28.09.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht September 2022

Eine umfassende Ausgleichsklausel schließt die Rückforderung zu Unrecht geleisteter Entgeltfortzahlungen aus

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. vom 20. April 2022 – 5 Sa 100/21

Die Aufrechnung des Arbeitgebers mit Rückzahlungsansprüchen wegen zuvor ohne Rechtsgrund geleisteter Entgeltfortzahlung bei Krankheit gegenüber Vergütungsansprüchen des Arbeitnehmers gehört nicht zu der in einem Aufhebungsvertrag vereinbarten ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses.

Aufhebungsverträge enthalten häufig sog. Ausgleichs- oder Erledigungsklauseln. Wenn später eine der Vertragsparteien doch noch Ansprüche geltend machen möchte, stellt sich regelmäßig die Frage, ob solche Ansprüche von der Erledigungsklausel erfasst werden sollten oder nicht. Dabei gehen die Gerichte regelmäßig davon aus, dass Erledingsunsklauseln im Zweifel weit und umfassend auszulegen sind. Dies bestätigt erneut eine Entscheidung des LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Sachverhalt

Ein Arbeitgeber sah sich veranlasst, Lohnabrechnungen einer Mitarbeiterin aus den Monaten Juni und Juli 2020 zu korrigieren. Er begründete dies damit, dass er aufgrund neuerer Informationen Anlass hatte, davon auszugehen, dass Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, die er zunächst wegen einer Neuerkrankung als „getrennt“ behandelt hatte, tatsächlich aufgrund eines sog. einheitlichen Versicherungsfalls zusammenzurechnen waren. Den Betrag der von ihm festgestellten Überzahlung teilte der Arbeitgeber der Mitarbeiterin mit.

Noch bevor der Arbeitgeber die sich daraus ergebenden Rückforderungsansprüche durchsetzen konnte, schlossen die Parteien Mitte Oktober 2020 einen Aufhebungsvertrag, der das Arbeitsverhältnis zum 31. Oktober 2020 beenden sollte. Die Parteien vereinbarten darin neben der Zahlung von konkreten Beträgen zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen und zum Ausgleich von Überstunden unter anderem auch, dass das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß und entsprechend der arbeitsvertraglichen Regelungen abgerechnet werden und die sich ergebenden Nettobeträge an die Arbeitnehmerin ausgezahlt werden sollten. Außerdem enthielt der Aufhebungsvertrag eine umfassende Ausgleichsklausel, nach der mit der Erfüllung der Aufhebungsvereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleich aus welchem Rechtsgrund, ob bekannt oder unbekannt, vollständig erledigt sein sollten. Die Überzahlungen wurden in der Vereinbarung nicht erwähnt.

Der Arbeitgeber behielt dennoch vom letzten Gehalt der Mitarbeiterin die von ihm ermittelten Überzahlungen ein. Die Parteien stritten sodann darüber, ob die Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers der Sache nach berechtigt waren. Außerdem berief sich die Mitarbeiterin auf die Ausgleichsklausel. Danach seien etwaige Rückforderungsansprüche ohnehin ausgeschlossen. Der Arbeitgeber seinerseits berief sich darauf, dass die Verrechnung der überzahlten Beträge Teil der im Aufhebungsvertrag vereinbarten ordnungsgemäßen Abwicklung sei. Das Arbeitsgericht folgte in I. Instanz der Argumentation des Arbeitgebers.

Entscheidung des LAG

Dem ist das LAG Mecklenburg-Vorpommern entgegengetreten. Es hat das Urteil des Arbeitsgerichts aufgehoben und den Arbeitgeber zur Auszahlung der zuvor einbehaltenen Beträge verurteilt.

Es könne dahinstehen, ob die Rückzahlungsansprüche der Sache nach begründet seien und ob die Klägerin die Entgeltfortzahlung zu Recht erhalten hatte oder nicht. Jedenfalls stehe die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Ausgleichsklausel der Durchsetzung etwaiger Rückzahlungsansprüche des Arbeitgebers entgegen. Schon nach dem Wortlaut erfasse die sehr weit gefasste Erledigungsklausel auch einen Bereicherungsanspruch des Arbeitgebers wegen einer Gehaltsüberzahlung. Dieser Anspruch sei ein Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Ob die Parteien bei Abschluss des Aufhebungsvertrages an diesen Anspruch gedacht hätten, sei unerheblich. Jedenfalls sei der Anspruch (einschließlich der Höhe des überzahlten Betrages) dem Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen. Die Vereinbarung über die ordnungsgemäße Abrechnung beziehe sich lediglich auf die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus dem Steuer- und dem Sozialversicherungsrecht, die jeweiligen Abzüge aus der Bruttovergütung zu berechnen und an die zuständigen Stellen abzuführen. Welche wechselseitigen Ansprüche noch abzurechnen waren, ließe sich der Klausel nicht entnehmen. Die abzurechnenden Ansprüche seien vielmehr in der Vereinbarung an anderer Stelle geregelt – und dort wiederum waren keine Bereicherungsansprüche erwähnt.

Hinweise

Einmal mehr zeigt sich, dass im Zuge von Abwicklungs- oder Aufhebungsverträgen nicht vorschnell umfassende Abgeltungs- und Erledigungsklauseln vereinbart werden sollten. Zwar sind solche Klauseln sehr üblich und auch sinnvoll, um das Arbeitsverhältnis insgesamt zu einem „Abschluss“ zu bringen und spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Aus Arbeitgebersicht gilt es aber immer sorgfältig zu prüfen, ob es nicht doch noch (Zahlungs-)Ansprüche gegen den ausscheidenden Arbeitnehmer gibt, die dann besser ausdrücklich geregelt werden sollten. Zu denken ist hier beispielsweise an die Rückzahlung von Vorschüssen oder von Darlehen, an mögliche Steuererstattungen (speziell in Entsendefällen) oder an die Rückgabe von Gegenständen (Büromöbel im Homeoffice o.ä.).
 

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