28.12.2021Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Dezember 2021

Kündigung eines Corona-Leugners

Presseerklärung des ArbG Darmstadt vom 9.11.2021 - 9 Ca 163/21 

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Darmstadt kann das wiederholte Leugnen der Covid19-Pandemie die Kündigung eines 15 Jahre bestehenden Arbeitsverhältnisses auch ohne Abmahnung rechtfertigen. Dies gilt zumindest dann, wenn der Arbeitnehmer derartige Äußerungen im Rahmen seiner Lehrtätigkeit an seine Schüler adressiert und zugleich toleriert, dass diese gegen Hygienevorschriften verstoßen.

Sachverhalt

Der 64 Jahre alte Kläger war seit 2006 als Berufsschullehrer in Groß-Gerau im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Im November 2020 mahnte das staatliche Schulamt den Kläger unter anderem deshalb ab, weil er selbst den Mund-Nasen- Schutz nur bis unterhalb der Nase trug, gegenüber den Schülern das Maskentragen als völlig nutzlos bezeichnete, ihnen gegenüber ferner die Covid19-Pandemie als Verschwörung der weltweiten Pharmaindustrie bezeichnet und ihre Existenz geleugnet habe. Nach der Behauptung des beklagten Landes Hessen tolerierte der Kläger danach weiterhin, dass Schüler und Schülerinnen den Mund-Nasen-Schutz nicht trugen, und unterließ das Lüften des Klassenraumes. Darüber hinaus habe er geäußert, es würden die ersten KZ für Impfgegner wiederaufgebaut werden und er selbst müsse sich darauf einstellen, in ein KZ zu kommen, wenn er sich nicht impfen lassen werde. Weiterhin habe er Covid19 als reine Lüge bezeichnet. Aufgrund dessen kündigte das Land Hessen das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zunächst fristlos, einigte sich aber später mit dem Kläger darauf, dass diese Kündigung keinen Bestand haben sollte. Mit Schreiben vom 17. Juni 2021 kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Dezember 2021. 

Inhalt der Presseerklärung

Das Arbeitsgericht Darmstadt hält die Kündigung vom 17. Juni 2021 für rechtswirksam und hat die Kündigungsschutzklage nach Vernehmung mehrerer Zeugen abgewiesen. Ausweislich der Presseerklärung begründet das Gericht die soziale Rechtfertigung der Kündigung wie folgt: Trotz entsprechender Abmahnung, die sogar ausnahmsweise entbehrlich gewesen sei, habe der Kläger keine Einsicht dahingehend gezeigt, dass Arbeitsschutzvorschriften unabhängig von seinen persönlichen Ansichten einzuhalten sind. Stattdessen habe er sich durchgehend auf seine Meinungsfreiheit berufen. Im Falle seiner Rückkehr an den Arbeitsplatz sei zu befürchten, dass er weiterhin offenkundige Tatsachen als diskutierbare Meinungsäußerungen bewerten, die Schüler und Schülerinnen verunsichern und die rechtlich zwingend vorgegebenen Infektions- und Arbeitsschutzmaßnahmen in Zweifel ziehen und deren Durchsetzung gefährden werde. Zudem müsse das beklagte Land es nicht hinnehmen, dass der uneinsichtige Kläger weiterhin völlig fernliegende Vergleiche zwischen der Verpflichtung, Infektionsschutzmaßnahmen zu befolgen, und Gewissensentscheidungen oder Verhältnissen in der Nazidiktatur anstellen oder zumindest anregen werde.

Praxishinweis

Schuldhaft begangene Verstöße gegen rechtmäßige Hygienevorschriften stellen eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten und damit einen grundsätzlich geeigneten Kündigungsgrund dar. Hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob diese als Bestandteil eines betrieblichen Hygienekonzepts unmittelbar durch den Arbeitgeber angeordnet sind oder auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, wie etwa den Schulen-Corona-Verordnungen der Länder, beruhen. Entsprechendes gilt für die Duldung von Verstößen durch Dritte. Dies gilt umso mehr, wenn derartige Verhaltensweisen trotz einschlägiger Abmahnung beharrlich fortgesetzt werden. Bemerkenswert ist gleichwohl, dass das Arbeitsgericht den vorherigen Ausspruch einer Abmahnung für entbehrlich gehalten hat. Dies ist angesichts des langjährigen Bestands des Arbeitsverhältnisses keinesfalls selbstverständlich. Dies gilt auch in Bezug auf die von dem Kläger getätigten Äußerungen. Insoweit steht zu vermuten, dass das Gericht die einzelnen streitgegenständlichen Verhaltensweisen des Klägers in ihrer Gesamtheit gewürdigt und als besonders schwerwiegend bewertet hat. Das Urteil ist nicht rechtskräftig und liegt (noch) nicht im Volltext vor.

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