28.03.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht März 2022

Außerordentliche Kündigung wegen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz

LAG Köln, Urteil vom 06.12.2021 – 2 Sa 10/21

Eine verbale sexuelle Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 4 AGG ist ein „an sich“ geeigneter wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Die Pflichtverletzung wiegt umso schwerer, wenn die berufliche Stellung mit hoher Verantwortung einhergeht und sich bereits hieraus eine besondere Pflicht zum Diskriminierungsschutz ergibt.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung. Der Kläger war seit 2013 als Leiter des Geschäftsbereichs „Finanzen und Service“ für die Beklagte tätig. Er bekleidete die erste Ebene unterhalb der Geschäftsführung. Im Rahmen der Beweisaufnahme konnten ihm insgesamt vier Bemerkungen sexuellen Inhalts nachgewiesen werden. Bei einer Nachbesprechung zu einer Sitzung des Verwaltungsrats erklärte der Kläger gegenüber drei weiteren anwesenden Personen in Bezug auf die Verwaltungsratsvorsitzende: „Das Klappergestell gehört mal richtig rangenommen!“. Kurze Zeit später kommentierte er das Kleid einer Sekretärin mit den Worten: „Da muss man sich beim Bücken zusammenreißen, um keinen wegzustecken!“. Auch über die Namensänderung einer schwangeren Kollegin äußerte er sich diskriminierend und bezeichnete zudem die Sekretärin eines Kollegen als dessen „Go-Go-Girl“. Die Beklagte kündigte im Juni 2020 das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Eine vorherige Abmahnung erfolgte nicht.

Entscheidung

Nachdem das Arbeitsgericht Köln der Kündigungsschutzklage des Klägers zunächst stattgegeben hat, sah das LAG Köln die Berufung der Beklagten als begründet an. Nach Auffassung der 2. Kammer des LAG Köln sind die verbalen sexuellen Belästigung i.S.d. § 3 Abs. 4 AGG gemeinsam geeignet, einen wichtigen Kündigungsgrund darzustellen. Die Aussagen des Klägers stellen ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten dar, das bezwecke oder bewirke, die Würde der betroffenen Mitarbeiterinnen zu verletzten. Die strafrechtliche Bewertung spiele dabei keine Rolle. Genauso sei es unerheblich, dass die betroffenen Kolleginnen bei den Äußerungen nicht anwesend waren. In allen vier Situationen durfte der Kläger gerade nicht von einem geschützten und vertraulichen Umfeld ausgehen. Im Übrigen sei es dem Kläger als Führungsperson einmal mehr zuzumuten, jede Mitwirkung an der Schaffung oder Aufrechterhaltung eines frauenfeindlichen, herabwürdigenden und sexistischen Arbeitsklimas zu unterlassen. Zulasten des Klägers sei dabei auch zu berücksichtigen, dass er kaum mit einer Gegenwehr oder kritischen Auseinandersetzungen durch untergeordnete Beschäftigte rechnen musste. Sein Verhalten stelle damit eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass es keiner vorherigen Abmahnung bedurfte. Für den Kläger sei es offensichtlich gewesen, dass eine Hinnahme solcher Äußerungen keinesfalls durch die Beklagte toleriert werden würde.

Fazit

Die Entscheidung ist im Ergebnis und in der Begründung überzeugend. Fast fünf Jahre nach der öffentlichen #metoo Debatte ist die Problematik rund um das Thema der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz weiterhin aktuell. Das Urteil des LAG Kölns verdeutlicht einmal mehr, dass es sich hierbei keinesfalls um ein Kavaliersdelikt handelt. 

§ 12 Abs. 3 AGG statuiert die Verpflichtung des Arbeitgebers, geeignete Maßnahmen zu ergreifen und damit einen Wiederholungsfall auszuschließen. Mit Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz geht es nicht selten um die Frage, ob eine Abmahnung als milderes Mittel anstelle einer Kündigung bereits ausreicht. Arbeitgeber bewegen sich bei dieser Entscheidung auf einem schmalen Grat. Sie müssen sorgfältig abwägen, ob eine Verhaltensänderung in Zukunft zu erwarten ist oder die Schwere der Pflichtverletzung nicht doch den Ausspruch einer Kündigung erfordert. Neben repressiven Maßnahmen umfasst der Schutzauftrag des Arbeitgebers aber auch präventive Maßnahmen. Durch die Einrichtung von Beschwerdestellen, AGG-Schulungen und eine grundlegende Sensibilisierung für das Thema kann einem sexistischen Arbeitsklima erfolgreich entgegengewirkt und betroffenen Beschäftigten die nötige Hilfe angeboten werden. 

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