30.06.2021Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Juni 2021

Arbeitsvertragliche Verfallklausel – Klarstellung des BAG zur Formulierung

BAG 26.11.2020 - 8 AZR 58/20

Die Aufnahme sog. Verfallklauseln in Arbeits- oder Tarifverträgen ist in der Praxis üblich. Sie sehen regelmäßig vor, dass Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis schriftlich innerhalb einer bestimmten Frist geltend gemacht werden müssen, damit die Ansprüche nicht verfallen. Mit der Aufnahme einer Verfallklausel können Arbeitgeber also Rechtssicherheit dergestalt herstellen, dass sie nach Ablauf der Frist auf die von der Klausel erfassten Ansprüche nicht mehr mit Erfolg in Anspruch genommen werden können. Die Anforderungen an die Gestaltung einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nunmehr im Rahmen einer jüngeren Entscheidung präzisiert.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war als Buchhalterin bei der Beklagten beschäftigt. Ihr Arbeitsvertrag enthielt eine Verfallklausel, wonach alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen sind. Während ihrer Tätigkeit für die Beklagte beglich die Klägerin in Absprache mit ihrem Ehemann, der Kommanditist bei der Beklagten und einem weiteren Unternehmen war, mehrere, eigene Verbindlichkeiten durch Nutzung von Geldern der Beklagten in Höhe von insgesamt etwa 230.000 Euro. Nachdem die Beklagte hiervon Kenntnis erlangte und der Klägerin gegenüber die Kündigung erklärte, erhob die Klägerin fristgemäß Kündigungsschutzklage. In Reaktion auf diese Klage verlangte die Beklagte im Rahmen einer sog. Widerklage ca. die Hälfte der zu Unrecht verbuchten Gelder als Schadensersatz von der Klägerin.

Entscheidung des Gerichts

Das BAG wies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück, führte allerdings grundsätzlich zur künftigen Gestaltung von Verfallklauseln aus. Unter ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung stellte der 8. Senat fest, dass die Verfallklausel mit ihrer Bezugnahme auf „alle Ansprüche […] aus dem Arbeitsverhältnis“ auch Ansprüche wegen einer vorsätzlichen Vertragsverletzung und einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung erfasse.

Die danach von der Verfallklausel ebenfalls erfassten, möglichen Schadensersatzansprüche der Beklagten gegen die Klägerin wären daher gegebenenfalls verspätet geltend gemacht und aufgrund der Verfallklausel verfallen, soweit nicht die Klausel unwirksam ist. Zu dieser möglichen Unwirksamkeit stellte das BAG fest, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) eine Regelung vorgesehen sei, nach der die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden könne. Vor diesem Hintergrund führte das BAG aus, dass die Verfallklausel wegen Verstoßes gegen diese Regelung im BGB unwirksam sei, da die Klausel gerade auch die möglichen Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin wegen der zu Unrecht vorgenommenen Buchungen erfasse und damit die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch die Klausel in dem Arbeitsvertrag als Rechtsgeschäft ausschließe. Auf diese zu ihren Gunsten wirkende Unwirksamkeit der Verfallklausel könne sich die Beklagte auch abweichend vom Regelfall berufen, obwohl die Beklagte durch die Nutzung einer unwirksamen Klausel in ihrem eigenen Arbeitsvertrag selbst privilegiert würde. Insoweit solle durch das Gesetz keine derartige Privilegierung verhindert, sondern lediglich ausgeschlossen werden, dass der Arbeitgeber als Verwender einseitig von der Vertragsfreiheit zu seinen Gunsten Gebrauch mache.

Folgen für die Praxis

Der Rechtsprechungswechsel ist durchaus überraschend. Die praktischen Auswirkungen der Entscheidung sind gleichzeitig enorm. Bereits vor mehr als zwei Jahren hatte das BAG entschieden, dass zwingende Ansprüche, etwa auf den gesetzlichen Mindestlohn, ausdrücklich vom Anwendungsbereich einer Verfallklausel auszunehmen seien, da die Klausel andernfalls unwirksam sei. Um keine Unwirksamkeit der Verfallklausel zu riskieren, zeigt die hiesige Entscheidung, dass künftig auch die Vorsatzhaftung ausdrücklich vom Anwendungsbereich einer Verfallklausel auszunehmen ist. In der Praxis empfiehlt sich daher immer eine konkrete, beispielhafte Aufzählung der nicht erfassten Ansprüche. Dieses Vorgehen ist umso mehr geboten, als der Arbeitgeber für Altverträge regelmäßig das Risiko einer Rechtsprechungsänderung trägt, zugleich aber nur eingeschränkt insbesondere außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes Möglichkeiten einer einseitigen Vertragsänderung haben wird. Bei einem korrekten Vorgehen sind Verfallklauseln aber nach wie vor ein geeigneter Baustein zur Schaffung eines Mehr an Rechtssicherheit im Hinblick auf potenzielle Ansprüche von (ehemaligen) Arbeitnehmern.

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