30.06.2025 Fachbeitrag

Betriebsratswahl: Mehrfach-Wahlrecht für Führungskräfte in Matrixstrukturen

Update Arbeitsrecht Juni 2025

Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, ist bei der Wahl des Betriebsrats in allen diesen Betrieben wahlberechtigt – dies gilt ausdrücklich auch für Matrix-Führungskräfte, sofern sie keine leitenden Angestellten sind.

Das Bundesarbeitsgericht hat rechtzeitig vor der nächsten regulären Betriebsratswahl 2026 diese praxisrelevante Entscheidung für Unternehmen mit unternehmensinternen Matrix-Strukturen gefällt (BAG, Beschluss vom 22. Mai 2025, 7 ABR 28/24). Die Entscheidungsgründe sind noch ausstehend, bisher liegt nur die Pressemitteilung (Nr. 22/25) vor.

Sachverhalt

In vielen Unternehmen sind Matrixstrukturen längst gelebte Praxis: Führungskräfte leiten fachlich Teams, deren Mitglieder verschiedenen Betrieben oder sogar Unternehmen angehören. Die klassische betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung stößt hier an ihre Grenzen. Im zugrundeliegenden Fall erbrachte die Arbeitgeberin IT-Dienstleistungen an mehreren Standorten und hatte auf Basis einer Gesamtbetriebsvereinbarung fünf Organisationseinheiten gebildet, in denen jeweils ein Betriebsrat gewählt wurde. Matrix-Führungskräfte, die keine leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG sind, führten Teams mit Beschäftigten aus unterschiedlichen Organisationseinheiten.

Bei der Betriebsratswahl im Betrieb „Region Süd“ wurden auch Matrix-Führungskräfte als wahlberechtigt angesehen, sofern sie Vorgesetzte von Arbeitnehmern dieses Betriebs waren. Die Arbeitgeberin focht die Betriebsratswahl an und argumentierte, die betreffenden Führungskräfte seien nicht dem Betrieb „Region Süd“ zugeordnet (sondern ihrem „Stammbetrieb“) und daher nicht aktiv wahlberechtigt. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg erklärte die Wahl für unwirksam, da es eine Mehrfach-Wahlberechtigung der Führungskräfte ablehnte.

Entscheidung

Das BAG hat mit Beschluss vom 22. Mai 2025 (Az. 7 ABR 28/24) die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg aufgehoben und klargestellt:

Ein Arbeitnehmer, der mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehört, ist bei der Wahl des Betriebsrats in sämtlichen dieser Betriebe wahlberechtigt – dies gilt ausdrücklich auch für Matrix-Führungskräfte, sofern sie keine leitenden Angestellten sind.

Das BAG betont, dass die Wahlberechtigung an die Eingliederung in die jeweilige Betriebsorganisation anknüpft. Entscheidend ist, ob die Führungskraft im jeweiligen Betrieb zur Erfüllung des Betriebszwecks eingesetzt wird und dort tatsächlich fachliche Führungsaufgaben wahrnimmt. Die Zugehörigkeit zu einem Betrieb schließt die Wahlberechtigung in einem weiteren Betrieb nicht aus. Allerdings ist die Eingliederung der Matrix-Führungskraft stets im Einzelfall zu prüfen.

Das BAG konnte im konkreten Fall nicht abschließend entscheiden, ob die Matrix-Führungskräfte tatsächlich in den Betrieb „Region Süd“ eingegliedert waren, und verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Praxistipps

Unternehmen mit internen Matrixstrukturen sollten frühzeitig und sorgfältig prüfen, in welche Betriebe Matrix-Führungskräfte tatsächlich eingegliedert sind. Maßgeblich ist, ob die Führungskraft regelmäßig mit den Beschäftigten des jeweiligen Betriebs zusammenarbeitet und fachliche Weisungsbefugnisse ausübt. Ob die Führungskraft in dem jeweiligen Betrieb auch eine gewisse Zeit physisch vor Ort anwesend ist, dürfte hingegen weniger relevant sein.

Betriebsräte dürften Interesse daran haben, möglichst alle Matrix-Führungskräfte in ihre Wählerliste aufzunehmen, weil die Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer Auswirkungen hat auf die Anzahlt der Betriebsratsmitglieder (§ 9 BetrVG) und die Anzahl der Freistellungen (§ 38 BetrVG). Die Eintragung in die Wählerliste muss aber auf einer fundierten Einzelfallprüfung beruhen. Fehlerhafte Wählerlisten können zudem zur Wahlanfechtung führen.

Ob durch Strukturtarifverträge und Betriebsvereinbarungen das aktive Wahlrecht gestaltet werden kann, indem Matrix-Führungskräfte nur einem Betrieb zugeordnet werden, darf bezweifelt werden, hier sind die Entscheidungsgründe abzuwarten.

Spannende Rechtsfragen sind noch offen. So betrifft die Entscheidung ausschließlich das aktive Wahlrecht; ob auch das passive Wahlrecht (Wählbarkeit in den Betriebsrat) mehrfach bestehen kann, ist offen. Dann könnte eine Matrix-Führungskraft in mehreren Betrieben zum Betriebsrat gewählt werden.

Außerdem bezieht sich die Entscheidung des BAG auf unternehmensinterne Matrixstrukturen. Für internationale oder – in der Praxis häufige – unternehmensübergreifende Matrix-Strukturen bleibt die Rechtslage weiterhin offen. Hier bleibt zu hoffen, dass den Entscheidungsgründen Hinweise zu entnehmen sind.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts bringt für Unternehmen mit Matrixstrukturen mehr Rechtssicherheit, verlangt aber eine sorgfältige und einzelfallbezogene Prüfung der Eingliederung von Führungskräften. Für die anstehenden Betriebsratswahlen 2026 empfiehlt sich eine frühzeitige Überprüfung der betrieblichen Strukturen und der Wahlberechtigung aller betroffenen Führungskräfte. Bei Unsicherheiten sollte rechtzeitig juristischer Rat eingeholt werden, um Anfechtungen und Unsicherheiten im Wahlverfahren zu vermeiden.

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