Anforderungen an die Berufungsbegründung
Update Arbeitsrecht August 2025
BAG, Urteil vom 19. März 2025 – 10 AZR 76/24
Kurzübersicht
Das BAG hat die Relevanz einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung noch einmal deutlich hervorgehoben. Das BAG prüft die prozessualen Voraussetzungen für die Berufung auch dann, wenn das Berufungsgericht diese ursprünglich zugelassen hat. Teil dieser Prüfung ist, ob der Berufungskläger die Umstände aufgezeigt hat, aus denen sich aus seiner Sicht die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Liegen der angegriffenen Entscheidungen mehrere voneinander unabhängige, kumulativ tragende Erwägungen zugrunde, so muss der Berufungskläger für die Zulässigkeit der Berufung jede dieser Erwägungen ausreichend angreifen.
Sachverhalt
Die Parteien stritten über die Verpflichtung der Beklagten Beiträge an die Sozialkassen der Bauwirtschaft zu entbinden. In der ersten Instanz wurde der Klage stattgegeben, die tariflichen Regelungen würden auch für die Beklagte gelten. Das ArbG begründete seine Entscheidung doppelt. Zum einen hätte die Beklagte nicht erheblich bestritten unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages zu fallen und zum anderen handele es sich bei der ausgeübten Tätigkeit überwiegend um bauliche Tätigkeiten, also um solche, die unter den Tarifvertrag fallen. In der Berufungsbegründung setzte sich die Beklagte als Berufungsklägerin zwar inhaltlich ausführlich mit dem ersten Argument des ArbG auseinander, trug in der Berufungsbegründung bezüglich des zweiten Arguments allerdings nur vor, was sie bereits in der ersten Instanz vorgetragen hatte und ging nicht konkret auf die Argumente des ArbG ein.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision sei unbegründet.
Bereits die Berufung gegen das klagestattgebende Urteil sei unzulässig gewesen.
Die Zulässigkeit der Berufung ist prozessuale Voraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach deren Einlegung und aus diesem Grund von dem Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Das gilt unabhängig der Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit der Berufung. Gemäß § 64 VI 1 ArbGG iVm § 520 III 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich diese Rechtsverletzung ergibt, wobei die Anforderungen hieran nicht zu hoch sein dürfen. Die Begründung darf aber nicht pauschal oder formelhaft gehalten sein, sondern muss im konkreten Streitfall erkennen lassen, welche Punkte rechtlich oder tatsächlich angegriffen werden sollen. (stRspr, zB BAG, Urteil vom 1. August 2024 – 6 AZR 271/23)
Stützt das Gericht seine Entscheidung auf mehrere unabhängige, jeweils selbstständig tragende Erwägungen, muss die Berufungsbegründung jede tragende Erwägung angreifen und sich nach den oben genannten Maßstäben mit dieser auseinandersetzen. Andernfalls ist das gesamte Rechtsmittel unzulässig (ähnlich: BAG, Urteil vom 24. Januar 2024).
Praxistipp
Das BAG hat in dieser Entscheidung seine bisherige Linie für die Anforderungen an die Rechtsmittelbegründung bestätigt.
Zunächst überprüft die Revisionsinstanz die Zulässigkeit der Berufung auch dann, wenn die Berufungsinstanz diese zugelassen hat.
Bei der Berufungsbegründung müssen die Umstände angegeben werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit ergibt. Außerdem sind alle Anhaltspunkte anzugeben, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil begründen. Das BAG hat dabei seine ständige Rechtsprechung bestätigt, die Berufungsbegründung darf nicht pauschal gehalten sein, sei es durch floskelhafte Formulierungen oder den Verweis auf Rechtsprechung oder den Vortrag in der Vorinstanz. Inhaltlich muss die Berufungsbegründung auf den konkreten Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angegriffenen Urteils auseinandersetzen. Es muss konkret herausgearbeitet werden, warum das Urteil fehlerhaft ist.
Auch dass alle die Entscheidung tragende Begründungen angegriffen werden müssen, ist nicht neu. Das BAG hat bereits im letzten Jahr festgestellt, dass, stützt das LAG seine Entscheidung auf mehr als eine Begründung, in der Revisionsbegründung jede tragende Erwägung anzugreifen ist (BAG, Urteil vom 24.1.2024 – 4 AZR 362/22). Gleiches entschied das BAG nun auch für die Berufungsbegründung.
Für die Praxis gilt somit: Im Falle einer Berufung sind alle Erwägungen des Ausgangsgericht, auch wenn diese kumulativ sind, einzelfallbezogen und konkret anzugreifen und anhand dessen ist darzulegen, warum das Urteil fehlerhaft ist.