Entschädigung für den Entzug des Dienstwagens nach erfolgter Freistellung
Update Arbeitsrecht August 2025
LAG Niedersachsen, 22.05.2025 Az. 5 SLa 249/25
Darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses freistellen und diesem noch dazu den – auch privat genutzten – Dienstwagen entziehen? Diese überaus praxisrelevante Frage war kürzlich Gegenstand einer Entscheidung des LAG Niedersachsen.
Sachverhalt
Der Kläger war als Gebietsleiter bei der Beklagten beschäftigt und nutzte einen Dienstwagen, den er auch privat verwenden durfte. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthielt eine Klausel, die der Arbeitgeberin das Recht einräumte, den Arbeitnehmer bei oder nach Ausspruch einer Kündigung ohne weitere Voraussetzungen freizustellen. Zudem existierte ein Dienstwagenüberlassungsvertrag. Dieser sah vor, dass die “Erlaubnis der dienstlichen als auch der privaten Nutzung […] durch die Arbeitgeberin unter Einhaltung einer Frist von einem Monat widerrufen werden [könne], wenn ein sachlicher Grund [vorliege]”. Ein sachlicher Grund liege insbesondere vor, wenn der Arbeitnehmer freigestellt werde. Die Zahlung einer Entschädigung war für diesen Fall nicht vorgesehen.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2024. Darauf stellte ihn die Arbeitgeberin bis zum Ende der Kündigungsfrist einseitig frei und forderte ihn zur Rückgabe des Dienstwagens zum 30. Juni 2024 auf. Der Kläger kam dieser Forderung zwar nach, forderte jedoch eine Entschädigung für den Entzug der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens für die Zeit der Freistellung.
Entscheidung des Gerichts:
Das LAG Niedersachsen entschied, dass sowohl die Freistellungsregelung im Arbeitsvertrag als auch die Widerrufsklausel im Dienstwagenvertrag unwirksam seien. Die Freistellungsklausel, so das LAG, verstoße gegen § 307 BGB, da sie den Arbeitnehmer unangemessen benachteilige. Die Freistellungsklausel sei zu unbestimmt und nenne keine konkreten Voraussetzungen für eine Freistellung. Nach der Rechtsprechung bestehe ein allgemeiner Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, der nur bei Vorliegen konkreter, überwiegender Arbeitgeberinteressen eingeschränkt werden dürfe. Solche konkreten Gründe vermochte das LAG im vorliegenden Fall nicht zu erkennen. Der bloße Ausspruch einer Kündigung reiche nicht aus, um den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers auszuschließen. Auch die Regelung des Widerrufs im Dienstwagenüberlassungsvertrag erachtete das Gericht für unwirksam, weil diese an die unwirksame Freistellung anknüpfe.
Da die Freistellung unwirksam war, fehle auch die Grundlage für den Entzug der privaten Dienstwagennutzung. Dem Kläger wurde eine monatliche Entschädigung in Höhe von EUR 510 brutto für den Zeitraum Juli bis November 2024 zugesprochen.
Praxishinweis
Die Entscheidung des LAG Niedersachsen bekräftigt den nach ständiger Rechtsprechung anerkannten Anspruch des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung. Eine einseitige Freistellung ist nur in den Fällen möglich, in denen dieser Beschäftigungsanspruch gegenüber einem berechtigten Interesse des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer nicht beschäftigen zu müssen, zurücktreten muss. Dabei erlaubt die Rechtsprechung grundsätzlich, dass der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist zum Zwecke der Erfüllung des Urlaubsanspruchs freigestellt werden kann. Dies gilt auch ohne vertragliche Regelung.
Wenngleich der Arbeitgeber im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus diversen Gründen den Wunsch verspüren mag, den Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Kündigung nicht beschäftigen zu müssen, ist die von einer Urlaubsgewährung unabhängige Möglichkeit der Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bisher nicht abschließend geklärt. Dies ist gerade in den Fällen, in denen eine lange Kündigungsfrist gilt, die den (Rest)Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers übersteigt, von Relevanz. Das LAG Niedersachsen stellt sich auf den Standpunkt, dass eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses für sich genommen kein Freistellungsrecht des Arbeitgebers begründet.
Da das Widerrufsrecht bzgl. des Dienstwagens im vorliegenden Fall an die Freistellung des Klägers gekoppelt war, konnte dieses konsequenterweise keinen Bestand haben.
Die Möglichkeit der privaten Nutzung eines Dienstwagens stellt anerkanntermaßen einen Teil der Vergütung des Arbeitnehmers dar, der nicht ohne wichtigen Grund entzogen werden darf. Eine unberechtigte Freistellung kann jedoch keinen wichtigen Grund begründen, so dass der Kläger im vorliegenden Fall einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die unberechtigte Rückforderung des Dienstwagens hatte.
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig; die Revision ist beim BAG anhängig (5 AZR 108/25). Es bleibt daher abzuwarten, ob das BAG die Meinung des LAG Niedersachsen teilen oder feststellen wird, dass bereits die Ausprache einer Kündigung (egal von welcher Partei) eine Freistellung des Arbeitnehmers ermöglicht.