29.08.2023Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht August 2023

Gleichbehandlungsgrundsatz bei Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie

ArbG Paderborn, Urteil vom 06. Juli 2023 - 1 Ca 54/23

Das Arbeitsgericht Paderborn hält bei der Auszahlung einer Inflationsausgleichsprämie an die Arbeitnehmer eine Differenzierung des Arbeitgebers danach, ob die Arbeitnehmer in den letzten Jahren Sonderzahlungen von dem Arbeitgeber erhalten haben oder nicht, für sachlich begründet. Daher lehnte es einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie gestützt auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie auf einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB ab.

I. Sachverhalt

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit dem 01. September 2009 als Verkäuferin in Teilzeit zu einem monatlichen Bruttogehalt von zuletzt 1.658,90 Euro beschäftigt. Die Beklagte hat den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern flächendeckend den Abschluss neuer Arbeitsverträge angeboten. Das Angebot enthielt unter anderem einen Verzicht auf ein Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Die Klägerin hat dieses Angebot abgelehnt. Die Klägerin hat daraufhin in den Jahren 2020 und 2021 Sonderzahlungen von insgesamt 3.700,00 Euro erhalten und - nach Klageerhebung - auch eine Sonderzahlung in Höhe von 1.036,81 Euro für das Jahr 2022.

Die Beklagte informierte sämtliche Arbeitnehmer mit Schreiben vom 29. September 2022 darüber, dass allen Arbeitnehmern, die in den letzten Jahren seit der Corona-Pandemie keine Sonderzahlung erhalten haben, Anfang Dezember 2022 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.000,00 Euro netto ausgezahlt werden soll. Das Schreiben enthielt den folgenden Wortlaut:

„[…] Wir haben immer gesagt, dass - wenn [die Beklagte] wieder besser da steht - ihr daran teilhaben werdet. Dabei haben wir - in Abstimmung mit dem Betriebsrat, der sich hierfür intensiv eingesetzt hat - entschieden, dass alle Mitarbeiter*innen, die in diesem Geschäftsjahr auf Sonderzahlungen verzichtet haben, spätestens Anfang Dezember eine freiwillige Einmalzahlung von netto 1.000,00 € Inflationsprämie erhalten. Teilzeitkräfte erhalten diese entsprechend anteilig*. Wir nehmen die durch die steigende Inflation wachsenden finanziellen Belastungen wahr und hoffen, hierdurch etwas Entlastung zu schaffen.“

Die Beklagte hat an die Klägerin keine Inflationsausgleichszahlung ausgezahlt.

II. Klage und Rechtsauffassung der Klägerin

Die Klägerin verlangt von der Beklagten daher auf dem Klageweg die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie unter Berücksichtigung ihrer Teilzeitbeschäftigung in Höhe von 666,00 Euro.

Sie ist der Ansicht, ein Anspruch auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie ergebe sich zum einen aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn es seien keine sachlichen Gründe gegeben, die eine Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber den Arbeitnehmern, an die die Beklagte eine Inflationsausgleichsprämie ausgezahlt hat, rechtfertigen würden. Sinn und Zweck der Inflationsausgleichsprämie sei eine Belohnung für den persönlichen Einsatz sowie die Betriebstreue zu der Beklagten sowie ein Ausgleich inflationsbedingter finanzieller Härten. Aufgrund der gestiegenen Inflationsreite sei aber auch die Klägerin von derartigen finanziellen Zusatzbelastungen betroffen.

Zum anderen ergebe sich der Anspruch aus einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB. Die Klägerin ist der Ansicht, die Inflationsprämie sei deshalb nicht an sie ausbezahlt worden, weil sie das Angebot der Beklagten auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages nicht angenommen hat.

III. Rechtsauffassung der Beklagten

Die Beklagte behauptet, mit der Inflationsausgleichsprämie Dankbarkeit ausdrücken und die Betriebstreue der Arbeitnehmer honorieren zu wollen, die sich während der Corona-Pandemie, die für die Beklagte mit wirtschaftlichen Engpässen verbunden gewesen sei, durch die Unterzeichnung der neuen Arbeitsverträge in hohem Maße ihr gegenüber solidarisch gezeigt haben. Aus diesem Grund sei die Inflationsausgleichsprämie nur an diejenigen Arbeitnehmer ausgezahlt worden, die die neuen Arbeitsverträge unterschrieben haben, sodann keine Sonderzahlungen erhalten haben und diese auch nicht klageweise geltend gemacht haben.

Grund für die Ungleichbehandlung der Klägerin sei gewesen, dass diese in den Jahren 2020 und 2021 Sonderzahlungen von insgesamt rund 3.700,00 Euro von der Beklagten erhalten habe, wohingegen der Großteil der übrigen Arbeitnehmer seit dem Jahr 2020 aufgrund der wirtschaftlichen Engpässe während der Corona-Pandemie keine Sonderzahlungen erhalten hatte. Auch für das Jahr 2022 habe die Klägerin anders als andere Arbeitnehmer - auf dem Klageweg - eine Sonderzahlung in Höhe von 1.036,81 Euro erhalten. Es liege mithin ein sachlicher Grund für eine weniger günstige Behandlung der Klägerin gegenüber der Arbeitnehmergruppe, die die neuen Arbeitsverträge unterschrieben und damit auf Sonderzahlungen verzichtet hat, vor. Auch sei die Klägerin aufgrund der bereits an sie geleisteten Sonderzahlungen von den inflationsbedingten Härten, die mit der Inflationsausgleichsprämie ausgeglichen werden sollten, weniger stark belastet.

Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot sei nicht gegeben, da die Klägerin nicht an der Ausübung ihrer Ansprüche und Rechte gehindert würde, indem ihr keine Inflationsausgleichsprämie ausgezahlt wurde.

IV. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Paderborn

Das Arbeitsgericht Paderborn hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie ergebe sich weder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus einem Verstoß gegen das Maßregelungsverbot.

1. Kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz

In dem Verhalten der Beklagten liege kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in einer vergleichbaren Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regelung gleich zu behandeln. Damit verbietet er nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (vgl. BAG 31.08.2005 - 5 AZR 517/04). Der Gleichbehandlungsgrundsatz findet auch im Bereich der Vergütung Anwendung, wenn die Vergütungen durch eine betriebliche Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, soweit er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (vgl. BAG 27.07.1988 - 5 AZR 244/87). Nicht möglich sei der Ausschluss einzelner Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen von einer Gehaltserhöhung aus unsachlichen oder sachfremden Gründen. Ob ein bestimmter Personenkreis zurecht ausgenommen wurde, sei jeweils nach dem mit der Gehaltserhöhung verfolgten Zweck zu beurteilen (vgl. BAG 17.05.1978 - 5 AZR 132/77). Der Arbeitgeber habe jeweils die Gründe für die Differenzierung substantiiert darzulegen, sodass eine Überprüfung der sachlichen Gründe ermöglicht wird.

In dem zugrundeliegenden Fall hat die Beklagte die Inflationsausgleichsprämie lediglich an die Arbeitnehmer ausgezahlt, die mit der Unterzeichnung der neuen Arbeitsverträge auf Sonderzahlungen verzichtet hatten. Damit hat sie eine Gruppenbildung im Sinne des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes vorgenommen.

Das Gericht hält die von der Beklagten angelegten Differenzierungskriterien auch für sachlich begründet. Die Gleichbehandlung könne nicht alleine nach dem für alle Arbeitnehmer gleichermaßen geltenden Ziel des Ausgleichs inflationsbedingter Härten beurteilt werden, da die Beklagte mit der Beschränkung der Auszahlung auf bestimmte Arbeitnehmer einen weitergehenden Zweck verfolgte. Denn die Beklagte wollte mit der von ihr vorgenommenen Differenzierung letztlich eine Angleichung der Arbeitsbedingungen zwischen den Arbeitnehmern, die in den Jahren zuvor Sonderzahlungen erhalten haben und den Arbeitnehmern, die keine solchen Zahlungen erhalten haben, bewirken. Die Bezeichnung der Zahlung als „Inflationsausgleichsprämie“ sowie die Zahlung nur an diejenigen Arbeitnehmer, die in den Jahren zuvor auf eine Sonderzahlung verzichtet hatten, zeige den Charakter der Zahlung als Ausgleichszahlung auf.

2. Kein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot

Das Gericht lehnt auch einen Verstoß der Beklagten gegen das Maßregelungsverbot aus § 612a BGB ab.

Gemäß § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer bei einer Vereinbarung oder Maßnahme nicht deshalb benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Die Vorschrift verbietet mithin sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen aus den genannten Gründen. Ein Verstoß gegen § 612a BGB liegt deshalb nach ständiger Rechtsprechung nicht nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer eine Einbuße erleidet, sich seine Situation also gegenüber dem bisherigen Zustand verschlechtert, sondern auch dann, wenn ihm Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, die ihre Rechte nicht ausgeübt haben (vgl. BAG 12.06.2002 - 10 AZR 340/01).

Mit der Ablehnung des Angebots auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages mit der Beklagten hat die Klägerin in zulässiger Weise von ihren Rechten Gebrauch gemacht.

Allerdings war diese Rechtsausübung der Klägerin nicht kausal für die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung. Die Nichtunterzeichnung des neuen Arbeitsvertrages durch die Klägerin war nicht der Grund dafür, dass die Beklagte an sie keine Inflationsausgleichsprämie ausgezahlt hat. Vielmehr sollten durch die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie inflationsbedingte Härten bei den Arbeitnehmern kompensiert werden, die in den vergangenen Jahren keine Sonderzahlungen erhalten hatten. Von diesen inflationsbedingten Härten sei die Klägerin nicht in gleicher Weise wie diese Arbeitnehmer betroffen gewesen, da inflationsbedingte Härten bei ihr zum Teil durch die an sie ausgezahlten Sonderzahlungen kompensiert worden seien. Die Beklagte habe bei der Verteilung zulässig zwischen solchen Arbeitnehmern, die bereits eine Sonderzahlung erhalten hatten, und solchen Arbeitnehmern, die aufgrund der Unterschrift des neuen Arbeitsvertrages keine Sonderzahlung erhalten hatten, differenziert.

V. Praxishinweis

Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht, dass sowohl bei der Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes als auch bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB vorliegt, der von dem Arbeitgeber mit der jeweiligen Maßnahme verfolgte Zweck genau herauszuarbeiten ist.

Selbstredend stellt die Differenzierung danach, ob ein Arbeitnehmer bereits in den Vorjahren Sonderzahlungen erhalten hat oder nicht, ein sachgerechtes Kriterium dar, um zu entscheiden, ob diesen Arbeitnehmern eine Inflationsausgleichsprämie gezahlt wird. Denn inflationsbedingte finanzielle Mehrbelastungen wurden bei der ersten Arbeitnehmergruppe bereits zum Teil durch die erhaltenen Sonderzahlungen ausgeglichen, während die zweite Arbeitnehmergruppe bislang noch keinerlei Ausgleich für diese erhalten hatte.

Auch ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot gemäß § 612a BGB ist nur dann anzunehmen, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers kausal für dessen Benachteiligung war. Dies hat das Arbeitsgericht Paderborn im vorliegenden Fall zurecht verneint. Denn die Nichtzahlung der Inflationsausgleichsprämie beruhte nicht kausal auf der Nichtunterzeichnung des neuen Arbeitsvertrages durch die Klägerin, sondern vielmehr darauf, dass etwaige bei der Klägerin eingetretene inflationsbedingte Härten bereits durch die vorangegangenen Sonderzahlungen zum Teil kompensiert worden sind.

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