31.08.2021Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht August 2021

Keine Nachgewährung von Urlaub bei Corona-Quarantäne

Arbeitsgreicht Bonn 07.07.2021 - 2 Ca 504/21

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet (§ 9 BUrlG). Das Arbeitsgericht Halle (Urteil vom 23.06.2021 – 4 Ca 285/21) hat bereits entschieden, dass diese gesetzliche Grundlage weder direkt noch analog auf den Fall anwendbar ist, in dem sich ein Arbeitnehmer während seines genehmigten Urlaubs aufgrund einer behördlichen Anordnung in häusliche Quarantäne begeben muss, ohne selbst mit dem Coronavirus infiziert zu sein. 

Sachverhalt

In dem vom Arbeitsgericht Bonn entschiedenen Fall musste die Arbeitnehmerin ebenfalls während ihres Urlaubs – zumindest teilweise – in Quarantäne, jedoch war die Arbeitnehmerin selbst positiv auf das Corona-Virus getestet worden. Sie wies aber keine Krankheitssymptome auf. Ein ärztliches Attest, welches die Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, legte die Arbeitnehmerin nicht vor. Im Nachgang forderte die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber auf, ihr für den betroffenen Zeitraum Urlaubstage „gutzuschreiben“. Dies lehnte der Arbeitgeber ab. 

Entscheidung des Arbeitsgericht Bonn

Das Arbeitsgericht Bonn wies die Klage ab. Zur Begründung führte es an, dass die Voraussetzungen des § 9 BUrlG nicht vorliegen.

  1. Keine direkte Anwendung von § 9 BUrlG: Nach Ansicht des Arbeitsgericht Bonn kommt eine „Gutschreibung“ von Urlaubstagen ausschließlich in Betracht, wenn die Arbeitsunfähigkeit durch ein ärztliches Attest nachgewiesen ist. Hintergrund dieser Regelung ist nicht nur die Vorbeugung gegen Missbrauch zulasten des Arbeitgebers. Vielmehr obliegt auch die Beurteilung, ob eine Erkrankung im Einzelfall aufgrund der Ausgestaltung des individuellen Arbeitsplatzes des Arbeitnehmers zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, der ärztlichen Beurteilung. 

    Die behördliche Quarantäneanordnung stehe einer Arbeitsunfähigkeit auch nicht gleich. Aus dieser gehe zwar hervor, dass die Klägerin an dem Coronavirus erkrankt ist. Eine Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin sei in der Ordnungsverfügung hingegen nicht erfolgt und obläge auch nicht der Stadt. Die Beurteilung der Folgen einer Erkrankung auf den konkreten Arbeitsplatz obliegt vielmehr einem Arzt.

    Es wäre der Klägerin aufgrund der pandemiebedingten Ausnahmeregelung in dem relevanten Zeitpunkt auch möglich gewesen, auf telefonischem Weg eine Beurteilung ihrer Arbeitsfähigkeit durch ärztliches Zeugnis zu erlangen.
     
  2. Keine Analoge Anwendung von § 9 BUrlG: Voraussetzung für eine analoge Anwendung von § 9 BUrlG auf eine Erkrankung mit dem Coronavirus und der daraus folgenden Isolationsanordnung ist das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke sowie eine vergleichbare Sachlage. Diese Voraussetzungen lagen nach Ansicht des Arbeitsgericht Bonn nicht vor.

    Bereits in der Vergangenheit wurde in mehreren gerichtlichen Entscheidungen klargestellt, dass urlaubsstörende Ereignisse grundsätzlich als Teil des persönlichen Lebensschicksals in den Risikobereich des einzelnen Arbeitnehmers fallen. Nur für den Fall der Erkrankung, welche zu einer Arbeitsunfähigkeit führt, hat der Gesetzgeber mit § 9 BUrlG eine Änderung der Risikoverteilung vorgesehen. Damit handelt es sich bei § 9 BUrlG um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift, welche einer analogen Anwendung schon grundsätzlich nicht zugänglich ist. 

    Jedenfalls fehle es an einer vergleichbaren Sachlage. Eine Erkrankung mit dem Coronavirus führe nicht unmittelbar und zwingend zu einer Arbeitsunfähigkeit. Auch eine vergleichbare Beeinträchtigung liege im Fall einer Erkrankung mit dem Coronavirus nicht zwingend vor. Denn ein symptomloser Verlauf führe nicht unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit. Insbesondere stellte das Arbeitsgericht Bonn klar, dass Arbeitnehmer im Einzelfall trotz einer Erkrankung mit dem Coronavirus und einer Isolationsanordnung weiterhin die Arbeitsleistung von einem häuslichen Arbeitsplatz erbringen können – da eine Erkrankung nicht immer eine Arbeitsunfähigkeit indiziert – und der Zweck des Bundesurlaubsgesetzes, nämlich die Erholung des Arbeitnehmers von seiner Arbeitsleistung, mit der Urlaubsgewährung dennoch erreicht werden kann.

Fazit

Das Urteil des Arbeitsgericht Bonn verdient Zustimmung und steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zu § 9 BUrlG, wonach grundsätzlich alle urlaubsstörenden Ereignisse in die Risikosphäre des Arbeitnehmers fallen. Das Gesetz sieht eine klare Regelung vor, wann der Arbeitgeber zur Nachgewährung von Urlaub verpflichtet ist. Wenn keine abweichende einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Regelung besteht, sollten Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen, bevor sie Urlaubstage wegen einer behördlichen Quarantäneverordnung „gutschreiben“. Auch wenn diese Fallgestaltung noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, gibt das Urteil des Arbeitsgericht Bonn gute Argumente an die Hand, wie ein Arbeitgeber in solchen Fällen reagieren kann.

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