Listing Act – EU Kommission konkretisiert Vorgaben für vereinfachte Prospektformate
Update Kapitalmarktrecht Nr. 61
Die Umsetzung des Listing Act im Prospektrecht schreitet weiter voran. Bereits zum 4. Dezember 2024 waren die Ausnahmen von der Prospektpflicht erweitert und die weitergehende Möglichkeit geschaffen worden, Wertpapiere einer bereits zugelassenen Gattung auf der Grundlage eines prospektersetzenden Dokuments in Kurzform im Umfang von maximal elf DIN-A4-Seiten (sog. Anhang IX-Dokument) anzubieten oder zum Börsenhandel zuzulassen. Zudem sollen ab dem 5. März 2026 die bereits aus dem geltenden Recht bekannten vereinfachten Prospektformate weiter verschlankt werden. Dazu hat die EU-Kommission am 4. Dezember 2025 Entwürfe zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2019/980 veröffentlicht, die neue vereinfachte Vorgaben für den Inhalt sowie die standardisierte Aufmachung und Reihenfolge für die neuen Formate EU-Folgeprospekt und EU-Wachstumsemissionsprospekt enthalten. Die Konsultationsfrist für die Änderungsvorschläge endet bereits am 1. Januar 2026; da die Änderungen schon ab dem 5. März 2026 gelten sollen, ist mit einem Inkrafttreten Anfang 2026 zu rechnen.
EU-Folgeprospekt
Der EU-Folgeprospekt ist das neue Kurzformat für öffentliche Angebote und Zulassungen durch Emittenten, deren Wertpapiere bereits seit 18 Monaten an einem geregelten Markt oder KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind. Er ersetzt den bislang existierenden vereinfachten Prospekt für Sekundäremissionen. Er ist inhaltlich gegenüber diesem weiter verschlankt und an den während der COVID-19-Pandemie, vorübergehend zur Erleichterung der kurzfristigen Kapitalaufnahme eingeführten EU-Wiederaufbauprospekt angelehnt. Im Entwurf der Kommission werden dabei unterschiedliche Mindestinhalte für Aktien und Schuldverschreibungen festgelegt.
Verglichen mit den bisherigen Vorgaben werden noch konsequenter Doppelungen gestrichen und auf Informationen verzichtet, die aufgrund der bisherigen, aufgrund der Börsennotierung des Emittenten erfolgten Veröffentlichungen als bekannt vorausgesetzt werden können und auf dessen Internetseite verfügbar sind. Verzichtet werden soll künftig insbesondere auf Angaben zur Geschäftstätigkeit des Emittenten, die Mitglieder seiner Leitungs- und Aufsichtsorgane und Hauptaktionäre sowie zu dessen Grundkapital. Jahres- und Halbjahresabschlüsse müssen aufgenommen werden, soweit sie in den letzten 12 Monaten vor der Prospektbilligung veröffentlicht wurden; dabei muss ein Jahresabschluss geprüft sein. Anders als nach dem Listing Act für Vollprospekte vorgesehen, muss kein Lage- oder Nachhaltigkeitsbericht aufgenommen werden. Bei Gewinnprognosen wird auf die Vorgaben zu deren Erstellung und die Bestätigung der Vergleichbarkeit mit den historischen Finanzinformationen sowie der Konsistenz mit den Rechnungslegungsmethoden des Emittenten verzichtet. Weiterhin soll künftig auf eine Übersicht über Kapitalausstattung und Verschuldung verzichtet werden, die bislang nicht älter als 90 Tage sein durfte. Diese war in der Praxis umstritten, da sie Kennzahlen verlangte, die nicht unmittelbar aus der aktuellen Bilanz entnommen werden konnten und zudem mitunter die Aufstellung einer Zwischenbilanz erforderlich machte. Auf diverse formale Angaben zur Durchführung eines Angebots auf der Grundlage des Prospekts soll künftig ebenfalls verzichtet werden.
Ein EU-Folgeprospekt für Aktien darf eine maximale Länge von 50 DIN-A4-Seiten nicht überschreiten. Dennoch soll er denselben Haftungsregelungen unterliegen wie ein vollständiger Prospekt, wobei aber die aufgrund der bestehenden Börsennotierung veröffentlichten Informationen zu berücksichtigen sind. Ein EU-Folgeprospekt muss nur solche Informationen enthalten, die eine Beurteilung der Aussichten und finanziellen Leistungsfähigkeit des Emittenten sowie bedeutende Änderungen seiner Finanz- und Geschäftslage ermöglichen, die seit Ablauf des letzten Geschäftsjahres eingetreten sind, ferner die wesentlichen Informationen über die angebotenen oder zuzulassenden Wertpapiere sowie die Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf den Emittenten.
Der EU-Folgeprospekt kann für ein Angebot und die Zulassung von Wertpapieren genutzt werden, die mit den bereits zugelassenen Wertpapieren fungibel sind, einschließlich der Zulassung von Wertpapieren zu einem geregelten Markt, die mit den bisher an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassenen fungibel sind (sog. Uplisting). Sind nur Schuldverschreibungen eines Emittenten zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen, kann er jedoch keinen EU-Folgeprospekt für die Zulassung von Aktien zum Handel an einem geregelten Markt verwenden.
EU-Wachstumsemissionsprospekt
Der neue EU-Wachstumsemissionsprospekt ersetzt den bisherigen EU-Wachstumsprospekt. Der künftige Wachstumsemissionsprospekt ist nur noch als ein zusammenhängendes Dokument vorgesehen.
Inhaltlich werden die Vorgaben an die vorangestellte Zusammenfassung an den Vollprospekt angeglichen, ansonsten werden die Pflichtangaben erheblich reduziert. Angaben zur Unternehmensführung werden entweder erheblich verschlankt oder ersatzlos gestrichen. Informationen zu Vergütungen (inklusive Pensionsrückstellungen), zum Aktienbesitz von Organmitgliedern, zu Hauptaktionären, wesentlichen Verträgen sowie zu Geschäften mit verbundenen Parteien werden größtenteils gestrichen. Lediglich ein allgemeiner Teil zu Corporate Governance und zu Interessenkonflikten in Bezug auf die Ausgabe der Wertpapiere verbleibt. Ferner werden diverse technische Angaben zum Wertpapierangebot als Pflichtangaben gestrichen, u. a. Detailangaben zur Stabilisierung und zu Greenshoe-Optionen. Insoweit gelten ohnehin gesonderte Offenlegungspflichten nach der MAR und ihren delegierten Rechtsakten, sodass eine Duplizierung im Prospekt entbehrlich erscheint. Dagegen müssen künftig Angaben zur Verwässerung von Altaktionären sowohl unter der Annahme, dass diese keine neuen Aktien zeichnen, als auch unter der Annahme, dass sie vollständig zeichnen, aufgenommen werden.
Jahres- und Halbjahresabschlüsse müssen aufgenommen werden, soweit sie in den letzten 12 Monaten vor der Prospektbilligung veröffentlicht wurden; ein Jahresabschluss muss geprüft sein. Bei Emittenten von Aktien, deren Marktkapitalisierung EUR 200 Mio. übersteigt, ist der Lagebericht für die von den historischen Finanzinformationen abgebildeten Perioden, einschließlich einer etwaigen Nachhaltigkeitsberichterstattung, aufzunehmen. Bei Schuldverschreibungen sind ggf. ESG-Angaben aufzunehmen, sofern sie damit beworben werden, dass sie Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsfaktoren (sog. ESG-Faktoren) berücksichtigen oder ESG-Ziele verfolgen.
Ein EU-Wachstumsemissionsprospekt für Aktien hat eine maximale Länge von 75 DIN-A4-Seiten. Auch für ihn sollen dieselben Haftungsregelungen gelten wie für einen vollständigen Prospekt. Jedoch kann er sich auf verkürzte und verhältnismäßige Angaben beschränken, die es Anlegern ermöglichen, sich die Aussichten und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Emittenten und bedeutende Änderungen der Finanz- und Geschäftslage seit Ablauf des letzten Geschäftsjahres sowie seine Wachstumsstrategie sowie die wesentlichen Informationen über Wertpapiere, die Gründe für die Emission und ihre Auswirkungen auf den Emittenten, einschließlich seiner Kapitalstruktur insgesamt, sowie die Verwendung der Erlöse zu erschließen. Zugleich wird – anders als bei den anderen Prospektformaten - betont, dass der EU-Wachstumsemissionsprospekt insbesondere Kleinanlegern eine fundierte Anlageentscheidung ermöglichen soll.
Fazit
Die neuen vereinfachten Prospektformate EU-Folgeprospekt und EU-Wachstumsemissionsprospekt stellen einen weiteren Versuch dar, Prospekte zu verschlanken und den Aufwand für ihre Erstellung zu reduzieren. Positiv zu bewerten ist die Bereinigung um Doppelungen und Informationen, die bereits anderweitig veröffentlicht wurden. Indes steht der EU-Folgeprospekt in Konkurrenz zu dem im Markt bereits mehrfach verwendeten sog. Anhang IX-Dokument, das nochmals deutlich einfacher ausfällt. Möchte der Emittent mehr Informationen zur Verfügung stellen, etwa bei einer erklärungsbedürftigen Verwendung des Emissionserlöses (wie etwa bei der Finanzierung einer Akquisition oder bei einer erheblichen Änderung der Unternehmensstrategie), dürfte die Umfangsbegrenzung auf 50 DIN-A4-Seiten eine erhebliche Herausforderung darstellen. Das freiwillige Hinzufügen zusätzlicher Elemente wie etwa der nach dem Listing Act gestrichenen Angaben zur Geschäfts- und Finanzlage (auch OFR oder MD&A genannt) erscheint dann kaum möglich. Zudem dürfte ein derart umfangsmäßig begrenzter Prospekt kaum für eine Platzierung an US-Investoren geeignet sein.
Auch ein EU-Wachstumsemissionsprospekt unterliegt einer Umfangsbegrenzung, die aber mit 75 DIN-A4-Seiten moderater ausfällt. Unklar ist hier jedoch der Haftungsmaßstab – die Verkürzung des Umfangs und der Inhalte steht im Widerspruch zur Betonung der Ausrichtung auf Kleinanleger. Was dies angesichts der bisherigen Ausrichtung der deutschen Rechtsprechung bei Prospekten für an der Börse zu notierenden Wertpapieren auf einen „durchschnittlichen Anleger, der eine Bilanz zu lesen versteht“ bedeutet, bleibt erst einmal unklar. Inwieweit dieses Format daher eine echte Alternative für Emittenten darstellt, die dadurch einen einfacheren Zugang zum Kapitalmarkt erhoffen, dürfte zudem von der Komplexität ihres Geschäftsmodells und dem damit einhergehenden Erläuterungsbedarf der mit der Anlage verbundenen Chancen und Risiken abhängen.
Siehe auch:
- Update Kapitalmarktrecht Nr. 56: Erleichterungen bei der Prospektpflicht durch den EU Listing Act
- Update Kapitalmarktrecht Nr. 50: Der Ausbau der Kapitalmarktunion durch den EU Listing Act
- Sickinger/Radke/Pfeufer, Erleichterungen für Anleihebegebungen unter dem EU-Listing Act
- Meyer in Habersack/Mülbert/Schlitt, Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt, 5. Aufl. 2025, § 35, ISBN 978-3-504-40109-2