31.05.2022Fachbeitrag

Update Arbeitsrecht Mai 2022

Unterlassungsanspruch wegen Abwerbung

ArbG Gera, 3 Ga 2/22 – Urteil vom 8. März 2022

Ein Arbeitnehmer, der aus dem Arbeitsverhältnis bei seinem Arbeitgeber ausgeschieden ist, darf nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich andere Arbeitnehmer des vormaligen Arbeitgebers für ein neugegründetes Unternehmen abwerben, sofern kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde und soweit er nicht gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz verstößt.

Sachverhalt

Im vorliegenden von dem Arbeitsgericht Gera entschiedenen Eilverfahren begehrte ein Arbeitgeber eine gerichtliche Verfügung zur Unterlassung abwerbenden Verhaltens gegenüber einem seiner ehemaligen Arbeitnehmer. Dieser hatte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einem neu gegründeten Konkurrenzunternehmen ein neues Beschäftigungsverhältnis aufgenommen, hierüber beim Arbeitgeber noch tätige Arbeitnehmer informiert sowie mehrfach auf dem telefonischen Wege bzw. über „WhatsApp“ bei diesen nachgefragt, ob sie nicht auch wechseln wollten.  

Als der Arbeitgeber hiervon Kenntnis erlangte, beantragte er vor dem Arbeitsgericht Gera im einstweiligen Verfügungsverfahren, seinen ehemaligen Arbeitnehmer unter Androhung eines Ordnungsgeldes zu verurteilen, es zu unterlassen, seine Arbeitnehmer unter Nutzung von Daten, von denen er im Zusammenhang mit seinem früheren Arbeitsverhältnis Kenntnis erlangt hat, für eine Beschäftigung bei seinem neuen Arbeitgeber abzuwerben. Der Arbeitgeber sah es als unzulässig an, dass sein ehemaliger Arbeitnehmer hierfür die telefonischen Kontaktdaten der anderen Arbeitnehmer verwendet.

Der Arbeitnehmer wandte hingegen ein, dass er weder jemanden gezielt abgeworben, noch hierfür in einer unzulässigen Weise personenbezogene Daten verwendet habe. Vielmehr habe er die Telefonnummer auf privaten Wege abseits des vormals bestanden habenden Arbeitsverhältnisses erhalten.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Gera hat die vom Arbeitgeber begehrte Unterlassungsverfügung gegen den Arbeitnehmer als unbegründet abgewiesen, wogegen der Arbeitgeber bereits beim Thüringer Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 1 SaGa 2/22 Berufung eingelegt hat, über die zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht abschließend entschieden wurde.

Das Arbeitsgericht Gera ist der Auffassung, dass der Arbeitgeber keinen Anspruch auf Unterlassen gegenüber seinem ehemaligen Arbeitnehmer habe. Weder habe der Arbeitnehmer durch die Verwendung der Telefonnummer gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz verstoßen, noch sei zwischen den Beteiligten ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart worden. 

Zunächst führt das Arbeitsgericht Gera aus, dass ein Verstoß gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz nicht vorliege. Nach § 6 S. 1 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) kann der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses im Falle einer unzulässigen Nutzung von Geschäftsgeheimnissen gegenüber dem Rechtsverletzer verlangen, dies zu unterlassen. Zwar ging das Arbeitsgericht Gera vorliegend davon aus, dass es sich bei Adressen oder Telefonnummern von Arbeitnehmern um solche Daten handelt, die unter den Schutz des GeschGehG fallen. Gleichwohl hat es einen Unterlassungsanspruch aus § 6 S. 1 GeschGehG abgelehnt, weil der Arbeitgeber nicht substantiiert vorgetragen habe, ob und in welcher konkreten Art und Weise sein ehemaliger Arbeitnehmer diese verwendet habe.

Da ein Verstoß gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz nach Auffassung des Arbeitsgerichts Gera vom Arbeitgeber nicht substantiiert vorgetragen wurde, kam es also maßgeblich darauf an, ob der Arbeitnehmer seine ehemaligen Kollegen bei seinem ehemaligen Arbeitgeber abwerben durfte. 

Dies ist nach Ansicht des Arbeitsgerichts Gera der Fall, da zwischen den Beteiligten im vorliegenden Fall kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart wurde. Unter einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot ist eine zwischen einem Arbeitgeber und Arbeitnehmer geschlossene vertragliche Vereinbarung zu verstehen, mit der sich der Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber verpflichtet, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bestimmte Geschäftstätigkeiten, wie bspw. die Gründung eines Konkurrenzunternehmens oder das gezielte Abwerben ehemaliger Arbeitskollegen zugunsten des neuen Arbeitgebers, zu unterlassen (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 19. Dezember 2018 – 10 AZR 130/18).

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Gera fehlt es zwischen den Beteiligten im vorliegenden Fall an einer solchen Vereinbarung, da eine solche vorliegend nicht ausdrücklich vereinbart war. Zudem bemängelt das Arbeitsgericht Gera auch bei diesem Punkt, dass der Arbeitgeber nicht substantiiert vorgetragen habe, dass der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber behaupteten Abwerbungshandlungen überhaupt vorgenommen habe. 

Praxistipp

Das Arbeitsgericht Gera hat die Klage des Arbeitgebers sowohl hinsichtlich des behaupteten Verstoßes gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz als auch hinsichtlich der vom Arbeitgeber behaupteten Abwerbungshandlungen abgewiesen, weil der Arbeitgeber diese vorgetragenen Punkte nicht hinreichend substantiiert habe. 

In prozessualer Hinsicht zeigt dieser Fall daher, dass es von enormer Bedeutung ist, im Falle einer gerichtlichen Geltendmachung von (Unterlassungs-)Ansprüchen sicherzustellen, dass die geltend gemachten Ansprüche vom eigenen Sachvortrag gedeckt sind, der Sachvortrag insbesondere schlüssig und vollständig vorgetragen wurde sowie entsprechende Beweis- bzw. Glaubhaftmachungsangebote enthält. Hier steckt der Teufel im Detail, sodass es für Arbeitgeber immer ratsam ist, eine gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen nicht auf eigene Faust zu betreiben, sondern hierfür fachliche Hilfe von spezialisierten Rechtsanwälten in Anspruch nehmen sollte. 

Zudem ist Arbeitgebern zu empfehlen, mit ihren Arbeitnehmern ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu vereinbaren. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund branchenspezifischer Besonderheiten zu befürchten ist, dass diese im Falle eines späteren Arbeitgeberwechsels weitere Arbeitnehmer beeinflussen könnten, sich ihnen anzuschließen. Da es sich bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten in Arbeitsverträgen vielfach um sogenannte Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt, empfiehlt es sich auch hier, diese von einem auf Vertragsgestaltung spezialisierten Rechtsanwalt formulieren zu lassen.  

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