19.05.2020FachbeitragCorona

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Errichtung eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds für die Realwirtschaft

Zur Stabilisierung der Realwirtschaft in Zeiten der COVID-19-Pandemie haben Bundestag und Bundesrat mit dem Gesetz zur Errichtung des Wirtschaftsstabilisierungsfonds vom 27. März 2020 („WStFG“) den Wirtschaftsstabilisierungsfonds („WSF“) als Sondervermögen errichtet. Dazu hat die Legislative das Finanzmarktstabilierungsgesetz und das Finanzmarktstabilisierungsbeschleunigungsgesetz (jetzt umbenannt (in Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz) aus der Finanzkrise erweitert und in Teilen neu gefasst; darunter zahlreiche Änderungen des Gesellschaftsrechts für Stabilisierungsmaßnahmen durch den WSF.

Stabilisierungsmaßnahmen unter dem WSF sind bis Ende 2021 möglich und sollen nach Willen des Gesetzgebers ultima ratio sein.

Ziele und Instrumente des WSF

Der WSF verfolgt zwei Ziele:

  • Überwindung von Liquiditätsengpässen sowie
  • Stärkung der Eigenkapitalbasis von Unternehmen

Instrumente des WSF sind

  • Garantien für Schuldtitel iHv. EUR 400 Milliarden zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen und zur Unterstützung der Refinanzierung von Unternehmen
  • EUR 100 Mrd. zur Kapitalstärkung durch Beteiligung an Unternehmen („Repkapitalisierungsmaßnahmen“)
  • EUR 100 Mrd. zur Refinanzierung von KfW-Sonderprogrammen

Für alle drei Instrumente kann das BMF Durchführungsverordnungen erlassen, welche die Instrumente näher regeln, einschließlich Gegenleistung, Obergrenzen, Absicherung des Förderzwecks wie auch spätere Rückabwicklung der Förderungen. Nachdem die EU-Kommission am 8. Mai 2020 den Vorübergehenden Gemeinschaftsrahmen für Beihilfen um detaillierte Regelungen für Rekapitalisierungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten erweitert und nachrangige Schuldtitel, Hybridanleihen, Genussrechte, stille Beteiligungen, Wandelanleihen und Anteilsübernahmen als Instrumente zugelassen hat, ist mit einer zeitnahen Freigabe der zum gegenwärtigen Zeitpunkt (11. Mai 2020) noch in Abstimmung befindlichen Durchführungsverordnungen des WSF zu rechnen, so dass der WSF seine Tätigkeit bald aufnehmen kann. Zu beachten ist zudem, dass von der EU-Kommission freigegebene Regelungen ab dem Schwellenwert von EUR 250 Mio. zudem der individuellen Notifizierung bedürfen und hierfür ein Zeitraum von mindestens vier Wochen eingeplant werden sollte.

Antragsvoraussetzungen und -Antragstellung

Förderfähig sind Unternehmen, die

  • der Realwirtschaft angehören
  • in ihrem Bestand gefährdet sind
  • sich dadurch Auswirkungen ergeben für
    • die Wirtschaft
    • technologische Souveränität
    • Versorgungssicherheit
    • Kritische Infrastrukturen oder
    • den Arbeitsmarkt

und die

  • keine KMU (Kleine und mittlere Unternehmen gemäß EU-Definition) sind. Ausnahmen sind möglich für Unternehmen (i) von Bedeutung für kritische Infrastruktur (siehe § 55 Außenwirtschaftsverordnung oder (ii) mit vergleichbarer Bedeutung für Sicherheit und Wirtschaft oder (iii) in Form von Start-Ups mit Bewertung von mind. EUR 50 Mio.).

Unternehmen müssen zudem die folgenden Voraussetzungenerfüllen:

  • Das Unternehmen darf sich nicht bereits am 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten (gemäß Art. 2 Ziffer 18 AGVO) befunden haben
  • dem Unternehmen stehen keine anderweitigen Möglichkeiten zur Überweindung des Liquiditätsengpasses bzw. zur Refinanzierung zur Verfügung (ultima ratio Gedanke)
  • das Unternehmen muss aufgrund der Stabilisierungsmaßnahme eine klare eigenständige Fortführungsperspektive nach Überwindung der Coronavirus-Pandemie haben und
  • das Unternehmen muss darlegen, dass es Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik leisten kann. Dies kann insbesondere in der Stabilisierung von Produktionsketten und in der Arbeitsplatzsicherung liegen. Die Vorgaben des Deutschen Corporate Governance Codex sollte ein antragstellendes Unternehmen beachten.

Aufgrund der Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen macht die EU-Kommission zudem (weitere) strikte Vorgaben für die Gewährung von Rekapitalisierungsmaßnahmen. Voraussetzungen sind:

  • wie auch der WSF fordert die EU-Kommission für Rekapitalisierungen, dass die Liquiditätsengpässe die Überlebensfähigkeit des Unternehmens bedrohen und es keine andere Möglichkeit gibt, eine bezahlbare Finanzierung im Markt zu erhalten, die Maßnahme also die ultima ratio ist.
  • ebenso wie unter dem WSF muss ein Gemeinschaftsinteresse an der Rekapitalisierung bestehen (z.B. große Zahl an Arbeitsplätzen, Exit eines innovativen oder systemrelevanten Unternehmens)
  • abschließend ist die Beihilfe auf das begrenzt, was zum Überleben des Unternehmens erforderlich ist und darf nicht über die Wiederherstellung der Kapitalstruktur vor den COVID19-Pandemie hinausgehen

Weitere Bedingungen für eine Rekapitalisierung von Unternehmen durch die Mitgliedstaaten sind:

  • eine entsprechende Vergütung des Staates für die Risikoübernahme
  • ein Anreiz der Eigentümer bzw. Gesellschafter, die vom Staat übernommenen Anteile wieder zu erwerben, um den vorübergehenden Charakter der Maßnahme zu gewährleisten
  • Entwicklung einer Ausstiegsstrategie: Wenn der Mitgliedsstaat nach sechs Jahren (börsennotierte Unternehmen) bzw. sieben Jahren (sonstige Unternehmen) noch 15 Prozent oder mehr des Kapitals hält, muss das Unternehmen der EU-Kommission einen Umstrukturierungsplan vorlegen
  • Verbot der Zahlung einer Dividende (Ausnahme: Dividende an den Staat) sowie des Rückkaufs eigener Anteilen bis zum vollständigen Ausstieg des Staates
  • Begrenzung der Vergütung der Unternehmensführung bis zu einer Rückführung von 75 Prozent der Rekapitalisierung; zudem Verbot von Bonuszahlungen.
  • Verbot der Quersubventionierung von Gesellschaften im Konzern, dazu Einsatz der Trennungsrechnung
  • große Unternehmen dürfen bis zur Rückzahlung von 75 Prozent der Rekapitalisierung keine Beteiligung von mehr als 10 Prozent an Wettbewerbern oder anderen Akteuren derselben Branche, einschließlich vor- und nachgelagerter Tätigkeiten, erwerben.

Der Antrag auf Übernahme einer Förderung unter dem WSF ist beim BMWi einzureichen. Die genannten Antragsvoraussetzungen sind ausführlich zu begründen und ggf. mit Nachweisen zu versehen, um eine positive Entscheidung zu ermöglichen. Insbesondere ist dazulegen, warum eine als ultima ratio gedachte Fördermaßnahme erforderlich ist. Das Unternehmen muss demnach nachweisen, dass andere dem Unternehmen normalerweise zur Verfügung stehenden Instrumente ausgeschlossen sind. Sinnvoll ist es, proaktiv das Gespräch mit dem BMWi zu suchen. Anträge werden nach Abstimmung der Durchführungsverordnungen mit der EU-Kommission hier abgerufen und eingereicht werden können.

Bewertung der Antragstellung durch den Bund

Das BMF entscheidet im gegenseitigen Einvernehmen mit dem BMWi über den Antrag auf Mittel aus dem WSF. Entscheidungskriterien sind:

  • Die Bedeutung des Unternehmens für Deutschlands Wirtschaft
  • Dringlichkeit der Antragstellung
  • Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und Wettbewerb sowie
  • sparsamer und wirtschaftlicher Einsatz der Mittel des WSF.

Eine Förderung aus dem WSF liegt im Ermessen der Bundesregierung; es gibt keinen Anspruch auf Förderung. Die Bundesregierung muss ein wichtiges Interesse an der Stabilisierung des Unternehmens haben.

Eine Entscheidung der Bundesregierung kann mit Bedingungen und Auflagen versehen werden, die auch Einschnitte in unternehmerische Freiheiten bedeuten können (z.B. Auflagen zur Verwendung der Finanzmittel, Verpflichtung zum Erhalt von Arbeitsplätzen über einen festzulegenden Zeitraum, Vorgaben für Ausschüttungen des Unternehmens oder zur Vergütung etc.).

Änderungen durch das Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz

Das Wirtschaftsstabilisierungsbeschleunigungsgesetz sieht ergänzend zur Errichtung des WSF zahlreiche Erleichterungen u.a. des AktG oder des WpÜG vor. Diese gelten teilweise für Unternehmen allgemein sowie teilweise nur im Kontext einer konkreten Stabilisierungsmaßnahme durch den WSF. Das Gesetz erfasst nicht nur Aktiengesellschaften, sondern ist entsprechend auf andere Rechtsformen anwendbar. Die Erleichterungen betreffen (nicht abschließend):

  • Unterschreitung des Börsenkurses bei der Ausgabe neuer Aktien an dem WSF
  • Erleichterungen bei der Ausgabe von Vorzugsaktien an den WSFErleichterungen der Mehrheitserfordernisse bei Beschlüssen zu Kapitalmaßnahmen
  • Schaffung eines speziellen bedingten Kapitals von mehr als 50 Prozent des Grundkapitals und vereinfachte Ausgabe von Genussrechten und Nachranganleihen ohne Hauptversammlungszustimmung
  • Ausschluss wesentlicher Bestimmungen des Übernahmerechts (kein Pflichtangebot).

Bewertung

Der Teufel steckt im Detail. So hat der Gesetzgeber mit seiner Anforderung an eine „klare eigenständige Fortführungsperspektive“ einen unbestimmten Rechtsbegriff gewählt. Es ist nicht geklärt, wie sich dieser Begriff zum insolvenzrechtlichen Begriff der positiven Fortführungsprognose verhält. Die „klare eigenständige Fortführungsperspektive“ dürfte jedoch ein Minus zur positiven Fortführungsprognose sein; zumindest jedoch wird erforderlich sein, dass eine Stabilisierungsmaßnahme (bei ex ante-Betrachtung sowie unter Berücksichtigung der aktuellen Entwicklungen der COVID-19-Pandemie) erfolgreich sein kann. Der Antrag könnte daher auch während der Abstimmung mit dem BMWi entsprechend der Entwicklung zu aktualisieren sein. Hilfreich dürfte es zudem sein, verschiedene Szenarien zu Dauer und Ausmaß der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in den Antrag aufzunehmen und daran die Höhe der beantragten Maßnahme zu knüpfen.

Bei Maßnahmen des WSF treffen zahlreiche Rechtsgebiete aufeinander. Beihilferecht, Gesellschaft- und Kapitalmarktrecht, Finanzierungs- und Steuerrecht, deren Zusammenspiel durch die verabschiedeten Erleichterungen noch komplexer geworden ist. Zur rechtskonformen Umsetzung einer Maßnahme sind alle diese Rechtsgebiete im Blick zu behalten, um spätere rechtliche Implikationen (Unwirksamkeit von getroffenen Maßnahmen eines Unternehmens, Rückzahlung aufgrund von Verstoßes gegen das Beihilferecht, nachträgliche Besteuerung etc.) auszuschließen. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Abstimmung der Durchführungsverordnungen (als Maßnahmen nach dem WSF) die EU-Kommission notifiziert, so dass Einzelnotifizierungen grundsätzlich nicht mehr erforderlich sind. Dabei ist es jedoch nicht ausgeschlossen, dass einzelne Maßnahmen mit großem Umfang dennoch individuell bei der EU-Kommission notifiziert werden, um Rechtssicherheit zu erlangen. Dieser Umstand ist bei der Zeitplanung zu berücksichtigen.

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