29.04.2019Fachbeitrag

Newsletter Gesellschaftsrecht/M&A April 2019

Die Reichweite der Zurechnung von Stimmrechten bei „acting in concert“

BGH-Urteil v. 25.09.2018, Az. II ZR 190/17

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 25. September 2018 erstmalig zu der bisher ungeklärten Frage Stellung bezogen, unter welchen Voraussetzungen „Vereinbarungen in Einzelfällen“ von der Anwendung des sog. „acting in concert“ (§ 34 Abs. 2 WpHG) auszunehmen sind. Zudem hat der BGH die Anforderungen an die Änderung der unternehmerischen Ausrichtung des Emittenten nach § 34 Abs. 2 S. 2 WpHG präzisiert.

„acting in concert“

Zur Ermittlung der Stimmrechte an einer börsennotierten Gesellschaft und den damit verbundenen Meldepflichten enthält das WpHG Zurechnungsvorschriften. Nach § 34 Abs. 2 WpHG (§ 22 Abs. 2 WpHG alte Fassung) werden einer Person Stimmrechte aus Aktien Dritter zugerechnet, wenn diese ihr Verhalten mit dem Dritten abstimmt (sog. „acting in concert“).

Fallgruppen nach § 34 Abs. 2 WpHG

Für ein „acting in concert“ ist nach dem Gesetzeswortlaut entweder eine Verständigung (1. Fallgruppe) oder ein Zusammenwirken der Beteiligten mit dem Ziel einer dauerhaften und erheblichen Änderung der unternehmerischen Ausrichtung (2. Fallgruppe) erforderlich.

Verhaltensabstimmung im Einzelfall

Das Gesetz sieht eine Ausnahme für den Fall vor, dass es sich nur um Verhaltensabstimmungen in Einzelfällen handelt. Bislang war unklar, wann eine solche Abstimmung im Einzelfall vorliegt. Teils wurde angenommen, ein Einzelfall sei gegeben, sofern die Umsetzung der Abstimmung der Aktionäre eine einmalige Handlung erfordere, wie z. B. die Abwahl und Neubesetzung des Aufsichtsrats. Dagegen stand die Auffassung, ein Einzelfall dürfe nicht mehr angenommen werden, wenn die Abstimmung dauerhafte oder nachhaltige unternehmenspolitische Folgen verursache, auch wenn die Verhaltensabstimmung tatsächlich nur einmal erfolgte. 

Die BGH-Entscheidung

Der BGH hat diese Frage nunmehr mit erfreulicher Deutlichkeit geklärt und sich der erstgenannten Auffassung angeschlossen. Der BGH begründet seine Entscheidung mit der Wortlautgrenze sowie dem Gedanken der Rechtssicherheit. Auf das qualitative Gewicht oder die unternehmenspolitischen Folgen der Maßnahme könne es nicht ankommen. Es sei unmöglich zu klären, welchen Abstimmungsgegenständen eine derart hinreichende Bedeutung beigemessen werden könne und welchen nicht.

Der BGH hebt hervor, dass Kontinuität und Beständigkeit des abgestimmten Verhaltens für das „acting in concert“ die prägenden Voraussetzungen sind. Die einmalige gemeinsame Stimmrechtsausübung erfüllte den Tatbestand des „acting in concert“ nicht, unabhängig von der Bedeutung und Tragweite der Entscheidung.

Bedeutung auch für § 30 Abs. 2 WpÜG

Die Stellungnahme des BGH dürfte insbesondere im Anwendungsbereich des WpÜG von Interesse sein, da die Zurechnung von Stimmrechten dort ebenso erfolgt.

Präzisierung: unternehmerische Ausrichtung

Eine weitere Klarstellung des BGH erfolgte zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der unternehmerischen Ausrichtung (§ 34 Abs. 2 WpHG). Diese umfasst nach der Entscheidung des BGH die grundlegenden Weichenstellungen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie das verfolgte Geschäftsmodell oder die Ausrichtung der Geschäftsbereiche. Von der Änderung der Ausrichtung kann damit weder bei einer erstmaligen Bestimmung der Unternehmenspolitik noch bei einer Abrede mit dem Ziel, eine bestehende unternehmerische Ausrichtung zu unterstützen, ausgegangen werden. Damit präzisiert der BGH ein weiteres, wesentliches Tatbestandsmerkmal des sog. „acting in concert“.

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