokorrent (§ 355 HGB) oder kontokorrentähnlichen Verhältnis muss der Gesellschafter die erhaltenen Zahlungen nicht in Summe zurückzugewähren, sondern lediglich per Saldo, wie der BGH am 27.06.2019 nochmals klargestellt hat. In der Praxis liegt ein solcher Kontokorrent / ähnliches Verhältnis aber nur selten vor.

Bargeschäftseinwand greift nicht immer

Auch ohne Zahlungsverzögerung muss ein Zahlungsempfänger (auch ein Gesellschafter) Zahlungen, die er zeitnah Zug um Zug gegen erbrachte Leistungen erhalten hat, im Wege der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) zurückzahlen, wenn die zahlungsunfähige Gesellschaft fortlaufend unrentabel arbeitet und er davon weiß; wie der BGH am 19.09.2019 klargestellt hat.

Fazit

Sicherheitenbestellungen zugunsten eines Gesellschafters sind nutzlos, weil ohnehin anfechtbar und somit undurchsetzbar, wenn sie nicht früher als zehn Jahre vor Insolvenzantragstellung erfolgt sind.

Aus Gesellschaftersicht ist auf eine zeitnahe Bezahlung achten. Wenn die Gesellschaft nicht alle Forderungen des Gesellschafters bezahlen kann, sollte die Gesellschaft ausdrücklich auf „neue“ Forderungen leisten. Der Gesellschafter sollte einige wenige „alte“ offene Forderungen identifizieren, deren Bezahlung ohnehin anfechtbar wäre; diese kann der Gesellschafter unbezahlt stehen lassen und ggf. ausdrücklich oder faktisch stunden.

Ein unnötiges Hin- und Herzahlen sollte man vermeiden: Gesellschafterfinanzierung ja, aber dann auch konsequent die Liquidität der Gesellschaft bis zum Turnaround belassen.

 

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