30.04.2025 Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht April 2025

Neues zum AGG: „Digital Native“ ist altersdiskriminierend

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 07.11.2024 – 177 Sa 2/24)

Stellenausschreibungen, die diskriminierende Merkmale enthalten, können für Arbeitgeber bekanntlich teuer werden. Nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) können Bewerber Ansprüche auf finanzielle Entschädigung geltend machen, wenn sie aus diskriminierenden Gründen abgelehnt wurden. Ist eine Stellenausschreibung – auch nur indirekt – diskriminierend formuliert, gilt zugunsten erfolgloser Bewerber eine Vermutung, dass die Ablehnung diskriminierend war. Diese Vermutung kann durch den Arbeitgeber in aller Regel nicht widerlegt werden. 

Nunmehr hat das LAG Baden-Württemberg entscheiden, dass auch die Formulierung „Digital Native“ eine Diskriminierung nach dem Alter ist. 

Sachverhalt

Die Beklagte, ein Sportartikelhändler, war auf der Suche nach einem "Manager Corporate Communications". In der Stellenausschreibung hieß es auszugsweise: 

"Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbilds und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause".

Der Kläger, ein 1972 geborener Diplom-Wirtschaftsjurist, bewarb sich erfolglos auf diese Stelle. 

Der Kläger vermutete eine Altersdiskriminierung und machte gerichtlich Ansprüche auf Entschädigung nach dem AGG geltend. Er argumentierte, dass der Begriff "Digital Native" auf eine bestimmte Generation abziele, die mit Computern und Internet aufgewachsen seien. Hierzu gehörten Jahrgänge ab 1980. Durch die verwendete Formulierung habe die Beklagte daher direkt auf das Alter abgestellt. Der Kläger forderte eine Entschädigung in Höhe von 37.500 Euro, was fünf Monatsgehältern entsprach. 

Die Beklagte wehrte sich dagegen. 

Sie berief sich darauf, dass die Stellenanzeige nicht auf eine bestimmte Altersgruppe abgezielt habe. Die Formulierung der Anzeige habe lediglich locker wirken sollen. Der Begriff des „Digital Native“ sei nicht im Sinne der wissenschaftlichen Definition gemeint gewesen, sondern hätte vielmehr den Zweck gehabt, die gesuchten Qualifikationen zu beschreiben. Unabhängig von Alter war beabsichtigt, Bewerberinnen und Bewerber anzusprechen, die sich in der digitalen Welt zu Hause fühlten. 

Für die Ablehnung der Bewerbung des Klägers habe es zudem sachliche Gründe gegeben. Der Kläger sei überqualifiziert gewesen und seine Gehaltsvorstellungen hätten weit über dem Budget gelegen. Zudem habe der Bewerbung der Bezug zum Sport gefehlt. Insgesamt sei an der Ernsthaftigkeit der Bewerbung zu zweifeln. 

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Heilbronn gab dem Kläger in der ersten Instanz Recht, reduzierte die Entschädigung jedoch auf 7.500 Euro.

Das LAG Baden-Württemberg bestätigte diese Entscheidung. Das Gericht stellte fest, dass die Formulierung "Digital Native" in der Stellenausschreibung ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters gemäß § 3 Abs. 6 1 AGG darstellt. 

Das Gericht stützte sich dabei im Wesentlichen auf die wissenschaftliche Definition des Begriffes „Digital Native“: Der Begriff „Digital Native“ würde in Abgrenzung zum Begriff „Digital Immigrant“ Personen erfassen, die mit digitalen Technologien aufgewachsen sind. Jedenfalls Jahrgänge vor 1980 gehörten nicht zu den "Digital Natives".

Der Arbeitgeber konnte die Vermutung der Benachteiligung nicht widerlegen, da der Kläger unstreitig alle Anforderungen der Stellenausschreibung erfüllte. Andere Gründe für die Ablehnung seiner Bewerbung seien nicht ausreichend dargelegt und bewiesen worden. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs durch den Kläger wurde ebenfalls abgewiesen, da keine ausreichenden Indizien vorlagen, die auf eine missbräuchliche Bewerbung hindeuteten.

Praxishinweis

Aus der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg ergeben sich für Arbeitgeber einige wichtige Hinweise: 

Die offensichtlichste Aussage dieses Urteils ist, dass der bereits langen Liste an „No-Go“ Formulierungen für Stellenausschreibungen nunmehr auch der Begriff "Digital Native" hinzuzufügen ist. 

Zudem unterstreicht die Entscheidung erneut, dass die Gerichte in Bezug auf die Bewertung von möglicherweise diskriminierenden Formulierungen sehr streng sind. 

Die Hürde für Arbeitgeber, sich im Fall einer diskriminierend formulierten Stellenausschreibung zu entlasten, sind sehr hoch. Jedenfalls ohne entsprechende Prozesse zum Management von Bewerbungen ist es kaum möglich, nachzuweisen, dass Bewerber aus anderen, sachlichen Gründen abgelehnt wurden. Auch der Nachweis, dass eine Bewerbung rechtsmissbräuchlich war, kann nur im Ausnahmefall gelingen. 

Umso wichtiger bleibt es, dass Arbeitgeber ihre Stellenausschreibungen weiterhin laufend und kritisch überprüfen. Insbesondere in Bereichen, in denen Mitarbeiter für kreative, moderne und digitalisierte Arbeitsbereiche gesucht werden, ist Vorsicht geboten. Die Umschreibung der gesuchten Qualifikationen und persönlichen Merkmale ist besonders risikoreich. Arbeitgeber sollten immer darauf achten, dass Formulierungen gewählt werden, die fachliche Qualifikationen beschreiben und nicht persönliche Merkmale. 

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