Keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach entzündeter Tätowierung
Update Arbeitsrecht September 2025
LAG Schleswig-Holstein 22.05.2025 – 5sa 284a/24
Tätowierungen sind weit verbreitet, tragen jedoch auch Risiken mit sich, wie zum Beispiel eine eventuelle Entzündung des Tattoos. Das LAG Schleswig-Holstein hatte nun darüber zu entscheiden, wer das finanzielle Risiko trägt, wenn beim Stechen des Tattoos etwas schiefläuft.
I. Sachverhalt
Im zugrundeliegenden Fall stritten die Parteien um die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Die Klägerin, eine Pflegehilfskraft, ließ sich eine Tätowierung am Unterarm stechen, die sich entzündete. Aufgrund der Entzündung meldete sich die Klägerin krank. Die Beklagte verweigerte die Lohnfortzahlung für diese Zeit.
Die Klägerin argumentierte, die Entzündung sei ein seltenes Risiko, das lediglich in 1–5 Prozent aller Fälle vorkam. Die Entzündung sei daher nicht vorhersehbar und ihr Verschulden gewesen. Tätowierungen seien heutzutage normaler Teil der privaten Lebensführung.
Die Beklagte dagegen meinte, wer sich tätowieren lasse, willige bewusst in eine Körperverletzung ein. Mögliche Folgen, wie Entzündungen, seien selbst verschuldet und deshalb nicht vom Arbeitgeber zu bezahlen.
II. Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein
Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschied, dass die Klägerin zwar krankheitsbedingt arbeitsunfähig war, diese Arbeitsunfähigkeit jedoch selbst verschuldet hatte. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt ein Arbeitnehmer schuldhaft, wenn er in erheblichem Maße gegen das vernünftige Verhalten zum Schutz der eigenen Gesundheit verstoße.
Die Klägerin musste bei der Tätowierung damit rechnen, dass es zu einer Entzündung kommen könne, da solche Komplikationen in bis zu 5 Prozent der Fälle auftreten würden. Dieses selbst eingegangene Risiko sei nicht unerheblich. Das Gericht zog hierbei insbesondere den Vergleich, dass ein entsprechendes Risiko bei Nebenwirkungen von Medikamenten bereits als „hoch“ gelte. Diese Komplikation wird bei Einwilligung in die Tätowierung billigend in Kauf genommen. Führt diese Komplikation zur Arbeitsunfähigkeit, besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, da den Arbeitnehmer ein Verschulden an der Arbeitsunfähigkeit trifft.
III. Praxishinweis
Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei selbstverursachten Krankheiten infolge medizinisch nicht notwendiger Eingriffe die Entgeltfortzahlung verweigern dürfen. Für Arbeitgeber lohnt es sich daher zunehmend, die Pflicht zur Entgeltfortzahlung kritisch zu prüfen.
Arbeitnehmer müssen sich der Risiken bewusst sein und können bei selbstverschuldeten Erkrankungen den Anspruch auf Lohnfortzahlung verlieren.