30.01.2020Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Januar 2020

Kündigung eines Lehrers mit rechtsextremen Tattoos unwirksam?

LAG Berlin Brandenburg weist Kündigung aus formalen Gründen zurück, lässt endgültige Entscheidung jedoch offen

LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11. Dezember 2019, 15 Sa 1496/19 (noch nicht veröffentlicht)

Sachverhalt

Der Kläger ist als Lehrer im Angestelltenverhältnis bei dem Land Brandenburg beschäftigt. Dieses hatte ihm das Arbeitsverhältnis gekündigt, nachdem bekannt geworden war, dass der Kläger Tattoos mit dem Schriftzug „Meine Ehre heißt Treue“ sowie den Symbolen „Wolfsangel“ und „Schwarze Sonne“ trägt. Der Kläger zeigte seine Tätowierungen öffentlich, wo genau und in welchem Zusammenhang, geht nicht aus der bisher veröffentlichten Mitteilung hervor. 

Das beklagte Land hörte daraufhin den Personalrat vor Ausspruch der Kündigung an. In der Anhörung teilte es dem Personalrat zwar mit, dass der Kläger seine Tattoos öffentlich gezeigt habe. Nicht jedoch, dass als Kündigungsgrund – wie im Kündigungsschutzverfahren – die fehlende Eignung des Klägers zur Ausübung des Lehrerberufs herangezogen wurde.

Der Kläger verfolgte mit seiner Klage – soweit aus der Mitteilung des Gerichts ersichtlich – die Unwirksamkeit der Kündigung und die tatsächliche Beschäftigung.

Entscheidung

Das LAG hat die Klage abgewiesen, soweit der Kläger seine tatsächliche Beschäftigung durchsetzen wollte. Insofern bestehe kein Beschäftigungsanspruch, da das Arbeitsverhältnis ein weiteres Mal gekündigt worden sei und der diesbezügliche Kündigungsschutzprozess noch nicht abgeschlossen sei.

Darüber hinaus sei die Klage jedoch begründet. Im Kündigungsschutzprozess können nach ständiger Rechtsprechung des BAG nur diejenigen Kündigungsgründe verwertet werden, die dem Personalrat (oder Betriebsrat) zuvor mitgeteilt worden waren. Dies sei im zu entscheidenden Fall gerade nicht passiert. Das bloße öffentliche Zeigen der Tätowierungen sei dem Personalrat zwar mitgeteilt worden. Dies trage jedoch die Kündigung nicht, da insofern eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel hätte ausgesprochen werden müssen.

Bewertung

Das LAG zieht sich vorliegend auf einen formalen Grund zurück und unterzieht die fehlende Eignung des Klägers keiner weiteren Prüfung. 

Gründe, die dem Personalrat nicht mitgeteilt wurden, können nicht als Kündigungsgrund herangezogen werden. Dem Personalrat muss der aus Sicht des Arbeitgebers wesentliche Sachverhalt dargelegt werden. Nur so hat der Personalrat die Möglichkeit, sich mit dem unterbreiteten Kündigungssachverhalt ausreichend zu beschäftigten und ggf. auf den Kündigungsentschluss einwirken zu können (vgl. BAG, Urteil vom 27. November 2008, 2 AZR 98/07). Dabei steht eine bewusste und gewollt unrichtige oder unvollständige Information des Arbeitgebers über die Kündigungsgründe einer Nichtinformation gleich (vgl. BAG, Urteil vom 6. Oktober 2005, 2 AZR 316/04).

Dem LAG ist beizupflichten, dass als Kündigungsgrund hier nur eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommt, wenn dem Personalrat lediglich das öffentliche Zeigen der Tätowierungen als Kündigungsgrund benannt wurde. Das öffentliche Zeigen stellt eine vom Kläger beherrschbare und abänderbare Handlung dar. Infolgedessen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel vorzunehmen (vgl. BAG, Urteil vom 23. Oktober 2008, 2 AZR 483/07). Dadurch wird dem Kläger die Möglichkeit gegeben, sein Verhalten in Zukunft zu bessern. 

Wie in der Entscheidung anklingt, wurde dem Kläger abermals – diesmal mutmaßlich unter korrekter Einbeziehung des Personalrates – gekündigt. Dabei ist davon auszugehen, dass die Kündigung auf die fehlende Eignung des Klägers, also auf personenbedingte Gründe, gestützt wurde und der Personalrat insoweit ordentlich informiert wurde.

Inwieweit der Kläger durch das Tragen rechtsextremer Tätowierungen seine fehlende Eignung unter Beweis stellt, lässt sich jedoch nicht ohne weiteres beurteilen. Unabhängig davon, ob der Kläger Beamter oder Angestellter im öffentlichen Dienst ist, ist die Beziehung zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und der Allgemeinheit von Grundrechten überlagert, die in die Überlegungen des Arbeitsgerichts bei Anwendung und Auslegung der einfachgesetzlichen Regelungen einfließen müssen. 

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung hat für Beamte klare Vorgaben an deren Verfassungstreue herausgearbeitet. Gerade das Beamtentum ist durch Art. 33 IV GG einem Personenkreis vorbehalten, der in besonderem Maße Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet. Beamte realisieren die Machtstellung des Staates und haben als „Repräsentanten der Rechtsstaatsidee“ dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen. Da der Beamte „sozusagen als Staat Befehle geben kann“ (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. April 1959, 2 BvF 2/58), muss er sich den Prinzipien der verfassungsmäßigen Ordnung ohne innere Distanz verpflichtet fühlen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, 2 C 25/17). Die Befugnis eines demokratischen Staates, von seinen Beamten Verfassungstreue zu verlangen, ist zudem in der Rechtsprechung des EGMR anerkannt (vgl. EGMR, Urteil vom 26. September 1993, 7/1994/454/535). Lehrern, die die freiheitlich-demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen, fehlt es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an der Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes. Jugendliche sollen durch die Lehrkräfte auf ihre Rolle als Bürger des Gemeinwesens vorbereitet werden und die dazugehörenden Rechte und Pflichten vermittelt bekommen. Das Aufzeigen dieser Werte setze jedoch Glaubhaftigkeit voraus. (vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997, 1 BvR 2111/94, 1 BvR 195/95 u. 1 BvR 2189/95). 

Diese Grundsätze sind auf Lehrer im Angestelltenverhältnis übertragbar. Auch sie müssen sich den Staatsprinzipien ohne innere Distanz verpflichtet fühlen. Es ist schlicht irrelevant, ob die Lehrkraft als Beamter oder Angestellter den zugewiesenen Schülern als Vorbild und Respektsperson gegenüber tritt.

Andererseits verlangt eine pluralistische und aufgeklärte Gesellschaft politische Betätigung –welcher Couleur auch immer – solange es sich dabei nicht um verfassungsfeindliche Betätigung handelt. 

Nach der Rechtsprechung des BVerwG kann eine verfassungsfeindliche Gesinnung auch durch das bloße Tragen einer Tätowierung zum Ausdruck kommen. Dabei wird der Körper mittels bloßer Körperdekoration bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt. Eine rechtsextreme Tätowierung stellt dabei ein besonders dauerhaftes und damit ernsthaftes Bekenntnis dar, sich von der Verfassung und deren Grundwerten zu entfernen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, 2 C 25/17).

Der Kläger trägt eindeutige Tätowierungen, deren Bezug ohne Auslegungsspielraum erkennbar ist. Begründen die Tätowierungen „Wolfsangel“ und „Schwarze Sonne“ zumindest noch einen gewissen Spielraum, so ist dies bei dem Wahlspruch der SS („Meine Ehre heißt Treue“) nicht der Fall. Der Spruch wird unmittelbar auf Adolf Hitler zurückgeführt und entspringt seiner Feder. Heinrich Himmler (Reichsführer SS) wählte ihn im Anschluss als Wahlspruch der SS. Er war auf jeder Koppelschnalle der SS eingeprägt. Einen anderen geschichtlichen Kontext gibt es hier nicht. Der Kläger zeigt damit mehr als deutlich, dass er den Boden der verfassungsmäßigen Ordnung verlassen hat und damit für den Beruf des Lehrers persönlich disqualifiziert ist. Der nationalsozialistische Einheits- und Terrorstaat mit seiner Konzentration auf eine Zentralfigur, stellt das Gegenteil des grundgesetzlichen Gesellschaftsentwurfs dar. 

Das LAG Berlin-Brandenburg hat es – allerdings im Rahmen eines Einstellungsverfahrens – für die Ablehnung eines Bewerbers als ausreichend erachtet, dass der Bewerber für den Objektschutz der Berliner Polizei auf dem Unterarm Revolverpatronen, Totenköpfe und das Wort „omerta“ („Gesetz des Schweigens“ im Zusammenhang mit der Androhung tödlicher Gewalt im Mafia-Milieu) tätowiert hatte. So seien durch die Tätowierungen Zweifel begründet, der Bewerber stehe jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes ein, welche qua definitionem gewaltfrei ausgestaltet sei. Dies begründe einen Eignungsmangel (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. April 2019, 5 Ta 730/19). Ob diese Grundsätze auch auf die Entfernung aus dem öffentlichen Anstellungsverhältnis anwendbar sind, steht zu bezweifeln, da hierin ein deutlich stärkerer Eingriff liegt, wird dem Betroffenen doch eine bereits gewährte Rechtsposition wieder genommen. 

Die Tätowierungen des Klägers sind jedoch deutlich aussagekräftiger und zeugen in besonders großem Maße von seiner Abkehr von der verfassungsgemäßen Ordnung. Personen, die die Grundwerte der freiheitlichen Demokratie hinter sich gelassen haben, sind für Ämter in öffentlichen Einrichtungen in besonderem Maße ungeeignet. Dies gilt insbesondere für den Einsatz an Schulen. 

Von Entscheidungserheblichkeit kann auch sein in welchem Zusammenhang der Kläger die Tätowierungen gezeigt hat. Der Kontext, in welchem die Tattoos gezeigt werden, spielt hier eine wesentliche Rolle. Es ist schlimmer, wenn der Kläger seine Tätowierungen – bewusst überspitzt – offen während des Schulbetriebs zur Schau stellt, als wenn er sie nur im privaten Bereich öffentlich gezeigt hätte. In beiden Fällen manifestiert sich zwar seine Geisteshaltung in gleicher Weise. Der direkte Bezug zur Arbeitsstelle im ersten Fall spricht jedoch deutlicher gegen seine persönliche Eignung zur Ausübung des Berufs als Lehrer. 

Er wird sich auch nicht darauf zurückziehen können es handele sich um eine private Angelegenheit. Mit der Tätowierung ist die innere Haltung zur äußeren geworden und hat den Kernbereich privater Lebensgestaltung verlassen. Mit der Rechtsprechung des BVerwG nutzt der Kläger seinen Körper nun als Kommunikationsmedium (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017, 2 C 25/17).

Das Arbeitsgericht wird daher mit großer Wahrscheinlichkeit die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die personenbedingte Kündigung abweisen.

Praxishinweis 

Der Trend zur Tätowierung hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen. Dabei sollte der Tattoo-Anwärter jedoch stets im Kopf behalten, für welche Art von Job er sich in der näheren und ferneren Zukunft bewerben möchte bzw., ob er seinen derzeitigen Job behalten möchte. Gerade großflächige und sichtbare Tätowierungen sind – unabhängig vom individuellen Geschmack – nicht selten ein Hinderungsgrund bei der Einstellung. Dabei ist freilich der angestrebte Beruf in das Auge zu fassen. Je seriöser der Job, desto weniger „angesagt“ sind großflächig sichtbare Tätowierungen. Gerade Stellen im öffentlichen Dienst oder im sog. „White collar“ Bereich mit Kundenkontakt sind hier beispielhaft zu benennen.

Handelt es sich zudem um Tätowierungen mit rechtsextremem Charakter, kommt eine weitere Dimension hinzu. Neben die mangelnde Seriosität tritt dann das Verlassen der demokratischen Grundordnung und der Grundprinzipien eines freiheitlich demokratischen Staates. Dies kann eine fehlende persönliche Eignung darstellen, die u. U. zur personenbedingten Kündigung rechtfertigen kann, sollte es keine geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb geben.

Bei der Information des Betriebsrates/Personalrates ist akribisch darauf zu achten, auf welche Gründe die ordentliche Kündigung gestützt werden soll und ob die Kündigungsvoraussetzungen vorliegen. Die Gründe sind dem Betriebsrat/Personalrat umfassend darzulegen, anderenfalls hält die Kündigung – wie in diesem Fall beispielhaft aufgezeigt – der gerichtlichen Prüfung nicht stand. Die Erfolgsaussichten im Kündigungsschutzverfahren werden danach maßgeblich durch Qualität und Nachweisbarkeit der Betriebsratsanhörung determiniert. Folglich ist es ratsam, hierbei Zeit und auch Beratung zu investieren. Zudem ist bei verhaltensbedingten Kündigungen eine vorherige Abmahnung nur in äußersten Ausnahmefällen entbehrlich. Sie stellt, da in diesem Fall das Verhalten des Betroffenen geändert werden kann, in den allermeisten Fällen das mildere Mittel dar.

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