21.12.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Dezember 2023

Betriebsratsanhörung in der Wartezeit

LAG Hamm, Urteil vom 08.09.2023 – 13 Sa 20/23

In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber die Probezeit eines Arbeitnehmers nicht als erfüllt ansehen. Aus diesem Grund wird dann innerhalb der Probezeit eine Kündigung gegenüber dem Arbeitnehmer ausgesprochen. Wenn im Betrieb des Arbeitgebers ein Betriebsrat gebildet worden ist, ist dieser gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung anzuhören. Das LAG Hamm hatte sich jüngst mit einem Fall auseinanderzusetzen, in dem der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber durchgeführte Betriebsratsanhörung als fehlerhaft ansah.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Der Kläger war seit dem 01.03.2022 beim beklagten Arbeitgeber, der mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigte, als Verkäufer tätig. Die Parteien vereinbarten eine dreimonatige Probezeit mit einer zweiwöchigen Kündigungsfrist.

Mit Schreiben vom 17.08.2022 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Zur Begründung der Kündigung führte die Beklagte in dem Anhörungsschreiben Folgendes aus:

„Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG noch keine Anwendung. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse.“

Der Betriebsrat nahm zu der beabsichtigten Kündigung Stellung und wies darauf hin, dass er es auf Grund der geringen Besetzung in dem Warenbereich nicht für tragbar halte, dem Kläger gegenüber eine Kündigung auszusprechen.

Mit Schreiben vom 25.08.2022, dem Kläger am 30.08.2022 übergeben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2022. Der Kläger erhob gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage. Der Kläger war der Ansicht, dass die Kündigung gemäß § 102 BetrVG unwirksam sei, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei.

Entscheidung

In der ersten Instanz wies das Arbeitsgericht die Klage ab. Gegen das erstinstanzliche Urteil legte der Kläger Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Hamm ein. Der Kläger blieb auch in der Berufungsinstanz mit seiner Kündigungsschutzklage erfolglos.

Als Begründung führte das LAG Hamm aus, dass die Kündigung des Klägers innerhalb der gesetzlichen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG erfolgt sei. Das LAG Hamm stellte in diesem Zusammenhang zutreffend fest, dass auch in der gesetzlichen Wartezeit der Betriebsrat vor einer beabsichtigten Kündigung gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG anzuhören sei. Dies gelte auch dann, wenn ein individualrechtlicher Kündigungsschutz nicht oder noch nicht bestehe.

Bei einer Kündigung in der Wartezeit ist die Substantiierungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleite. Diesen Kündigungsentschluss habe der Arbeitgeber regelmäßig unter Angabe von Tatsachen zu beschreiben, damit der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen könne. Es müsse daher bei der Betriebsratsanhörung zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt werden und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen, unterschieden werden. Im ersten Fall genüge die Anhörung den Anforderungen des § 102 Abs. 1 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrundeliegenden Tatsachen bzw. Ausgangsgrundlagen mitgeteilt werden. Im zweiten Fall reicht die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. Der Arbeitgeber sei in diesem Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens nach § 102 Abs. 1 BetrVG sein Werturteil gegenüber dem Betriebsrat zu substantiieren oder zu begründen.

Diesen Anforderungen genüge die vom Arbeitgeber durchgeführte Anhörung des Betriebsrats. Die Beklagte habe ihre subjektive Entscheidung als Ergebnis ihrer Abwägungen, dass das Arbeitsverhältnis nicht über die Wartezeit hinaus fortgesetzt werden soll, dem Betriebsrat vollständig und hinreichend deutlich mitgeteilt.

Praxistipp

Aus Arbeitgebersicht ist es wichtig darauf zu achten, dass vor Ausspruch einer Kündigung stets ein gebildeter Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören ist. Die vorliegende Entscheidung macht deutlich, dass dies gerade auch im Falle einer Probezeitkündigung gilt, selbst wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht unter den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes fällt.

Die Verpflichtung zur Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG besteht hiervon unabhängig. Es kann in diesem Zusammenhang aber berücksichtigt werden, dass der Arbeitgeber gerade nicht verpflichtet ist, vertieft zu den Kündigungsgründen vorzutragen. Vielmehr zeigt die hier vorliegende Formulierung des Arbeitgebers, dass keine erhöhten Begründungserfordernisse für eine Wartezeitkündigung bestehen.

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